Deutscher Bundestag
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Februar 1/2003
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Titelthema

Die Verwaltung des Bundestages

Geräuschlose Helfer

Das zentrale Organ, sozusagen das Herz der Demokratie, ist der Bundestag. Doch damit dieses Herz schlagen kann, braucht es Unterstützung. Denn wenn die Bundestagsabgeordneten wichtige Informationen nicht pünktlich bekämen, nicht ordentlich tagen könnten, in den Postfluten ertränken, könnten sie ihre verfassungsmäßigen Aufgabe, die Ausübung der vom Volke ausgehenden Staatsgewalt, nicht gut wahrnehmen. Je weniger die Helfer im Hintergrund zu spüren sind, desto besser arbeiten sie. Denn sie sorgen dafür, dass es nicht quietscht und knirscht. Geräuschlos, gefällig, gut – ein Blick auf die Bundestagsverwaltung.

Vier Wörter bringen die Aufgaben der Bundestagsverwaltung auf den Punkt. Sie stehen in der allgemeinen Dienstanweisung und lauten: „Sie dient dem Parlament.” Fünf weitere Wörter, einen Satz später, zeigen die Dimension dieses Dienens: Es gehe darum, die „organisatorischen, technischen und materiellen Voraussetzungen” für die Arbeit des Deutschen Bundestages zu schaffen.
Schon von diesem Vorverständnis her kann es sich bei dieser Verwaltung um keine gewöhnliche Behörde handeln. Und man merkt es auf allen Ebenen. Schon beim

Parlamentssekretariat
Parlamentssekretariat.

Chef. Der ist nicht einfach der Direktor der Bundestagsverwaltung, wie man es hätte erwarten können. Wolfgang Zeh ist vielmehr Direktor „beim“ Deutschen Bundestag. Das verweist darauf, dass der eigentliche Chef der Bundestagspräsident ist. Offiziell ist Wolfgang Thierse in seinem Amt als Präsident „oberste Dienstbehörde der Angehörigen der Verwaltung des Deutschen Bundestages“ und als solcher betraut er einen Direktor damit, die Verwaltung in seinem Auftrag zu leiten.
Das bedeutet zugleich, dass wichtige Aufträge und Impulse für die Arbeit der Bundestagsverwaltung zu- oberst aus den Gremien erwachsen, die den Präsidenten in seiner Amtsführung unterstützen und die den parlamentarischen Alltagsbetrieb am Laufen halten: Präsidium und Ältestenrat sind mit der Verwaltung besonders eng verbunden. Aber auch jede Fraktion und jeder einzelne Abgeordnete kommt als Auftraggeber in Frage. Und auch aus den Zehntausenden von Petitionen, die Jahr für Jahr beim Bundestag eingehen, entwickeln sich Aufträge für die Bundestagsverwaltung. Als oberste Bundesbehörde somit ein absolutes Unikum. Aber ganz im Sinne des Ausübens von Staatsgewalt aus der Hand jedes Bürgers und seiner Vertreter.
Das ABC der Helfer im Hintergrund buchstabiert die Bundestagsverwaltung anders. Bei ihr heißt es P, W und Z. Das sind die großen Einheiten, in die die Arbeit der rund

Parlamentsfernsehen
Parlamentsfernsehen.

2.400 Mitarbeiter aufgeteilt sind. Grob gesagt steht das P für die Abteilung „Parlamentarische Dienste“, die den Service für die parlamentarische Arbeit im engeren Sinne leistet, das W für die Abteilung „Wissenschaftliche Dienste“, die Informationen und Unterstützung zur gesetzgebenden Arbeit und zur Regierungskontrolle liefert, und das Z für die Abteilung „Zentrale Dienste“,die die elementaren Voraussetzungen für das Funktionieren jeder Behörde und erst recht jeden „Organs” schafft. Ganz gleich, wie lange der Bundestag am Abend debattiert, irgendeiner muss hinterher das Licht ausmachen und dafür sorgen, dass es am nächsten Morgen aufgeräumt und gut vorbereitet weiter gehen kann.

