Hinter diesem gesetzlichen Schutz - so zumindest verstehen ihn viele der rund 250.000 Urheber und Künstler in Deutschland - steht der Wunsch des Gesetzgebers, dass die Urheber und Künstler am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Werke beteiligt sind und so eine realistische Chance besteht, sich durch die Schöpfung nachgefragter Werke den Lebensunterhalt zu verdienen.
Viele Jahre war der Interessenausgleich zwischen Urhebern, Verwertern und der Allgemeinheit, deren Interesse am Zugang zu Wissenschaft und Kultur ebenfalls geschützt ist, gut eingespielt. Doch die neuen Möglichkeiten, geschützte Werke per Digitaltechnik ohne Qualitätsverlust beliebig oft zu kopieren und um die Welt zu schicken, einerseits und die zunehmende Konzentration in der Medien- und Kulturwirtschaft andererseits haben neue Begehrlichkeiten geweckt. So stöhnen Journalisten, Autoren und Übersetzer seit Jahren unter dem steigenden Druck durch Verleger, Produzenten und Sendeanstalten, die ihre wirtschaftliche Machtstellung dazu missbrauchen, den freiberuflich Tätigen die Erlaubnis für digitale Mehrfachnutzungen ihrer Werke abzunötigen, ohne ihnen dafür eine Vergütung anzubieten.
Stärkung der Verhandlungsposition
Nicht zuletzt aus diesem Grund hat der Deutsche Bundestag vor mehr als drei Jahren dem Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern (Urhebervertragsgesetz) zugestimmt. Seit dem 1. Juli 2002 haben Urheber und Künstler in Deutschland einen einklagbaren Anspruch auf eine angemessene Vergütung für jede Nutzung ihrer Werke (Paragraf 32 UrhG) und die Urheberverbände sind dazu aufgerufen, mit den Verwertern oder ihren Verbänden die Höhe der angemessenen Vergütung auszuhandeln und entsprechende Vergütungsregeln aufzustellen (Paragraf 36 UrhG).
In der Begründung des Entwurfs heißt es dazu, freiberufliche Fotografen, Journalisten und andere Urheber seien zwar rechtlich gesehen Unternehmer, doch "tatsächlich sind sie aber zumeist eher lohnabhängigen Arbeitnehmern vergleichbar". Vor allem freiberufliche Urheber, die sich beim Abschluss von Verträgen in einer eher schwachen Verhandlungsposition befinden, sollen durch die Reform gestärkt werden. Die betreffende Rechtslage sollte daher eine Angleichung an die Regelung anderer freier Berufe wie Ärzte und Architekten und Rechtsanwälten erfahren, bei denen die Vergütung bereits gesetzlich normiert ist.
Um es vorweg zu nehmen: Vorzeigbare Ergebnisse im Sinne der Gesetzesbegründung gibt es in den drei Jahren kaum. Nur in Ausnahmefällen scheint das neue Urhebervertragsgesetz kurzfristig die Verhandlungsposition von Urhebern bisher verbessert zu haben. So hätten sich manche öffentlich-rechtliche Sendeanstalten - darunter das ZDF und der SWR - "im Umfeld des neuen Urhebervertragsrechts dazu bereit erklärt, eine lange gestellte Forderung umzusetzen und Regelungen aus den Haustarifverträgen für freie Mitarbeiter auch auf die Autoren und Regisseure zu übertragen, die für freie Produzenten arbeiten, und ihnen die Wiederholung ihrer Beiträge extra zu honorieren", berichtet der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, Thomas Frickel.
Die bislang einzige Einigung auf gemeinsame Vergütungsregeln zwischen dem Verband Deutscher Schriftsteller in ver.di (VS) und einer repräsentativen Anzahl deutscher Belletristikverlage kam nach langwierigen Verhandlungen nur mit Hilfe einer Mediation durch das Ministerium für Justiz zustande. "Damit wird das Urhebervertragsrecht von 2002 endlich in einem wichtigen Bereich mit Leben erfüllt. Ich hoffe, dass dieser Durchbruch auch weiteren Bereichen der Kulturwirtschaft Mut macht, einen Kompromiss zu suchen", freute sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zum Abschluss der Mediation im November 2004. Unter den Belletristikautoren wurde das Ergebnis hingegen mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Als "Rückfall in die 50er-Jahre" bezeichnete denn auch Ernst Piper die Verhandlungsergebnisse nach deren bekannt werden in der "Frankfurter Rundschau", weil einzelne Passagen hinter bereits üblichen Honorarstaffelungen zurückblieben. So sei es seit vielen Jahren üblich, dass die Honorarstaffel für das Taschenbuch spätestens bei einer Auflage von 100.000 Exemplaren zehn Prozent erreichte (bei den neuen Vergütungsregeln sind es nur noch acht Prozent). Bei buchnahen Nebenrechten wie bei Übersetzungen in andere Sprachen, bei Hörbüchern oder Buchclubausgaben hätten Verlage jahrzehntelang einen Erlösanteil von 60 zu 40 zu Gunsten des Autors gezahlt, während der Kompromissvorschlag nur eine 50-50-Regelung vorsieht.
Das von der damaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) intendierte Ziel, dass die Verbände der Urheber die Höhe der Vergütung "in gleicher Augenhöhe" mit den Vertragspartnern aushandeln, scheint so ohne weiteres nicht umsetzbar zu sein. "Es ist uns nicht leicht gefallen, diesem Vorschlag zuzustimmen", räumte denn auch der VS-Vorsitzende Fred Breinersdorfer ein, "aber wir sehen in den Zeiten von Hartz IV, in dieser Vereinbarung, mit der Mindeststandards geschaffen wurden, eine wirksame Absicherung gegen Honorardumping".
