*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

 zurück weiter  Kapiteldownload  Übersicht 


4.3.2       Anstieg der Qualifikations-anforderungen14

Dass die Qualifikationsanforderungen in der Arbeitswelt immer weiter zunehmen, ist empirisch gut belegt. Nach Untersuchungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft ist der Beschäftigungsanteil von Geringqualifizierten ohne Schulabschluss und/oder ohne Berufsausbildung langfristig deutlich zurückgegangen. Spiegelbildlich ist der Anteil der Beschäftigten mit mittlerer Qualifikation mit Berufsausbildung und/oder Abitur oder hoher Qualifikation mit Hochschulabschluss von 1984 bis 1997 von 40,2 auf 47,4 Prozent gestiegen. Die Verschiebung der Nachfrage nach höheren Qualifikationen ist nach dieser Studie Folge des zumindest teilweise globalisierungsbedingten Strukturwandels (Kleinert u.a. 2000: 74ff.). Sie geht auf zwei parallele Entwicklungen zurück: Zum einen expandierten die Sektoren mit größerem Anteil an Höherqualifizierten,    während die Sektoren mit kleinerem Anteil an Höherqualifizierten geschrumpft sind. Zum anderen ist in nahezu allen Sektoren - auch in den schrumpfenden – der Anteil der Höherqualifizierten gestiegen. Auch die Analyse der Beschäftigtenstruktur nach Tätigkeiten – statt nach Sektoren - ergibt, wie auch die Kieler Studie zeigt, ein ähnliches Bild. Der Beschäftigungsanteil der Tätigkeiten, die mit der physischen Produktion von primären und sekundären Gütern verbunden sind, ist rückläufig, während die Dienstleistungstätigkeiten expandieren (s. Abbildung 4-11).

Dass die Zahl der einfachen Arbeitsplätze abgenommen und die der anspruchsvollen zugenommen hat, wird auch vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung dokumentiert (Dostal 2001). Die Beschäftigung mit reinen Produktionsaufgaben ist in den letzten 30 Jahren von 40 Prozent auf etwas über 20 Prozent zurückgegangen (Dostal 2001: 4, Abb. 1).Gleichzeitig haben qualitative Änderungen im Produktionsbereich dazu geführt, dass es dort praktisch keine einfachen Arbeiten mehr gibt. Die Entwicklung bei der Beschäftigung mit reinen Produktionsaufgaben unterscheidet sich damit von den Dienstleistungen, wo im Prinzip Einfacharbeitsplätze denkbar sind.

Die Folge ist, dass die Schere des Arbeitslosigkeitsrisikos zwischen den unteren und oberen Qualifikationsebenen immer stärker auseinanderklafft. Während die Arbeitslosenquoten von Personen mit abgeschlossener Hoch- oder Fachhochschulausbildung sowie mit Fachschulabschluss in den letzten Jahren stagnierten – sie lagen z.T. sogar unter dem Niveau der ausgehenden 1980er Jahre – und auch die Ebene Lehre/Berufsfachschule, zumindest im Westen noch unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen war, verschlechterten sich die Arbeitsmarktchancen von Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung zunehmend. Im Jahr 1998 war in Westdeutschland fast ein Viertel und im Osten bereits mehr als die Hälfte aller Erwerbspersonen ohne Berufsabschluss arbeitslos. Diese Zusammenhänge sind auch geschlechtsspezifisch ähnlich signifikant, wie Tabelle 4-2zeigt. Im Westen liegt die Arbeitslosenquote der Frauen ohne Ausbildung bei 21,2  Prozent, die der Männer ohne Ausbildung bei 25,3 Prozent. Im Osten ist es umgekehrt: dort liegt die Arbeitslosenquote der Frauen ohne Ausbildung mit 55,4 Prozent höher als die der Männer ohne Ausbildung, die bei 51,5  Prozent liegt.

Die „Niedrig- oder Geringqualifizierten“ sind eine heterogene und schwer abgrenzbare Gruppe. Ersatzweise    kann man das Fehlen eines formalen berufsqualifizierenden Abschlusses als Kriterium wählen. Gemessen an diesem Begriff gab es 1995 rund 9,5 Millionen Personen ohne Berufsqualifikation im Alter von 25-64 Jahren. Das sind bezogen auf diese Altersgruppe 20% der Bevölkerung, 11% der Erwerbstätigen, 24% der Nicht­ erwerbstätigen mit Erwerbswunsch und 39% der Nicht­ erwerbstätigen ohne Erwerbswunsch (Dostal 2001: 11, s. Tabelle 4-3).4,3 Millionen dieser Personen waren erwerbstätig, eine Million erwerbslos und 4,2 Millionen nicht erwerbs­ tätig. 63,7% aller formal Niedrigqualifizierten waren Frauen.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat auch eine Projektion des Qualifikationsbedarfs für das Jahr 2010 versucht. Danach muss damit gerechnet werden, dass die Zahl der angebotenen Einfacharbeitsplätze bis 2010 gegenüber 1995 um 20 Prozent von 6,5 auf 5,2 Millionen zurückgehen wird; dabei ergibt sich folgende Aufgliederung des Bedarfs an einfachen Tätigkeiten (Dostal 2001: 17f.):

   Die Qualifikationsstruktur der Erwerbstätigen wird vom IAB wie folgt projektiert16 (s. Abbildung 4-12).



14 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum von der PDSFraktion in Kapitel 11.3.5.

zurück zum Text



16 Als „primär“ werden dabei eher einfache Dienstleistungen im Bereich von Handel, Büros, Verkehr, Gastronomie, Reinigung usw. bezeichnet, als „sekundär“ werden hochqualifizierte Dienstleistungen wie Forschung, Entwicklung, Management, Beratung, Bildung, Publizistik usw. zusammengefasst.

zurück zum Text



 zurück weiter  Top  Übersicht 


Volltextsuche




































Abbildung 4-11

Tabelle 4-2





Tabelle 4-3

Abbildung 4-12