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15. Wahlperiode
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Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Parlamentarische Behandlung der Europapolitik

1.  Ausgangslage

Europapolitik wird im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland von Bundesregierung und Bundestag gemeinsam gestaltet. Die Regeln dafür sind in Artikel 23 GG und in einem eigenen Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union niedergelegt. Die Europapolitik ist damit der einzige Politikbereich, in dem das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestag überhaupt geregelt ist und in dem dies in Form eines Bundesgesetzes geschehen ist. Dafür waren und sind vor allem zwei Gründe maßgebend: Zum einen die mit dem Vertrag von Maastricht einhergehende umfangreiche Übertragung von Hoheitsrechten von der Bundesrepublik Deutschland auf die Europäische Union, die den verfassungsändernden Gesetzgeber nach geeigneten Vorkehrungen gegen eine weitere Auszehrung nationaler Entscheidungsbefugnisse und gegen eine weitere Zunahme des demokratischen Defizits der Europäischen Union suchen ließ. Zum anderen die Überlegung, dass auf dem wichtigen Gebiet der Europapolitik deutsche und europäische Interessen am wirkungsvollsten im Konsens zwischen Bundesregierung und Bundestag vertreten werden können. Dem Deutschen Bundestag wurde deshalb ein besonderes parlamentarisches Instrumentarium an die Hand gegeben, mittels dessen er in die Lage versetzt wird, europäisches Recht innerstaatlich umzusetzen und - wichtiger noch - seine ="" parlamentarische="" behandlung="">Entstehung zu beeinflussen. Wie wichtig dies ist und wie richtig die Entscheidung für dieses System gewesen ist, beweist der Europäische Verfassungskonvent, der im Rahmen seiner Beratungen über die Rolle der nationalen Parlamente in der europäischen Architektur gerade der auf nationaler Ebene stattfindenden Kontrolle der Regierungen durch die Parlamente eine überragende Bedeutung beimisst.

2.  Parlamentarisches Instrumentarium

Artikel 23 GG enthält die elementare Entscheidung, dass die Bundesrepublik Deutschland zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union mitwirkt, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund, so diese Verfassungsbestimmung weiter, kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Das Zusammenwirken zwischen Bundesregierung und Bundestag spielt sich nach fünf Grundsätzen ab, die die Verfassung in Artikel 23 GG selbst formuliert hat.

a)  Prinzipien

b)  Strukturen

Zur Einhaltung dieser Prinzipien hat das Grundgesetz eigens die Bestellung eines Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union vorgesehen. Diese Entscheidung ist in Artikel 45 GG enthalten. Der Deutsche Bundestag wird in diesem Artikel darüber hinaus dazu legitimiert, den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu ermächtigen, die Rechte des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. Von den insgesamt 21 Fachausschüssen des Deutschen Bundestages sind nur vier, darunter der Europaausschuss, in der Verfassung erwähnt. Dies unterstreicht die hohe Bedeutung, die der Deutsche Bundestag einem Europaausschuss beimisst. Wie die anderen in der Verfassung erwähnten Ausschüsse genießt auch er einen erhöhten Bestandsschutz. Seine Einsetzung steht nicht im Belieben der politischen Kräfte im Deutschen Bundestag oder gar zu deren Disposition. Wer ihn abschaffen oder auch nur seine Bezeichnung ändern will, muss die Verfassung ändern. Eine Verfassungsänderung selbst wiederum unterliegt erhöhten Anforderungen: Neben zwei Dritteln der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages sind hierzu darüber hinaus auch zwei Drittel der Mehrheit der Mitglieder des Bundesrates erforderlich.

Die besondere Funktion und Bedeutung des Europaausschusses zeigt sich in Folgendem:

