2.4.2
Reform der Finanzaufsicht
2.4.2.1 Ein regulativer
Ordnungsrahmen für globale Kredit- und Anleihemärkte
Die Asienkrise
von 1997 hat die Lehren bestätigt, die schon aus der
Finanzkrise Mexikos Ende 1994 gezogen werden konnten. Der damalige
Geschäftsführende Direktor des IWF Michel Camdessus
sprach im Zusammenhang mit der Mexiko-Krise von der „ersten
Finanzkrise des 21. Jahrhunderts“, vor allem weil sich die
Rezepte des 20. Jahrhunderts als nicht mehr wirksam herausgestellt
hatten. Die Politik des IWF musste einem Revirement unterzogen
werden, das als „Post-Washington-Konsens“ bezeichnet
worden ist. Zugleich wurden die Möglichkeiten informeller
Politik genutzt, um ein neues Forum zu schaffen, in dessen Rahmen
die Bedingungen einer Stabilisierung der Finanzmärkte
erörtert und ausgearbeitet werden konnten: das
„Financial Stability Forum“ (FSF). Ein Jahr nach seiner
Errichtung legte das FSF 1999 erste Berichte vor, in denen vor
allem Vorschläge zur Regulierung von kurzfristigen
Kapitalbewegung, von Fonds mit großer Hebelwirkung und von
Offshore-Finanzplätzen unterbreitet wurden.37
Für
Direktinvestitionen gibt es keinen global gültigen regulativen
Rahmen, nachdem die OECD-Initiative der Erarbeitung eines
„Multilateral Agreement on Investment“ (MAI) infolge
der Proteste von Organisationen der internationalen
Zivilgesellschaft und der Ablehnung durch nationalstaatliche
Parlamente auf Druck von Parlamentsmitgliedern gescheitert ist. Es
gibt derzeit eine fast unüberschaubare Vielfalt von
bilateralen Abkommen zwischen Staaten sowie die
„Leitsätzen für Multinationale Unternehmen“
(Trans-National Companies: TNC), die im November 2000 von der OECD
in Kooperation mit Nicht-Regierungs-Organisationen neu gefasst und
auch von Nicht-OECD-Ländern (Argentinien, Brasilien, Chile,
Slowakische Republik) unterzeichnet wurden.
Sie haben
lediglich den Charakter von „Soft Law“, also von nicht
verbindlichen „Abmachungen“. Dennoch wird damit der
Tatsache Rechnung getragen, dass multinationale Unternehmen nicht
nur eine ökonomische Verantwortung gegenüber den eigenen
Aktionären (Share holder) haben, sondern auch eine
politische und gesellschaftliche Verantwortung in den
Ursprungsländern und vor allem in den Ländern, in denen
sie ökonomisch aktiv sind. Die Leitsätze haben
selbstverständlich auch für Direktinvestitionen der TNC
Belang, und sie umfassen Regeln für die Transparenz der
Unternehmensaktivitäten, die Beschäftigung und das
Verhältnis zu Sozialpartnern, für den Umweltschutz, zur
Bekämpfung der Korruption, zur Berücksichtigung der
Verbraucherinteressen, zum Bereich von Wissenschaft und
Technologie, zum Wettbewerb und zur Besteuerung (OECD 2000e).
Die
Einbeziehung des Privatsektors in die Bewältigung von
Finanzkrisen
In diesem
Zusammenhang wird mittlerweile auch zunehmend diskutiert, dass die
privaten Auslandsinvestoren stärker sowohl in die
Krisenprävention als auch in die Krisenbewältigung
einbezogen werden müssen (Private Sector Involvement –
PSI). In der Vergangenheit haben sich private Investoren fast
vollständig einer Beteiligung an den Kosten entziehen
können. (Dies gilt besonders für die Besitzer von
Auslandsanleihen.) Wenn aber die in den Krisen gewährten
öffentlichen Finanzhilfen (vor allem seitens der Institutionen
von Bretton Woods) von den Anlegern antizipiert werden, führt
dies dazu, dass das Risiko der Anlagen in den Schuldnerländern
zu gering angesetzt wird.
Es lassen sich
eine Reihe von Möglichkeiten denken, wie der Privatsektor
systematisch an den Kosten von Finanzkrisen beteiligt werden kann,
um Moral Hazard-Probleme (Unterbewertung von Risiken) zu
vermeiden.
„Collective
Action Clauses“ sind Klauseln in Anleihenverträgen, die
ggf. Gläubigerrechte einschränken, um im Falle von
Liquiditätsproblemen von Schuldnern Zinsermäßigungen
bzw. eine Stundung des Schuldendienstes zu gewähren.
Denkbar wäre auch, die
Kreditvergabe des IWF von konkreten Anstrengungen der
Schuldnerländer abhängig zu machen, den privaten Sektor
einzubeziehen. In diesem Kontext sollen hier einige Vorschläge
benannt werden, ohne diese abschließend zu bewerten. Hierbei
ist zu denken an,
– Die Aushandlung von Kreditlinien zwischen
einem Schuldnerland und den ausländischen
Geschäftsbanken, auf welche im Falle einer Krise
zurückgegriffen werden kann.
– Die Aushandlung von Optionen mit
ausländischen Geschäftsbanken in Kreditverträgen,
die Laufzeiten von Krediten im Krisenfall zu verlängern (sog.
Roll-Over-Vereinbarungen).
– Die Einrichtung von
Krisensicherungsfonds, wie sie etwa von George Soros vorgeschlagen
wurden (Soros 2002).
– Die
Einführung von verpflichtenden Mehrheitsentscheidungen der
Gläubiger bei Umschuldungsverhandlungen, um
„Trittbrettfahrerverhalten“ zu vermeiden.
In diesem Kontext ist auch die
Einführung eines fairen und transparenten Verfahren, eines
sog. Internationalen Insolvenzrechts notwendig, an dem alle
Gläubiger beteiligt werden müssen (vgl. hierzu im
Einzelnen das Kapitel 2.4.6.2 zu einem
„Geregelten Insolvenzverfahren“).
37 Vgl. zu einzelnen Aspekten die Internet-Site des
Financial Stability Forum unter
http://www.fsforum.org sowie die Berichte der
einzelnen Arbeitsgruppen unter http://www.fsforum.org/Reports
http://www.fsforum.org/Reports//-->
(18.4.2002).
|