Das Parlament mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 09 - 10 / 28.02.2005
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Detlev Lücke

Meilenstein der Integration

Bundestag will EU-Verfassung rasch ratifizieren
In großer Übereinstimmung hat der Deutsche Bundestag in seiner Debatte vom 24. Februar über die künftige Verfassung der Europäischen Union beschlossen, das Verfahren zu deren Ratifizierung rasch abzuschließen. Vertreter aller Parteien würdigten das Gesetzeswerk als einen "Meilenstein europäischer Integration". Die parlamentarische Behandlung der Verfassung im Bundestag soll noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden. Die von der Opposition geforderten verstärkten Mitwirkungsrechte des Parlaments im Vorfeld wichtiger EU-Entscheidungen wurden von der Koalition abgelehnt.

Außenminister Joseph Fischer (Bündnis 90/ Die Grünen) warb in der Debatte für eine "klare, schnelle und richtige Entscheidung mit möglichst breiten Mehrheiten". Das EU-Grundgesetz sei ein "ganz entscheidender Baustein für Europa". Die Erweiterungspolitk der Europäischen Union sei eine große Erfolgsgeschichte. "Wir haben eine Parallelität von Rechten der Mitgliedstaaten und Subsidiaritätsprinzip, wir haben die Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments und der Kommission und die klare Definition des Verhältnisses zum Rat".

Für die SPD verwies der Abgeordnete Michael Roth darauf, dass die Europäische Union handlungsfähiger geworden sei: "In der Außen- und Sicherheitspolitik bekommt Europa Gesicht und Stimme."

Für die Unionsparteien kündigte deren stellvertretender Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble Zustimmung zur Europäischen Verfassung an. Gleichzeitig kritisierte er die Bundesregierung scharf für den Umgang mit Visaanträgen. An die Adresse von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte er: "Wenn Sie offene Grenzen wollen, dürfen Sie nicht Schindluder treiben mit der Visa-Erteilung." Wenn es in Europa aufgrund des Schengen-Abkommens offene Grenzen gebe, müsse man sich auch an diese Vereinbarungen halten. "Die Vorwürfe unserer Partner zeigen, dass wir das Schengen-Abkommen verletzt haben." Schäuble warf der Koalition außerdem einen "laxen Umgang" mit dem Euro-Stabilitätspakt vor, der die Einheit der EU gefährde.

Für die Freien Demokraten warf Werner Hoyer der Bundesregierung vor, die deutschen Bürger nicht ausreichend über den Inhalt der Europäischen Verfassung informiert zu haben, mit der die EU auch mit 25 und mehr Mitgliedern handlungsfähig bleiben will. Er kritisierte, dass es bis auf den heutigen Tag keinen vollständig gedruckten Verfassungstext gebe. Die FDP verlangte erneut eine Volksabstimmung über die Verfassung.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) sicherte in einer bewegten Rede für die Verfassung die Zustimmung der Bundesländer zu. Es sei ein Meilenstein für eine gute Entwicklung in Europa gesetzt worden. Europa sei dann stark, wenn es sich um diejenigen Aufgaben kümme, "deren Lösung über die Kraft des Nationalstaates hinausgeht".

Der Staatsminister für Europa, Hans-Martin Bury (SPD), betonte, dass das gleichzeitige Herangehen an die Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union zwar ein Wagnis gewesen sei, aber zugleich die Voraussetzung für das Gelingen. "Die Europäische Verfassung ist die Geburtsurkunde der Vereinigten Staaten von Europa." Marianne Tritz (Bündnis 90/Die Grünen) gab ihrer Sorge Ausdruck, dass die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU "zu militärisch werden könnte". Es sei zu fragen, ob die Einrichtung einer europäischen Verteidigungsagentur in der Verfassung stehen müsse.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) unterstrich, dass europäische Öffentlichkeit beim Werden der Verfassung nicht genügend hergestellt worden sei. Die Angst vor einem "technokratischen Monstrum" werde verringert, wenn den Bürgerinnen und Bürgern ein Mitspracherecht eingeräumt werde. Wie die FDP forderte auch die fraktionslose Abgeordnete Gesine Lötzsch eine Volksabstimmung über die Verfassung. Der SPD-Abgeordnete Axel Schäfer meinte, "die in Brüssel" gebe es nicht. "Die in Brüssel" seien "auch wir, unsere Abgeordneten, unsere Minister, unsere Beamten und unsere Vertreter im Verein mit den anderen, die mit uns eine Gemeinschaft bilden". Gerd Müller (CDU/CSU) sprach sich für ein föderales und kein zentralistisches Europa aus.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.