Begegnung auf Augenhöhe fraglich
Die Urheberverbände haben sich inzwischen auf schwierige Verhandlungen mit den unterschiedlichen Verwertergruppen eingestellt. Bereits im August 2002 hatten etwa die Journalistengewerkschaften Deutsche Journalisten Union in ver.di (dju) und der Deutscher Journalisten Verband (DJV) ihre gemeinsamen Entwürfe für Vergütungsregeln bei Tageszeitungen und bei Zeitschriften an die Verlegerverbände übermittelt. Von der im Urheberrechtsgesetz vorgesehenen Möglichkeit, nach einer so langen Verhandlungsdauer ein Schlichtungsverfahren einzuleiten, wollen die Urhebervertreter derzeit trotzdem keinen Gebrauch machen. "Weil wir der Auffassung sind, dass wir in den Verhandlungen auf einem guten Weg sind", begründet ver.di-Urheberrechtler Wolfgang Schimmel. Die Materie sei komplex, schließlich gelte es, ein Regelwerk für so unterschiedliche Publikationen zu finden wie den konfessionellen Zeitschriften, die eher wie Tageszeitungen zu behandeln sind, der bunten Massenpresse wie dem "Stern" und Zeitschriften wie der hoch spezialisierten "Juristischen Wochenschrift". Noch wird über die Rahmenbedingungen verhandelt. Doch erst, wenn es darum geht, wie viel für welche Nutzungen zu zahlen ist, würde sich zeigen, ob eine Verhandlungslösung möglich ist, die Urhebervertreter in ein Schlichtungsverfahren gehen oder sich andere Vertragspartner, etwa einen einzelnen Verlag oder einzelne Verleger-Landesverbände suchen.
Nur die Verhandlungen der literarischen Übersetzer, deren branchenübliche Honorierung in der Begründung zum Urhebervertragsrecht als unredlich und unangemessen im Verhältnis zur erbrachten Leistung eingestuft wurde, sind bislang gescheitert, nachdem die zum Zweck der Verhandlung gegründeten Verlegerver-einigungen aus den Bereichen Belletristik und Sachbuch sich im Herbst 2003 aufgelöst haben. "Die Vorstellungen beider Seiten lagen sehr weit auseinander," begründete dies der Sprecher der Verlegervereinigungen, Thomas Schwoerer, im "Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel". "Ich finde es außerordentlich enttäuschend, dass die Verleger sich aus den Verhandlungen zurückgezogen haben, obwohl sie im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens immer wieder betont haben, dass ein Urhebervertragsgesetz eigentlich nicht notwendig sei, weil sie sehr wohl gewillt seien, sich ohne gesetzlichen Druck mit uns Urhebern auf angemessene Honorare zu einigen," kommentiert die Vorsitzende des Verbandes deutschsprachiger Übersetzer (VdÜ), Gerlinde Schermer-Rauwolf.
Die Folgen: Ein gutes Dutzend Klagen auf Anpassung von Übersetzerverträgen aus dem Jahr 2001 an eine angemessene Vergütung wurden nach dem Scheitern der Verhandlungen noch kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist in München, Hamburg und Berlin eingereicht. Dem vom VdÜ beantragten Schlichtungsverfahren vor dem Berliner Kammergericht wurde inzwischen stattgegeben und ein Schlichter bestellt. Außerdem ist der VdÜ im Frühsommer 2004 in Einzelverhandlungen mit der Verlagsgruppe Random House eingestiegen.
Mühevolle Interessenvertretung
Zumindest vorübergehend führt die Verhärtung der Fronten bei den literarischen Übersetzern zu einer Verschlechterung der finanziellen Situation, obwohl laut einer vom VdÜ beim Münchener IMU-Institut in Auftrag gegebenen Studie die Übersetzertätigkeit schon zuvor nicht ausreichte, "einen auch nur einigermaßen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen". Im Bestreben, die Standards möglichst niedrig zu halten, würden, so Gerlinde Schermer-Rauwolf, die Verlage inzwischen hinter dem bereits üblichen Status quo zurückbleiben. So wären vor der Urheberrechtsreform viele der etablierten Verlage bereit gewesen, neben der branchenüblichen Seitenhonorierung zusätzlich einen Anteil von einem Prozent am Verkaufserlös ab 10.000 verkauften Exemplar zu bezahlen - ein Verhandlungsspielraum, der seit dem Streit über die angemessene Vergütung in etlichen Fällen auf eine Beteiligung von 0,5 Prozent ab 30.000 verkauften Exemplar geschrumpft ist.
Erst in einigen Jahren wird sich zeigen, ob das neue Urhebervertragsrecht zur gewünschten Verbesserung der Einkommenssituation freiberuflicher Urheber führt oder ob die einklagbaren Mindeststandards, wie von manchem Urheber befürchtet, dauerhaft zur Beschneidung von Verhandlungsspielräumen eingesetzt werden. Sicherlich steht jedoch schon jetzt fest: Wie immer die Vergütungsverhandlungen zwischen Verwertern und Urhebern in den verschiedenen Bereichen ausgehen - und sich auf das jeweilige Honorarniveau niederschlagen -, müssen die Urheber die angemessene Vergütung weiterhin individuell bei jeder Honorarvereinbarung und im Zweifel vor Gericht durchsetzen.
Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.