Greifen wir exemplarisch einige wenige von vielen Tätigkeitsfeldern der einzelnen Abteilungen auf:

P wie Parlamentssekretariat. Dies ist der wichtigste Aufschlagspunkt aller Vorhaben, die den Bundestag beschäftigen, und sie werden hier richtig in Form gebracht. Sowohl optisch (schließlich sollen die Drucksachen und Gesetzesvorlagen nicht wie Kraut und Rüben aufgebaut sein) als auch formal (die verwendeten Abkürzungen und Begriffe müssen stimmen, damit der amtliche Text genau ist und keine Verwirrung stiftet). Dazu gibt es im Sekretariat eine eigene Lesegruppe, die dafür sorgt, dass allen Missverständnissen vorgebeugt wird. Vor dem Eintreffen ist eine Initiative von Fraktionen, Bundesregierung oder Bundesrat ein Papier. Danach eine Drucksache mit einer unverwechselbaren Nummer. Und Teil eines Systems, das Ordnung in eine kaum überschaubare Fülle von Vorschlägen bringt.

Stenographen
Stenographen.

P wie Parteienfinanzierung. Der Bundestagspräsident als mittelverwaltende Behörde hat auch den gesetzlichen Auftrag, das Parteiengesetz in seinen Finanzierungsfragen durchzusetzen und nach klaren Vorgaben festzulegen, wer wie viel Geld an staatlicher Unterstützung erhält. Stimmen die Rechenschaftsberichte? Gab es Unregelmäßigkeiten bei den Parteispenden? Welche Sanktionierung muss als Folge greifen? Auch bei diesen Fragen bemüht sich die Verwaltung vorab um Vorbereitung und Zuarbeit.

P wie Parlamentsfernsehen. Aus der Verfassungsvorschrift zur öffentlichen Verhandlung des Bundestages folgt die Pflicht zur Information der Öffentlichkeit. Das geschieht zum einen durch ein direkt beim Präsidenten angesiedeltes Pressezentrum. Zum anderen aber auch durch die Öffentlichkeitsarbeit, in der das Parlamentsfernsehen aus Sicht des Publikums eine immer bemerkbarere Rolle spielt. Schon jetzt können die Debatten live im Internet verfolgt werden, und je mehr Ausschüsse der Anregung des Präsidenten Rechnung tragen und auch ihre Arbeit vermehrt öffentlich machen, desto eher ist das Parlamentsfernsehen in der Lage, Mittler zwischen Volk und Volksvertretung zu sein. Zeitlos bedeutend ist aber auch die Arbeit der Stenographen, ausgewiesenen Experten, die nicht nur die Debatte im Wortlaut festhalten, sondern auch die Sitzungsatmosphäre wiedergeben. Sie machen selbst das Nachlesen von historischen Debatten zum nachvollziehbaren Erlebnis. Enormes Interesse gibt es an persönlichem Miterleben: Der Besucherdienst der Verwaltung betreute seit dem Umzug nach Berlin im Mai 1999 schon über 5,5 Millionen Bürger.

Hotline W.
Pförtner
Hotline W. Pförtner.

P wie Partnerschaften. Zusammen mit dem US-Kongress unterhält der Bundestag einen Jugendaustausch. Und auch mit vielen anderen Ländern und Parlamenten auf der ganzen Welt gibt es intensive Kontakte. Das ist ein Stück Außenpolitik. Das fördert demokratische Strukturen überall auf dem Globus. Aber das will auch organisiert sein. Zum Beispiel ganz aktuell die gemeinsame Veranstaltung von Deutschem Bundestag und Assemblée Nationale zum 40-jährigen Bestehen des Elysée-Vertrages.


Poststelle
Poststelle.

