Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 09 / 23.02.2004
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Claudia Heine

Durch die rosarote Brille: 200 Ikonen der Moderne

Das Museum of Modern Art (MoMA) zu Gast in Berlin

Man konnte sich vor den vielen Stars kaum retten bei der Pressekonferenz am 18. Februar in der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Überschwänglich bewarben die Initiatoren das "MoMa in Berlin", so der einfache Titel der Ausstellung. Der Name ist Programm: "Das MoMa ist der Star", wiederholte der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und Direktor der Nationalgalerie, Peter-Klaus Schuster, immer und immer wieder. Im Verlauf seiner Vorstellung des Projektes, das vom 20. Februar bis 19. September diesen Jahres 200 Meisterwerke aus der Sammlung des New Yorker Museums of Modern Art in Berlin zeigt, wurde dann auch noch die Neue Nationalgalerie zum Star. An solcher Euphorie stand Glenn Lowry, der Direktor des MoMA, dem Berliner in Nichts nach. Allerdings widersprach er Schuster in einem wesentlichen Punkt: "Das MoMa ist nicht der Star! Die Kunst ist der Star!"

Ob man sie nun so betiteln muss oder nicht - wenn es um die New Yorker Sammlung geht, handelt es sich zweifellos um eine Sammlung der Superlative, die wie keine andere die Kunst des 20. Jahrhunderts repräsentiert. Und selbst, wenn man ihr nur einen kleinen Ausschnitt entnimmt, wie es für die Berliner Ausstellung geschehen ist, gilt das natürlich weiter. Thematisch ist sie in einen europäischen und einen amerikanischen Flügel geteilt, beginnt mit den Malern der Jahrhundertwende (van Gogh, Cézanne, Rousseau), führt über die New Yorker Schule (Pollock, Newman) zur Pop Art (Lichtenstein, Warhol) und endet schließlich mit dem Werk eines deutschen Künstlers, mit Gerhard Richters RAF-Zyklus. Was die Besucher erwartet, ist deshalb nichts sensationell Neues. Der Kunst-Interessierte kennt nicht nur den "Tanz" von Henri Matisse oder "Die Beständigkeit der Erinnerung" mit den zerfließenden Uhren von Salvador Dali. Das Besondere ist, die Originale sehen zu können, ohne dafür nach New York fliegen zu müssen.

Dort ist das Museum längst dabei, seine Sammlung auf Werke der zeitgenössischen Kunst auszudehnen. Mit dieser inhaltlichen Erweiterung geht eine räumliche einher: Zur Wiedereröffnung anlässlich des 75. Geburtstages des Museums im Herbst 2004 wird sich seine Fläche verdoppelt haben. Und nur die umfangreichen Umbau- und Vergrößerungmaßnahmen boten die einmalige Chance, Teile der Werke außerhalb der USA zu zeigen. Nie zuvor war ein derart geschlossener Überblick über die Kollektion im Ausland möglich und wird es wohl auch danach nicht sein.

Gemeinsame Wurzeln

Dass nun ausgerechnet Berlin als einzige europäische Station den Zuschlag bekommen hat, begründeteten die Ausstellungsmacher mit den gemeinsamen Wurzeln der beiden Städte. Peter-Klaus Schuster sprach von einer "Rückkehr zu den Quellen", einer "Rückkehr der Moderne", die zeigt, "was in Berlin hätte sein können, ohne den Bildersturm der Nationalsozialisten". Denn im Berlin der 20er-Jahre hat die einzigartige New Yorker Sammlung tatsächlich ihre geistigen Wurzeln. Insbesondere das Kronprinzenpalais Unter den Linden, als Dependance der Nationalgalerie, beeindruckte damals den Gründungsdirektor des Museum of Modern Art, Alfred Barr Jr. Unmittelbar vor der Gründung des Museums 1929 besuchte Barr private Sammler und Museen in ganz Deutschland, reiste zum Bauhaus nach Dessau und lernte dort Walter Gropius, Paul Klee und Lyonel Feininger kennen. Hier kam er mit einer neuen Vorstellung von moderner Kunst in Berührung, die alles einschloss, von Malerei und Skulptur bis hin zu Architektur und Design. Mit Gropius und dem letzten Leiter des Bauhauses, Ludwig Mies van der Rohe verband ihn eine lebenslange Freundschaft. Die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe ist als Schauplatz für das Ausstellungsprojekt von daher überaus geeignet.

Das MoMa wurde schließlich 1929 von drei Frauen gegründet: Lillie P. Bliss, Mary Quinn und Abby Aldrich, der Ehefrau von John D. Rockefeller Jr. Es sollte eine innovative Ausstellungsplattform bieten und ein breiteres Verständnis für die moderne Kunst schaffen. Das erste Gemälde, das in die Sammlung kam und das nun auch in Berlin zu sehen ist, war "Das Haus an den Bahngleisen" des amerikanischen Künstlers Edward Hopper. Dass in New York eine weltweit einmalige Sammlung entstehen konnte, war entscheidend der visonären Kraft Alfred Barrs zu verdanken. Auch das "multi-departmental"-Konzept des MoMa, das neben den traditionellen Abteilungen für Malerei, Skulptur und Grafik auch Design, Architektur, Fotografie und Film umfasst, geht auf seine Initiative zurück. Heute gehören zu der Sammlung mehr als 100.000 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Fotografien, Architekturmodelle und Designobjekte. Dazu kommen mehr als 19.000 Filme, 140.000 Kunstbände und Zeitschriften, die Teil der Museumsbibliothek sind. Das Herzstück des MoMa ist jedoch das department for painting and sculpture, die größte zusammenhängende Sammlung der Modernen Kunst des 20. Jahrhunderts mit 3.200 Meisterwerken.

Kritiker bemängelten das Berliner Projekt schon im Vorfeld als zu groß, zu teuer, zu einfallslos und als zu protzig beworben. Die Sammlung sei "nur eine Art Fertigprodukt" schrieb die "Zeit". Außerdem sei von dem bahnbrechenden Konzept des New Yorker Museums, die verschiedenen Künste gleichberchtigt nebeneinander zu präsentieren, nichts zu sehen.

Als resistent gegen solche Einwände erwiesen sich die Initiatoren des Projektes auf der Pressekonferenz. Ihre Perspektive schien genauso rosarot zu sein wie die Werbeplakate und der Ausstellungskatalog. Insbesondere in den Worten Schusters lag eine Gigantomanie, die teilweise über das Ziel hinaus schoss: Die Präsentation in der Nationalgalerie sei "keine Ausstellung, sondern die Verlegung des MoMa nach Berlin mit dem Kanon der modernen Kunst".

Gigantisch klingen auch die Zahlen: 8,5 Millionen Euro kostet das Projekt, mit Sponsorenunterstützung aufgebracht vom Verein der Freunde der Nationalgalerie. Nicht zuletzt dem Verhandlungsgeschick seines Vorsitzenden Peter Raue sei es zu verdanken, dass Berlin den Zuschlag bekommen habe, hieß es aus dem Munde Schusters, der den Anwalt als "Ermöglicher des Unmöglichen" feierte. Damit sich die Kosten decken sind ungefähr 700.000 Besucher notwendig. Schon jetzt wird vom Kunstereignis des Jahres gesprochen, und so gehört "Das MoMa in Berlin" in eine Reihe neben museale Highlights wie die umstrittene Sammlung des Industriellen-Erben Christian Flick oder das Museum für den Fotografen Helmut Newton.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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