Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 17 - 18 / 24.04.2006
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Thomas Sigmund

Von Ebay bis zur Online-Initiative

Auch in Deutschland läuft kein Wahlkampf mehr ohne das Internet

Christoph Kramer hatte vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg eine ganz spezielle Frage an die SPD-Spitzenkandidatin: "Frau Vogt, warum führen Sie eigentlich auf einem Wahlplakat einen Hund aus, wenn Sie nicht einmal einen eigenen Hund haben? ... Günther Oettinger hat eine sympathische Frau und einen Sohn, der in seinem Haar wuschelt. Sie dagegen haben keinen Mann, keine Kinder - und führen fremde Hunde aus." Auf die Antwort musste Kramer nicht lange warten : "Herr Kramer, ist eine Frau ohne Mann nichts wert? Oder was wollen Sie mit Ihrer Frage eigentlich sagen? …Bleiben wir zunächst bei den Plakaten: Ich führe Max aus, den Hund einer befreundeten Familie. Herr Oettinger umgibt sich mit einer Hand voll Kindern. Gehen Sie davon aus, dass alle seine eigenen Kinder sind?"

Kramer war von der Reaktion bestimmt nicht ganz überzeugt. Auch nicht von Ute Vogt - genauso wie viele andere, die das "Duell" im Internet mitlesen konnten. Baden-Württembergs Ministerpräsident heißt immer noch Günther Oettinger von der CDU. Doch wer sich vor den drei Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 26. März durch das Internet klickte, konnte ganz schnell feststellen: Der virtuelle Wahlkampf hat ungeahnte Ausmaße erreicht.

Wo sich vor einigen Jahren nur Internet-Exoten um die Stimmen der Bürger bemühten, ist das Spektrum des Wahlkampfes größer denn je. Alle Landesverbände bis hinunter zu den vielen Ortsvereinen haben ihre professionell gestalteten Kampagnenseiten - gleiches gilt fast durchgehend für die Kandidaten.

Weblogs - das sind Internet-Tagebücher der Kandidaten - gehören genauso dazu, wie die Internetseite "Kandidatenwatch.de". Hier werden die Fragen per E-Mail beantwortet. Wer auf dem neuesten Stand sein will, chattet mit den Politikern oder verfolgt die "Rapid Response". Bei letzterer dokumentieren die Parteien Reden des Gegners live und versuchen zeitgleich dessen Argumente zu entkräften. Ab und zu greifen sie auch schon mal zu politischen Diffamierungen.

Wolfgang Drexler, Wahlkampfleiter der SPD in Baden Württemberg, verfolgt die Entwicklung des Wahlkampfs im Internet seit längerem: "Vor einigen Jahren haben viele Politiker das neue Medium noch nicht ernst genommen, inzwischen gehört das Internet fest in jede Wahlkampagne." Doch der Wahlkämpfer im virtuellen Stimmenraum räumt auch ein: "Das Internet ist natürlich nur ein Teil der Gesamtkampagne. Es kann letztendlich die üblichen Wahlkampfauftritte in den klassischen Medien wie Fernsehen, Zeitung und Radio nicht ersetzen." Das gelte auch für die Auftritte in den Fußgängerzonen und auf den Marktplätzen, sagt Drexler.

Teil der Gesamtkampagne

Ähnlich wie sein SPD-Kollege sieht es auch der Generalsekretär der CDU in Rheinland-Pfalz Claudius Schlumberger: "Bereits 2001, also im letzten Landtagswahl-Kampf war das Internet wichtig. Aber jetzt ist es nicht mehr wegzudenken. Allein während des Bundestagswahlkampfes im vergangenen Jahr gab es pro Monat 700.000 bis 800.000 Zugriffe auf die Seiten der CDU Rheinland-Pfalz." Nach seiner Darstellung klickten von Januar bis März vor der Landtagswahl sogar weit über eine Millionen Menschen die Homepage Rheinland-Pfalz CDU an.

