Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 17 - 18 / 24.04.2006
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Michael Siebel

Demokratische Offenheit

Serie: Internet-Fans in Parlamenten

Ich weiß gar nicht, wie ich früher ohne "das Netz" gearbeitet habe. Für mich als Politiker ist das Internet - neben Gesprächen und Bürgerkontakten - das "Stimmungsbarometer". Was die Wolkenformationen für den Wetterkundler, das ist das Internet für uns Politiker. Früh kann man in Blogs und Mails lesen, wie Meinungen und Positionen sich verändern und bilden. Es gibt Massenmailaktionen, gesteuert von Verbänden, und Rückmeldungen einzelner Bürger, die in ihrer Unterschiedlichkeit gleichwohl repräsentieren, wie die Bevölkerung denkt. Das Internet ist für mich ein weiteres Element geworden, um politische Rückmeldung zu bekommen. Zu meinen Aufgaben gehört auch die Organisation direkter politischer Kommunikation. Die Interaktion über das Netz ist dabei ein weiteres Standbein geworden. Deshalb ist es für mich auch selbstverständlich, mehrmals am Tag meine Mails selbst zu lesen und zu bearbeiten. Kein Büro und kein Referent sind dazwischen geschaltet. Auch wenn das viel Zeit kostet: Es ermöglicht mit direkt zu sein - und demokratisch. Jeder und jede, ob Geschäftsführer der IHK oder Mitarbeiterin in einem Jugendhaus kommen so schnell und direkt an mich heran. Das Netz ist insofern ein Stück demokratische Öffentlichkeit. Manchmal schonungslos, aber eben demokratisch.

Wenn man das will, muss der Auftritt stimmen. Ich habe mir - mit meinen Mitarbeitern - Mühe gegeben, einen interessanten, vielfältigen, auch persönlichen Auftritt zu gestalten. Wie gut der Auftritt ist, mögen andere besser beurteilen. Im Ranking der Zeitschrift Politik & Kommunikation habe ich zumindest den ersten Platz unter den hessischen Landtagsabgeordneten errungen und rangiere unter den Top Ten der bundesdeutschen Landespolitiker. Aber wie im Fußball fängt dann die Herausforderung erst an. Spannend ist es, oben zu bleiben. Deshalb ist jeder Tag, jede Dienstbesprechung mit meinem Team eine neue Herausforderung. Wir kontrollieren ständig die Technik. Sind wir noch bei Google ganz vorne, stimmen alle Links, ist unsere Geschwindigkeit angemessen. Aber natürlich müssen wir auch konzeptionell arbeiten. Der Auftritt wird ständig modifiziert. Rubriken fallen weg, Texte müssen neu rein, neue Kommunikationsformen werden überprüft - zum Beispiel blogs. Dazu konnte ich mich noch nicht durchringen. Ich habe nicht die Zeit, einen guten blog zu machen.

Die Zukunft des Netzes hat begonnen. Wir werden künftig noch schneller werden, auch kürzer und härter. Das fordert Authentizität von uns. Aber wer die nicht hat, sollte besser die Finger von der Politik lassen. Wer über das Netz schnell und direkt kommuniziert, ist vorne. Ich glaube das Netz fördert die "Typen" in der Politik. Ich nenne mal einen Bundespolitiker aus meiner Partei: Jörg Tauss. Er hat Ecken und Kanten, ist nicht stromlinienförmig, aber ein Medienfreak. Ich könnte noch viele andere Beispiele nennen. Im Netz kann man sich nicht verstecken - und das ist gut so. Meine persönlichen Erlebnisse im Netz: Ich genieße die positiven Rückmeldungen. Und ich achte die kritischen Stimmen.

 

Der Autor ist Mitglied der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag.

 

www.siebel-spd.de


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.