Energie ist teuer weil rar. Doch es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Versorgungslage zu verbessern. Einer davon ist es, sich neue Energiequellen zu erschließen. Die deutsche Bundesregierung versucht, diese Suche mit umweltpolitischen Zielen zu verknüpfen und propagiert den so genannten Energiewandel. Die Europäische Union unterstützt die Strategie und setzt ebenfalls auf erneuerbare Energien. Sie hat ihre Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, einen Teil des Verbrauchs durch die so genannten renewables zu decken. Gerade in den zehn neuen EU-Ländern liegen zwischen Absicht und Umsetzung jedoch oft Welten.
Litauen ist ein Land zwischen Dünen und Wäldern. Dazwischen liegen große Wiesen und Felder, und fast immer weht hier der Wind. Doch Windräder gibt es nur wenige, und das obwohl sich Litauen im Zuge der EU-Erweiterung und des Kyoto-Protokolls dazu verpflichtet hat, bis 2010 sieben Prozent der Primärenergie aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Man dis-kutiere noch darüber, verschiedene Windparks in der Ostsee zu bauen, erklären die Vertreter des Wirtschaftsministeriums. Doch auch die Bedenken liefern sie gleich mit. "Es gibt kaum Möglichkeiten, Windenergie industriell zu produzieren", sagt Vladas Gagilas, Leiter des Energieressorts im litauischen Wirtschaftsministerium. "Solche Anlagen können wir nur an der Küste bauen, aber die ist sehr kurz, und es gibt nur wenige Stellen, wo man derartige Projekte installieren kann. Es ist ein Erholungs- und Wohngebiet." Die Erklärung klingt plausibel. Doch auch in anderen Bereichen, wo die Europäische Kommission dem baltischen Staat ideale Voraussetzungen für die Erzeugung von alternativer Energie bescheinigt, sieht die Lage nicht viel besser aus. Bei Wasserkraft beispielsweise besitzt Litauen, genauso wie Ungarn und Slowenien große Potenziale, aber sie werden kaum genutzt.
Abhängigkeit von Russland
Dabei müssten die Litauer auch aus eigenen energiepolitischen Überlegungen ein Interesse daran haben, alternative Energiequellen zu erschließen. So versucht Litauen seit der Wirtschaftsblockade zu Beginn der 90er-Jahre, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Die heimischen Ressourcen Wind, Biomasse oder Wasserkraft stärker zu nutzen, könnte dazu beitragen. Vladas Gagilas erklärt: "Unsere Energie kommt vor allem aus Russland. Nur die Ölversorgung konnten wir in den ersten Jahren der Unabhängigkeit diversifizieren." Der kleine Ostseestaat fördert Erdöl in geringen Mengen selbst. Bei Gas dagegen ist die Macht des großen Nachbarn vollkommen. "Wir importieren unser Gas zu 100 Prozent aus Russland." Trotzdem setzt die Regierung auch weiterhin auf den Ausbau des Gassektors, zum Beispiel, wenn es um die Schließung des Kernkraftwerkes Ignalina geht. Die Europäische Union hält den alten Atommeiler für unsicher und hat Litauen bei der Aufnahme dazu verpflichtet, die Anlage bis 2009 stillzulegen. Mit Gas betriebene Kraftwerke sollen das Land in Zukunft mit Strom versorgen.
Die Beispiele zeigen, dass es im Bereich der erneuerbaren Energien vor allem an politischem Willen und Unterstützung mangelt. Und Litauen ist kein Einzelfall. Mit ihrem EU-Beitritt haben alle neuen Mitglieder Verpflichtungen im Bereich der erneuerbaren Energien übernommen. Die natürlichen Voraussetzungen, diese zu erfüllen, sind nach Einschätzung der Europäischen Kommission gut. Die Slowakei, Lettland, Litauen und Estland beispielsweise besitzen ausgedehnte Wälder und eine gut ausgebaute Forstwirtschaft. Biomassekraftwerke könnten die Holzabfälle verbrennen, um Strom und Wärme zu generieren. Doch die Länder tun sich schwer, die nötigen Rahmenbedingungen für den Energiewandel zu schaffen. Die heimische Industrie besitzt selten das nötige know-how und das Interesse für die neuen Brennstoffe. Der Direktor des Atomkraftwerkes Ignalina beispielsweise sagt: "Wir sollten nicht so sehr an Windenergie glauben, es ist nicht mehr als Spielerei." Er spricht vielen Litauern aus der Seele, die anstelle von Ignalina gern ein neues Kernkraftwerk bauen würden. "Wenn wir 50 Windmühlen bauen, bekommen wir bei idealen Windverhältnissen insgesamt rund 75 Megawatt Strom. Ein Atomkraftwerk liefert 1.000 Megawatt."
Die Angst vor zu hohen Preisen
Doch auch internationale, auf regenerative Ressourcen spezialisierte Unternehmen, halten sich zurück. Der Einspeisepreis für Energie ist vielerorts nicht verlockend genug. Der Leiter der Kontrollkommission für Preise und Energie, Vidmantas Jankauskas, rechtfertigt diese Haltung: "Das Ministerium hat Angst, dass die Endverbraucherpreise für Strom zu sehr steigen. Derzeit liegen die durchschnittlichen Herstellungskosten lediglich bei neun litauischen Cent. Der Preis für Windenergie beträgt dagegen rund 22 Cent. Je höher der Anteil von Windenergie ist, desto stärker steigt der Preis für den Endverbraucher. Denn der Gesetzgeber hat uns dazu verpflichtet, sämtlichen, durch regenerative Quellen erzeugten Strom aufzukaufen."
Durch gezielte Investitionsförderung könnten die Regierungen der neuen Mitgliedsstaaten die Wirtschaft auch bei niedrigen Strompreisen zu mehr Engagement motivieren. Doch dazu fehlt das Geld. Mit gesonderter finanzieller Unterstützung seitens der EU konnten sie bislang nicht rechnen. "Die Gemeinschaft hat nur begrenzte Mittel, um erneuerbare Energien zu fördern. Sie kann nur als Katalysator einspringen", heißt es in einem entsprechenden Bericht der Europäischen Kommission zu regenerativen Energien vom Mai 2004.
Das Geld, das die neuen Mitgliedsstaaten aus den regulären Fördertöpfen erhalten, brauchen sie allerdings dringender für andere Infrastrukturprojekte, zum Beispiel für den Bau neuer Verkehrswege. Wenn erneuerbare Energie jene Bedeutung gewinnen soll, die ihr zugedacht ist, müssen diese Länder noch einen weiten Weg zurücklegen.