Dass die Spitzenkandidaten der Parteien, Günther Oettinger, Christoph Böhr, Kurt Beck oder Ute Vogt diesen Trend ernst nahmen, zeigt eine Statistik über die beantworteten Fragen - beispielsweise des " Kandidatenwatch.de" für die Landtagswahlen. Die Wähler konnten via Internet mit den Politikern diskutieren. Von Anfang des Jahres bis Mitte März wurden in allen drei Bundesländern insgesamt 2074 Fragen gestellt. Die Politiker und ihre Teams waren fleißig. Die Antwortquoten lagen in Rheinland-Pfalz bei 75 Prozent, in Sachsen-Anhalt erhielten 63 Prozent eine Antwort, lediglich die Baden-Württemberger drückten mit 55 Prozent den Schnitt nach unten.

Die Euphorie bei den Landtagswahlen war schon nach der Bundestagswahl im Herbst vergangenen Jahres abzusehen. Die Online-Verantwortlichen ließen nichts aus, um das Wohlwollen der Bürger zu gewinnen. Die Liberalen boten Utensilien prominenter Mitglieder bei EBAY zum Verkauf an, die Grünen veranstalteten einen Fotowettbewerb per MMS-Handy. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gab es erstmals ein Wahlprogramm als Audio-CD. Das CDU-Regierungsprogramm sollte direkt ins Ohr gehen.

Doch viele Internet-Initiativen setzen nicht nur auf die neusten technischen Neuheiten und Gags. So schrieb "Wir wählen Ute - eine Online-Wählerinitiative": Am 26. März ist Landtagswahl, unterstützen auch Sie Ute Vogt mit Ihrem Eintrag. Der folgte dann auch: "Frauen an die Macht. Ute hat die besseren Argumente für Themen wie Bildungs- und Energiepolitik." Von Adelheid Plotz, Beruf: Sachbearbeiterin. Die "Wir für Beck"-Initiative sprach wohl auch eine ganz bestimmte Wählerschicht an, als sie mitteilte: "Aus Sympathie und überzeugt davon, dass Kurt Beck der Beste aus und für Rheinland-Pfalz ist, wurde eine unabhängige Wählerinitiative gegründet."

Der durchschnittlich online erreichbare Wähler gilt als männlich, jung und überdurchschnittlich gebildet. Sie interessieren sich vor allem für die Weblogs - die Internet-Tagebücher der Kandidaten - von denen es inzwischen Millionen weltweit gibt, rund 30.000 aktiv gefüllte davon in Deutschland. Es ist die Einfachheit, die dieses relativ neue Instrument interessant macht. Wer seine Gedanken im Netz veröffentlichen will, braucht keine Programmiererkenntnisse mehr - er kann einfach losschreiben. Die Zahl der Weblog schreibenden Volksvertreter ist dreistellig, vor allem jene aus der zweiten und dritten Reihe versuchen ihre Bekanntheit so zu steigern. Blickt man allerdings genauer in die Weblogs kann man sich aber fragen, ob die Kandidaten auch daraus das beste machten.

So schrieb der SPD-Kandidat in Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, in sein Tagebuch: "Die 7. Woche vom 13. bis 19. Februar 2006: Fast schon gewohnheitsmäßig geht es montags nach Berlin. Neben der Sitzung des Parteipräsidiums traf ich mich im Willy-Brandt-Haus noch zu einigen Absprachen das Forum Ost betreffend. Am Abend traf sich in Magdeburg das Kompetenzteam für die Landtagswahl zu einer turnusgemäßen Sitzung."

Noch spannender und unterhaltsamer wurde es bei Christoph Böhr, der als CDU-Mann in Rheinland-Pfalz antrat. "1. Februar 2006: Süße Überraschung zu meinem 52. Geburtstag. Meine Mitarbeiter und Freunde haben mich mit einem Geburtstagsständchen und einer riesigen Torte - (Aufschrift: Happy Böhrsday) überrascht. Über die großartige Unterstützung meiner Wegbegleiter 53 Tage vor der Landtagswahl am 26. März habe ich mich sehr gefreut."

Der Autor ist Redakteur beim "Handelsblatt" in Berlin.

 

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