Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 39 / 20.09.2004
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Willi Ph. Knecht

Rückblick auf den DDR-Fußball

Am Beispiel von Bernd Stange

Auf den ersten Blick ist kaum erkennbar, was außer Ostalgie ein 390-seitiges Buch über einen Fußballtrainer rechtfertigt, dem rühmenswerte Erfolge bei großen internationalen Wettbewerben versagt blieben. Bernd Stange, Jahrgang 1948, wird von Heiko Mallwitz als "Trainer zwischen den Welten" porträtiert. Von kurzen Gastspielen in der Bundesliga, in Australien, der Ukraine und im Oman abgesehen, gelten als "Welten" seine Trainertätigkeit in der DDR und im Irak.

In der DDR wirkte Stange von 1981 bis 1988 als Trainer der Nationalmannschaft, die unter ihm 37 Länderspiele mit 22 Siegen, sieben Unentschieden und acht Niederlagen austrug. Für die Teilnahme an Europa- oder Weltmeisterschaften konnte sich die DDR-Auswahl in dieser Zeit nicht qualifizieren. Dagegen errang die parallel von 1982 bis 1984 von Stange trainierte Olympia-Auswahl die Startberechtigung bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles, die dann von der DDR wie von der Mehrzahl der sozialistischen Länder boykottiert wurden.

Gunst und Neid

Mit bemerkenswerter Objektivität beschreibt Mallwitz die Bandbreite Stanges. DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder lobt "Engagement und Herzblut", mit denen Stange seit November 2002 seine schwierige Aufgabe als Nationaltrainer des Irak zu meistern versuchte. Dagegen nannte Jörg Berger, der 1979 aus der DDR geflohene Kollege, Stange "nur karrieregeil": Offenbar seinem Aufstieg zuliebe hatte er im November 1973 eine Verpflichtungserklärung als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi unter dem Decknamen "Kurt Wegner" unterschrieben und danach Berichte verfasst. Wichtige Feststellungen des Autors werden durch den Abdruck entsprechender Dokumente belegt.

Die Qualität des Buches erschöpft sich aber nicht in der biografischen Beschreibung Stanges, sondern bietet vor allem ebenso informative wie fesselnde Darstellungen seines politischen und gesellschaftlichen Umfelds. Die Einblicke in Methoden der politischen Gängelung des DDR-Fußballs durch die Staatsmacht präzisieren und erweitern sogar bisher bekannte Sachverhalte. Dies trifft auch auf die anfänglich von deutschen Medien heftig kritisierte Trainertätigkeit im Irak zu, für die Stange am 15. Dezember 2003 mit einem FIFA-Ehrenpreis ausgezeichnet wurde.

Stange wurde 1988 nach dem verlorenen Weltmeisterschafts-Qualifikationsspiel gegen die Türkei auf Geheiß des zuständigen ZK-Sekretärs Egon Krenz entlassen. 2004 qualifizierte sich im Gegensatz zur DFB-Auswahl die von ihm trainierte Nationalmannschaft des Irak für die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Athen. Stange trat allerdings nicht mit ihr die Reise nach Athen an. Bereits am 8. April verließ er auf Drängen des Auswärtigen Amtes wegen der angespannten Sicherheitslage den Irak. Anfang Juli annullierte deshalb der Irakische Fußball-Verband den Vertrag mit seinem Trainer.

Im Vergleich zur Stange-Biografie bietet das Buch "Fußball-Land DDR" nur biedere Lesekost. Der Wirklichkeit wird der Untertitel "Anstoß, Abpfiff, Aus" weit gerechter als die Einschätzung, die DDR sei ein Fußball-Land gewesen. Abgesehen von Stasi-Chef Mielke teilten die meisten Parteigewaltigen die Beurteilung durch den Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes, Manfred Ewald, Fußball sei sportpolitisch uninteressant, weil mit ihm im Gegensatz zu den medaillenintensiven Sportarten bei Olympischen Spielen nur eine einzige Medaille zu gewinnen sei.

Tatsächlich feierte der Deutsche Fußball-Verband der DDR von seiner internationalen Anerkennung 1952 bis zu seiner Auflösung nur drei erinnerungswerte Höhepunkte: 1974 Gewinn des Europapokals der Pokalsieger durch den 1. FC Magdeburg, im gleichen Jahr der 1:0-Sieg in der Weltmeisterschaftsvorrunde über die Mannschaft der Bundesrepublik und 1976 die Goldmedaille beim olympischen Fußballturnier in Montreal.

Unter der Herausgeberschaft von Frank Willmann liefern 20 Autoren Situationsbeschreibungen ohne viel Neuigkeitswert. Attraktive Blickfänger wie das Schreiben des für Sport zuständigen Politbüromitglieds Paul Verner an Erich Honecker zwecks Entlassung des Cheftrainers Georg Buschner sind selten. Ansonsten Altbekanntes: Die Diskrepanz zwischen der Fußballbegeisterung der Bevölkerung und der sportpolitischen Bewertung durch die Politoberen. Willi Ph. Knecht

Heiko Mallwitz

Trainer zwischen den Welten - Bernd Stange.

Anderbeck Verlag, Anderbeck 2004; 349 S., 19, 80 Euro

Frank Willmann (Hrsg.)

Fußball-Land DDR. Anstoß, Abpfiff, Aus.

Eulenspiegel Verlag, Berlin 2004; 182 S., 14,90 Euro


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