P wie Personal. An diesem Beispiel wird klar, dass es keine scharfen Abteilungsgrenzen in der Bundestagsverwaltung gibt. Wenn die Abteilung W nun ein Sekretariat für den Wahlkampf-Untersuchungsausschuss auf die Beine stellt (so wie sie auch jeden der 21 ständigen Ausschüsse personell arbeitsfähig macht und mit einem eigenen Ausschuss-Sekretariat unterstützt), hat die Abteilung P über ihre Betreuung der Geschäftsordnungsangelegenheiten konzeptionell daran mitgewirkt. Und auch die Abteilung Z ist in dieser Frage immer gefordert. Sie betreut auch die Verträge der rund 3.000 Mitarbeiter, die den Abgeordneten in ihren Büros in Berlin und im Wahlkreis direkt zuarbeiten. Also ein Job wie ihn der Personalchef eines großen Unternehmens leistet – hier wahrgenommen von einem Referatsleiter.

W wie Wissen. Damit Politik die richtigen Entscheidungen treffen kann, müssen die Informationen so präzise wie möglich sein. So beschäftigt die Abteilung W eine ganze Reihe von Gutachterteams, die speziellen Einzelfragen nachgehen und den Abgeordneten auf Anfrage fundierte Antworten zuliefern. Beispiele für aktuelle Fragen: Wie ist es mit der Wehrpflicht und der Zukunft der Bundeswehr bestellt? Welche rechtlichen Grundlagen bestehen international zum Kinderasyl und gegen Kinderhandel? Was hat es mit den Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute auf sich und warum weicht die tatsächliche Entwicklung so sehr davon ab? Wie geht es aus statistischer Warte mit der gesetzlichen Rentenversicherung weiter? Damit das Wissen optimal zu den Fragestellern gelangt, hat die Verwaltung eine eigene „Hotline W“ geschaltet. Und außerdem reagieren die Wissenschaftlichen Dienste nicht nur, wenn sie geholt werden, sie bringen auch von sich aus relevante Informationen an die Abgeordneten. Zum Beispiel zu aktuell diskutierten Begriffen oder zu Gerichtsurteilen, die für das Parlament wichtig sein könnten. In einem Satz: „In einem Meer von Informationen den Parlamentariern eine bedarfsgerechte und zielgenaue Orientierung geben.“ Dabei können Abgeordnete wie Mitarbeiter auch auf das zentrale Archiv als Gedächtnis des Parlamentes sowie die Bundestagsbibliothek mit ihren 1,3 Millionen Bänden zurückgreifen.

Z wie Zuverlässigkeit. Abgeordnete brauchen für ihre Arbeit Räume, Tische, Stühle, Schränke, Computer, Telefone. Sie sollen im Winter nicht frieren und im Sommer nicht schwitzen. Sie müssen von einem Ort zum anderen, und das möglichst schnell. Sie sollen auch ungestört von ungewünschten Eindringlingen wirken können und gegen Angriffe geschützt sein. Und ihre Unterlagen sollen nicht irgendwann bei ihnen eintreffen, sondern punktgenau. Eine Herkulesaufgabe an unsichtbarer Leistung und Koordinierung der zentralen Dienste – von der Liegenschaftsverwaltung über die Beschaffung und die Poststelle mit ihren bis zu 40.000 Sendungen täglich bis zur bundestagseigenen Polizei.

Tagungsbüro
Tagungsbüro.

Jeder Bauherr kann zudem ein Lied davon singen, welche große „Freude“ in den Details noch nicht richtig funktionierender Gebäudetechnik steckt. Fenster, die sich bei klirrender Kälte automatisch öffnen und nur schwer davon zu überzeugen sind, dass gerade kein Hochsommer herrscht. Sitzungssäle, die sich beharrlich gegen eine verständliche Beschallung wehren. Lamellen, die sich in Fenstern verkanten und Büros in ständige Dämmerung tauchen. Zukunftsweisende Energieversorgung mit beispielhaft durchdachter Automatik der drei eigenen Blockheizkraftwerke, wie es sich für den Bundestag und seine ökologische Vorbildfunktion gehört – aber auch mit einem winzigen Nachteil: Die Steuerung funktioniert noch nicht. Und das heißt immer wieder: Handbetrieb. Hier anpacken, dort organisieren. Ganz gleich, ob P, ob W, ob Z. Alle hängen nach den Worten Zehs „am Puls des Parlamentes“. Nur auf den ersten Blick ähnele der Aufbau der Verwaltung einer gewöhnlichen Behördenorganisation mit der klassischen Zuständigkeitsspinne aus Verwaltungsspitze, Abteilungen, Unterabteilungen und Referaten.

