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März 02/1999
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AGENDA 2000 IN DER PARLAMENTARISCHEN DISKUSSION

Lafontaine: Keine unüberwindbaren Hürden zwischen Bonn und Paris

(eu) Nach Ansicht von Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) gibt es keine unüberwindbaren Hürden im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, die einer Einigung der Europäischen Union über das Reformpaket Agenda 2000 im Wege stünden. Der Minister erklärte am 3. März im Europaausschuß, in den Reihen der französischen Regierung herrsche hingegen ausgesprochene Zuversicht, daß es gelinge, bis zum Gipfel der EU­Staats­ und Regierungschefs am 24. und 25. März in Berlin einen Kompromiß über noch strittige Fragen bei der Agenda 2000 zu finden.

Lafontaine lehnte es im übrigen ab, sich schon jetzt auf Toleranzgrenzen beim deutschen Abstimmungsverhalten über die künftige Nettozahlerposition festzulegen. Es gebe, wie in der Öffentlichkeit ja bekannt sei, "heftige Verhandlungen", derzeit noch ohne Ergebnis. Den Kritikern an den Reformvorschlägen der Europäischen Kommission hielt Lafontaine vor, es passe nicht zusammen, einerseits eine bessere deutsche Nettozahlerposition zu fordern, andererseits aber Abstriche bei der Förderung der Landwirtschaft abzulehnen.

Die Haltung der Bundesregierung zur Agenda 2000 war am gleichen Tag auch Thema einer von der F.D.P. und der CDU/CSU beantragten Aktuellen Stunde im Bundestag. Staatsminister Günter Verheugen (SPD) verdeutlichte dabei, die Agenda sei das "bisher anspruchsvollste Reformprojekt" der EU überhaupt.

Für die nächsten sieben Jahre müsse Haushaltsdisziplin in der EU ein wichtiges Ziel werden. Der Gesamtplafond für die Ausgaben der EU sei in den nächsten sieben Jahren deutlich unter dem Vorschlag der Europäischen Kommission festzuschreiben. Das beziehe sich ausdrücklich auch auf den Agrarhaushalt.

Intensive Gespräche

Nur so könne das Ziel erreicht werden, innerhalb der EU zu mehr Beitragsgerechtigkeit bei gleichzeitiger Konzentration und effizienterer Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen zu kommen und die Erweiterung nach Osten vorzubereiten. Die Regierung versuche derzeit in "sehr intensiven bilateralen Gesprächen", die Bewegungsspielräume ihrer Partner auszuloten.

Für die SPD hielt der Abgeordnete Norbert Wieczorek Teilen der Opposition vor, sie sollten im Zusammenhang mit der Agenda 2000 nicht "unmögliche Dinge" fordern, von denen sie selbst wüßten, daß sie zu keinem Erfolg führten. Damit werde auch nicht das gemeinsame Ziel erreicht, die EU­Ausgaben dauerhaft zu stabilisieren, finanziell und inhaltlich bei der Agrar­ und Strukturpolitik Raum für die Erweiterung der EU zu schaffen und mit einem eigenen Konzept in die Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) zu gehen.

Michael Stübgen (CDU/CSU) merkte an, wenn man den Versuch unternehme, die Europapolitik von Bundeskanzler Gerhard Schröder in den letzten 120 Tagen mit einem Satz zu kommentieren, dann müsse man wohl auf das geflügelte Wort zurückgreifen, "Kanzler Schröder startete als Tiger und landete als Bettvorleger." Die Vorschläge der Kommission zur Agenda 2000, so Stübgen weiter, bedeuteten im Bereich der Eigenmittelsysteme und dem der Strukturfonds insgesamt eine gute Arbeitsgrundlage. Darauf hätte man in harten Verhandlungen ein sowohl die deutschen Interessen als auch die Erweiterungsfähigkeit der EU berücksichtigendes Ergebnis erzielen können. Kardinalproblem bleibt aber der Agrarteil der Agenda. Dieser führe aber zu drastischen Einkommenseinbußen für die Landwirte und bewirke gleichzeitig Mehrkosten von sechs bis acht Milliarden DM im EU­Haushalt.

Für Bündnis 90/Die Grünen warf Christian Sterzing den Kritikern der Regierung "schieren Populismus" vor. Diese wollten sich mit der Propagierung eines nationalen Eigeninteresses auf billige Weise Applaus bei den Landwirten in dieser Gesellschaft verschaffen. CDU/CSU und F.D.P. "schimpften so maßlos und widersprüchlich" auf die Bundesregierung, weil sie für die Lösung der Agenda­Probleme kein eigenes Konzept hätten. Sie setzten in dieser Beziehung bruchlos die Konzeptionslosigkeit der alten Regierung fort.

Helmut Haussmann stellte für die F.D.P. fest, noch nie habe eine deutsche Regierung einen für Europa so entscheidenden Gipfel so "unprofessionell, so stümperhaft und so dilettantisch" vorbereitet, wie dies am Wochenende zuvor auf dem Petersberg der Fall gewesen sei. Ein Scheitern des Sondergipfels Ende März in Berlin sei nunmehr nicht mehr auszuschließen - mit allen Folgen für die Osterweiterung, die europäische Währung und letztlich für deutsche Interessen. Zudem mache auch die "wirre deutsche Steuer­ und Finanzpolitik" den Euro weich. Dies sei eine große Gefahr.

Aus den Reihen der PDS bemängelte Kersten Naumann, große Handelskonzerne versuchten unter Ausnutzung der Notlage von Bauern die Verfügungsgewalt über die Primärproduktion im Agrarbereich zu erreichen. Die Agenda 2000 sei insofern das von Agrarkommissar Franz Fischler vorgelegte politische Konzept, um dafür grenzüberschreitend freie Bahnen zu schaffen.

Unterschiedliches Echo

Bereits am 10. Februar hatte die Problematik im Europaausschuß ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Während die SPD das derzeit von einer Reihe von EU­Mitgliedstaaten favorisierte Prinzip einer realen Ausgabenkonstanz im Agrarbereich als einen guten Ansatz begrüßte, argwöhnte die CDU/CSU, die Pläne der Kommission hätten einen Anstieg der Subventionen und die Vernichtung von landwirtschaftlichen Vollerwerbsarbeitsplätzen zur Folge.

Bündnis 90/Die Grünen bemängelten, die Diskussion um eine zukünftige europäische Agrarpolitik verlaufe auf dem Niveau einer "Gespensterdebatte" über Finanzaspekte. Erforderlich sei aber, auch und vor allem mit Blick auf Kandidatenländer in Mittel­ und Osteuropa mit stark bäuerlichen Strukturen, auf eine qualitative Reform abzuheben. Der Vertreter der F.D.P. argumentierte, mit dem Vorschlag, Einkommensbeihilfen an die Landwirtschaft bis zum Jahre 2006 schrittweise zurückzuführen, habe man zum Nachteil der Bauern "die Katze aus dem Sack gelassen".

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9902/9902059
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