4.5.4 Sicherung
und Erweiterung der arbeits- und sozialpolitischen
Handlungsfähigkeit des Staates
Geht man davon aus, dass – entgegen der
vielfach geäußerten optimistischen Einschätzung
– die Standortkonkurrenz zwischen den Staaten deren arbeits-
und sozialpolitischen Handlungsspielräume immer mehr
einzuschränken droht und infolgedessen die Erosion des
Sozialstaates zu befürchten ist, dann kann eine noch so
gelungene Anpassung an die Erfordernisse dieser Standortkonkurrenz
keine allein ausreichende Strategie sein. Senkung der Kosten und
Verbesserung der Produktivität und der
Wettbewerbsfähigkeit können zwar die Position im
Wettbewerb stärken und vorübergehend den
Handlungsspielraum für die Arbeits- und Sozialpolitik eines
Landes vergrößern. Weil aber jede Anpassungsleistung die
anderen Ländern früher oder später zu ebensolchen
Anstrengungen zwingt – zumindest im Fall einer
verhältnismäßig großen Volkswirtschaft wie der
deutschen – wird der destruktive Prozess allein durch
Anpassung nicht gestoppt oder in geordnete Bahnen gelenkt, sondern
langfristig in Schwung gehalten und verstärkt.
Es ist also notwendig, über reine
Anpassungsstrategien hinaus die arbeits- und sozialpolitische
Handlungsfähigkeit der einzelnen Länder zu sichern und zu
erweitern. Das kann im Prinzip auf zwei Wegen versucht werden:
– durch Immunisierung,
d.h. durch den Versuch, das heimische Arbeits- und Sozialsystem so
umzubauen, dass es gegenüber dem Standortwettbewerb weniger
reagibel und verletzbar wird
– oder durch
internationale Kooperation zur Regulierung und Begrenzung des
Standortwettbewerbs.
Das ist allerdings nicht so zu verstehen, als
könnte und sollte ein Land auf Produktivitätssteigung und
Kostenkontrolle verzichten. Jedes Land, das sich dem Weltmarkt
öffnet und freien Kapitalverkehr zulässt, muss die Kosten
im Rahmen der Produktivität halten und die Produktivität
kontinuierlich verbessern, auch wenn es keine Standortkonkurrenz in
der beschriebenen neuartigen Form gäbe.
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