Mitarbeiter
Mitarbeiter.

Die Bundestagsverwaltung ist daneben aber auch direkt angedockt an das Parlament und seine Bedürfnisse. Da wird Flexibilität zur unverzichtbaren Grundlage des Geschäftes. Die Pfortenmannschaften stellen sich darauf ein, dass nach manchen Besprechungen Abgeordnete und ihre Mitarbeiter mitunter tief in der Nacht noch einmal im Büro arbeiten. Weit außerhalb gewöhnlicher Behördenzeiten werden dringliche Beschlussempfehlungen bei Bedarf auch noch um zwei oder drei Uhr nachts in die Fächer verteilt. Feierabende lassen sich je nach Nähe des Referates zum aktuellen Geschehen im Parlament in Sitzungswochen nur selten planen. Einzelne Zentralen, insbesondere in der Sicherheit, arbeiten ohnehin „durch“. Und so richtet sich die Arbeit des Personalrates auch immer wieder auf handfeste praktische Fragen – etwa die, wie das Pfortenpersonal zu nachtschlafender Zeit noch nach Hause ins Berliner Umland kommt.

Wenn in Nichtsitzungswochen die meisten Abgeordneten ihren Wahlkreisverpflichtungen nachgehen, kommt die Verwaltung dazu, Liegengebliebenes in der Administration zu erledigen. Einige Tage später kann dann schon wieder parlamentarische Hochspannung die Routine ersetzen: „Es gibt in unserer Arbeit immer wieder regelrechte Konjunkturen – dann müssen wir alle Kräfte hineinwerfen“, sagt Zeh. Meistens montags schließen sich die Abteilungen kurz: Was liegt an, was kann auf uns zukommen? Wesentlich sind immer die regelmäßigen Sitzungen von Präsidium und Ältestenrat, an denen natürlich auch Vertreter der Verwaltung teilnehmen. Daraus resultierende Arbeitsaufträge geben die Abteilungsleiter meist telefonisch weiter, damit die Erledigung sofort beginnt. Die Aufträge kommen dann zwar noch einmal schriftlich auf den Weg, doch das wird nicht abgewartet – in der Zwischenzeit können die angesprochenen Arbeitseinheiten ja schon einmal anfangen. Für Konferenzen zur verwaltungsinternen Vor- oder Nacharbeit der Ältestenratssitzungen fehlt die Zeit.

Besuchergruppe
Besuchergruppe.

Vieles lässt sich ohnehin nicht am grünen Tisch klären – wie etwa kürzlich die Frage, ob es denn theoretisch ohne größeren Aufwand möglich wäre, den beiden fraktionslosen Abgeordneten auch feste Tische vor ihre Stühle zu installieren, wie es ansonsten nur für die ersten Sitzreihen im Plenarsaal vorgesehen ist. Ein Mitarbeiter der Abteilung Z kroch in die Innereien unter den Fußboden im Sitzungssaal und kam schnell zu dem Ergebnis: geht nur mit erheblichem technischen Aufwand, da keine Tragkonstruktion vorhanden ist und es unter den hinteren Sitzen von Technik und Leitungen nur so wimmelt.
Und so war auch dieser Auftrag wieder einer aus der Kategorie: sieht man nicht. So wie beim Theater die Kulissenschieber und die Beleuchter. Arbeiten sie perfekt, denkt keiner daran, dass es sie gibt. So wie die vielen Helfer im, am und rund um das Parlamentsgeschehen. Oder bescheidener: „beim Bundestag“.


Text: Gregor Mayntz

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2003/bp0301/0301004a
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