3.  Parlamentarische Behandlung von EU-Recht

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben ihre Rechtsordnungen an die Vorgaben des EU-Rechts und zwar sowohl das von den Mitgliedstaaten gesetzte Primärrecht, als auch das von den EU-Organen gesetzte Sekundärrecht anzupassen. Dies geschieht in aller Regel durch Gesetze bzw. Rechtsverordnungen, wobei sich die Gesetzgebungszuständigkeit nach der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes (Artikel 70 ff. GG) richtet. Innerhalb des Sekundärrechts kommt den Richtlinien nach Artikel 249 Abs. 3 EG-Vertrag eine besondere Bedeutung zu. Im Gegensatz zu den Verordnungen nach Artikel 249 Abs. 2 EG-Vertrag, die allgemeine Geltung haben und in allen ihren Teilen verbindlich sind und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten, sind Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Sie überlassen den innerstaatlichen Stellen aber die Wahl der Form und der Mittel. Im Gegensatz zu den Verordnungen wird mit Richtlinien nicht eine Rechtsvereinheitlichung, sondern lediglich eine Rechtsangleichung angestrebt. Richtlinien müssen somit in nationales Recht umgesetzt werden. Sollte dies durch Gesetz geschehen müssen, folgt die Behandlung der Richtlinie im Bundestag genau denselben Regeln wie bei anderen nationalen Gesetzesvorhaben auch. Das heißt vor allem, dass ein federführender Ausschuss für die letztendliche Umsetzung der Richtlinie verantwortlich ist. Eine Besonderheit und ein Problem bei der diesbezüglichen Umsetzungsverpflichtung besteht für den Bundestag jedoch darin, dass er einerseits den Inhalt der Richtlinie nicht ändern kann, für ihren Inhalt aber andererseits gleichwohl dem Volk gegenüber politisch verantwortlich ist. Der Bundestag kann eine Richtlinie im Ergebnis somit nur annehmen oder - was angesichts des aufwendigen regierungsseitigen Entscheidungs- und Meinungsbildungsprozesses, an dem auch die Bundesregierung beteiligt war, nur eine theoretische Möglichkeit ist - ablehnen. Von daher wird deutlich, wie wichtig die frühzeitige Einschaltung des Bundestages und der anderen Mitgliedsparlamente in den EU-Rechtsetzungsprozess ist. Der Europaausschuss befasst sich in der Regel zweimal im Jahr mit dem Stand der Umsetzung von Richtlinien in deutsches Recht. Die Bundesregierung ist dabei im Zusammenhang mit der Vorlage des Jahresberichts der Kommission über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts gehalten, den Ausschuss über die Verabschiedung von EU-Richtlinien sowie über die Art und Weise der beabsichtigten Umsetzung zu informieren. Sie ist darüber hinaus verpflichtet, den Ausschuss über Fristüberschreitungen bei der Umsetzung sowie vor allem über deren Gründe und die zur Beseitigung des Umsetzungsrückstandes zu treffenden Maßnahmen zu unterrichten. Diese parlamentarische Kontrolle ist deswegen von großer Bedeutung, weil der EG-Vertrag im Falle einer unterbliebenen Richtlinienumsetzung ein spezielles Sanktionsregime vorsieht, wonach der Europäische Gerichtshof nach Artikel 226 EG-Vertrag sogar befugt ist, Zwangsgelder gegenüber Mitgliedstaaten zu verhängen.

4.  Parlamentarische Beeinflussung von EU-Recht

So wichtig die Umsetzung des bereits gesetzten EU-Rechts durch den Deutschen Bundestag auch ist, noch wichtiger ist die parlamentarische Beeinflussung des im Entstehen begriffenen EU-Rechts. Dazu steht dem Bundestag und seinen Ausschüssen das vorne (Ziffer 2) beschriebene parlamentarische Instrumentarium zur Verfügung. Alle Ausschüsse des Bundestages haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Befugnis, von jedem Bundesminister oder einem anderen Vertreter des jeweils einschlägigen Ressorts Vor- und Nachunterrichtungen zu jeder Ratstagung zu erhalten. Sie haben dadurch die Möglichkeit, den Vertretern der Bundesregierung ein Meinungsbild des Ausschusses zu einem bevorstehenden Legislativvorhaben der Europäischen Union mit auf den Weg in die Verhandlungen zu geben. Sie haben darüber hinaus die Möglichkeit, ihr Bild über den Verhandlungsstand in den Fachräten durch Gespräche mit den zuständigen Kommissionsmitgliedern, Mitgliedern des Europäischen Parlaments sowie Mitgliedern korrespondierender Ausschüsse in anderen Mitgliedstaaten der EU zu kompletieren. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hat den Ausschüssen ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, Unionsvorlagen und deren Entwürfe auch schon vor und unabhängig von der förmlichen Unterrichtung des Bundestages zum Verhandlungsgegenstand zu erklären. Förmliche Beschlüsse können die Ausschüsse allerdings erst nach der förmlichen Überweisung fassen. Erst diese Beschlüsse müssen im Sinne der obigen (Ziffer 2) Ausführungen von der Bundesregierung "berücksichtigt" werden. Aber auch ein unterhalb der Beschlussebene liegendes Meinungsbild des Ausschusses ist für die Verhandlungsführung der Bundesregierung von erheblicher politischer Bedeutung.

5.  Ausblick

Die Rolle nationaler Parlamente in der europäischen Architektur und im Rahmen der europäischen Rechtsetzung steht derzeit im Mittelpunkt vielfältiger Reformüberlegungen. Sie ist zum einen Mandatsbestandteil des Europäischen Verfassungskonvents und dort vor allem Thema der Arbeitsgruppen I (Subsidiarität) und IV (Nationale Parlamente). Beide Arbeitsgruppen haben bereits eine Fülle von Reformvorschlägen unterbreitet, die im Konvent aber noch weiter beraten werden müssen. Bereits jetzt aber ist absehbar, dass der verstärkten Einbeziehung der Parlamente in den europäischen Rechtsetzungsprozess auf nationaler Ebene eine besondere Bedeutung zukommen wird. Beflügelt von der Diskussion im Europäischen Verfassungskonvent ist auch die Konferenz der Ausschüsse für Gemeinschafts- und Europa-Angelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC) derzeit dabei, sich Gedanken über ihre eigene Rolle und über die Stärkung der nationalen Parlamente zu machen. Schließlich gibt es unabhängig und parallel dazu Bundestagsintern vielfältige Überlegungen, die von der Beschleunigung des Verfahrens der Zuleitung von EU-Vorlagen über die Einrichtung eines parlamentarischen Verbindungsbüros am Sitz des Europäischen Parlaments als Frühwarnsystem bis hin zur Einführung einer Europastunde im Plenum des Deutschen Bundestages reichen.


Bearbeiter: MR Dr. Michael Fuchs, Leiter Sekretariat Europaausschuss

Quelle: http://www.bundestag.de/ausschuesse/archiv15/a20/oeffentlichkeitsarbeit/c_a20_behandlung_eupolitik
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