4.3.2
Anstieg der Qualifikations-anforderungen14
Dass die
Qualifikationsanforderungen in der Arbeitswelt immer weiter
zunehmen, ist empirisch gut belegt. Nach Untersuchungen des Kieler
Instituts für Weltwirtschaft ist der Beschäftigungsanteil
von Geringqualifizierten ohne Schulabschluss und/oder ohne
Berufsausbildung langfristig deutlich zurückgegangen.
Spiegelbildlich ist der Anteil der Beschäftigten mit mittlerer
Qualifikation mit Berufsausbildung und/oder Abitur oder hoher
Qualifikation mit Hochschulabschluss von 1984 bis 1997 von 40,2 auf
47,4 Prozent gestiegen. Die Verschiebung der Nachfrage nach
höheren Qualifikationen ist nach dieser Studie Folge des
zumindest teilweise globalisierungsbedingten Strukturwandels
(Kleinert u.a. 2000: 74ff.). Sie geht auf zwei parallele
Entwicklungen zurück: Zum einen expandierten die Sektoren mit
größerem Anteil an Höherqualifizierten, während die
Sektoren mit kleinerem Anteil an Höherqualifizierten
geschrumpft sind. Zum anderen ist in nahezu allen Sektoren - auch
in den schrumpfenden – der Anteil der
Höherqualifizierten gestiegen. Auch die Analyse der
Beschäftigtenstruktur nach Tätigkeiten – statt nach
Sektoren - ergibt, wie auch die Kieler Studie zeigt, ein
ähnliches Bild. Der Beschäftigungsanteil der
Tätigkeiten, die mit der physischen Produktion von
primären und sekundären Gütern verbunden sind, ist
rückläufig, während die Dienstleistungstätigkeiten
expandieren (s.
Abbildung 4-11).
Dass die Zahl der
einfachen Arbeitsplätze abgenommen und die der anspruchsvollen
zugenommen hat, wird auch vom Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung dokumentiert (Dostal 2001). Die Beschäftigung
mit reinen Produktionsaufgaben ist in den letzten 30 Jahren von 40
Prozent auf etwas über 20 Prozent zurückgegangen (Dostal
2001: 4, Abb. 1).Gleichzeitig haben qualitative Änderungen im
Produktionsbereich dazu geführt, dass es dort praktisch keine
einfachen Arbeiten mehr gibt. Die Entwicklung bei der
Beschäftigung mit reinen Produktionsaufgaben unterscheidet
sich damit von den Dienstleistungen, wo im Prinzip
Einfacharbeitsplätze denkbar sind.
Die Folge ist,
dass die Schere des Arbeitslosigkeitsrisikos zwischen den unteren
und oberen Qualifikationsebenen immer stärker
auseinanderklafft. Während die Arbeitslosenquoten von Personen
mit abgeschlossener Hoch- oder Fachhochschulausbildung sowie mit
Fachschulabschluss in den letzten Jahren stagnierten – sie
lagen z.T. sogar unter dem Niveau der ausgehenden 1980er Jahre
– und auch die Ebene Lehre/Berufsfachschule, zumindest im
Westen noch
unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen war,
verschlechterten sich die Arbeitsmarktchancen von Personen ohne
abgeschlossene Berufsausbildung zunehmend. Im Jahr 1998 war in
Westdeutschland fast ein Viertel und im Osten bereits mehr als die
Hälfte aller Erwerbspersonen ohne Berufsabschluss arbeitslos.
Diese Zusammenhänge sind auch geschlechtsspezifisch
ähnlich signifikant, wie
Tabelle 4-2zeigt. Im Westen liegt die Arbeitslosenquote
der Frauen ohne Ausbildung bei 21,2 Prozent, die der
Männer ohne Ausbildung bei 25,3 Prozent. Im Osten ist es
umgekehrt: dort liegt die Arbeitslosenquote der Frauen ohne
Ausbildung mit 55,4 Prozent höher als die der Männer ohne
Ausbildung, die bei 51,5 Prozent liegt.
Die
„Niedrig- oder Geringqualifizierten“ sind eine
heterogene und schwer abgrenzbare Gruppe. Ersatzweise
kann man das Fehlen eines formalen
berufsqualifizierenden Abschlusses als Kriterium wählen.
Gemessen an diesem Begriff gab es 1995 rund 9,5 Millionen Personen
ohne Berufsqualifikation im Alter von 25-64 Jahren. Das sind
bezogen auf diese Altersgruppe 20% der Bevölkerung, 11% der
Erwerbstätigen, 24% der Nicht erwerbstätigen mit
Erwerbswunsch und 39% der Nicht erwerbstätigen ohne
Erwerbswunsch (Dostal 2001: 11, s.
Tabelle 4-3).4,3 Millionen dieser Personen waren
erwerbstätig, eine Million erwerbslos und 4,2 Millionen nicht
erwerbs tätig. 63,7% aller formal Niedrigqualifizierten
waren Frauen.
Das
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat auch
eine Projektion des Qualifikationsbedarfs für das Jahr 2010
versucht. Danach muss damit gerechnet werden, dass die Zahl der
angebotenen Einfacharbeitsplätze bis 2010 gegenüber 1995
um 20 Prozent von 6,5 auf 5,2 Millionen zurückgehen wird;
dabei ergibt sich folgende Aufgliederung des Bedarfs an einfachen
Tätigkeiten (Dostal 2001: 17f.):
Die Qualifikationsstruktur der
Erwerbstätigen wird vom IAB wie folgt projektiert16 (s.
Abbildung 4-12).
14 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum
von der PDSFraktion in Kapitel
11.3.5.
16 Als „primär“ werden dabei eher
einfache Dienstleistungen im Bereich von Handel, Büros,
Verkehr, Gastronomie, Reinigung usw. bezeichnet, als
„sekundär“ werden hochqualifizierte
Dienstleistungen wie Forschung, Entwicklung, Management, Beratung,
Bildung, Publizistik usw. zusammengefasst.
|