4.8
Handlungsempfehlungen
4.8.1
Handlungsempfehlungen zur koordinierten Makropolitik
Empfehlung 4-8 Erweiterung des
Aufgabenbereichs der EZB41
Die Enquete-Kommission bewertet die
Bildung der Europäischen Währungsunion insgesamt als
historischen Fortschritt. Sie ist auch der Auffassung, dass mit dem
Übergang zur Euro-Währung Chancen für eine
Koordinierung der Geld-, Währungs- und Finanzpolitik gewachsen
sind, um nicht nur das Ziel der Geldwertstabilität zu
verfolgen, sondern auch die Beschäftigung im Euro-Raum zu
fördern. Mit der Bildung der Europäischen
Währungsunion sind auch die Chancen gestiegen, die
Wechselkurspolitik zwischen den großen
Währungsblöcken besser zu koordinieren.
Die Enquete-Kommission hält es
angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Euro-Raum für
unabdingbar, das Mandat der Europäischen Zentralbank diesen
Gegebenheiten anzupassen und so zu erweitern, dass neben dem
stabilitätspolitischen Ziel auch beschäftigungs- und
wachstumspolitische Ziele verfolgt werden müssen. Schon jetzt
sollten die im Art. 105 gegebenen Möglichkeiten der
wirtschaftspolitischen Abstimmung zwischen Europäischer
Zentralbank und Regierungen der Mitgliedsländer verstärkt
ausgeschöpft werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in
diese Richtung bei Achtung und Beachtung der Unabhängigkeit
der EZB initiativ zu werden.
Empfehlung 4-9 Konjunkturgerechte
Fiskalpolitik
Es wird empfohlen, auf EU-Ebene
darauf hinzuwirken, dass der europäische Stabilitäts- und
Wachstumspakt auf der Grundlage von Artikel 2 des EGV und in
Anlehnung an das deutsche Stabilitäts- und Wachstumsgesetz
weiterentwickelt wird. Artikel 2 des EGV orientiert insoweit auf
eine konjunkturgerechte, antizyklische Fiskalpolitik in Europa, als
er ein beständiges, nichtinflationäres und
umweltverträgliches Wachstum sowie ein hohes
Beschäftigungsniveau verlangt.
Konjunktur- und investitionsbedingte
öffentliche Ausgaben können unbedenklich kreditfinanziert
werden, da beispielsweise aus öffentlichen
Infrastrukturverbesserungen mehrere Generationen einen Nutzen
ziehen. Demnach sind nur strukturelle Defizite, die weder
konjunktur- noch investitionsbedingt sind, zu bekämpfen.
Diesem Leitbild folgen im Kern auch die Empfehlungen des
Sachverständigenrates zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Finanzpolitik orientiert
sich dann auch am Grundsatz der Nachhaltigkeit: Im langfristigen
Durchschnitt werden konsumtive Ausgaben des Staates über
Steuern und öffentliche Inves titionen, deren Nutzen
mehreren Generationen zu Gute kommt, über Kredite finanziert.
Im Konjunkturzyklus führen schwankende Steuereinnahmen zu
einem „atmenden Haushalt“. Im langfristigen
Durchschnitt bleiben die Schuldenstandsquote ebenso wie die
Zinslastquote stabil.
Empfehlung 4-10 Produktivitätsorientierte
Lohnpolitik42
Es wird empfohlen, dass die
Lohnentwicklung in der EU einem produktivitätsorientierten
Pfad folgt. Das heißt, die Löhne sollen entsprechend der
Summe aus Produktivitätsfortschritt und der Zielinflation der
Europäischen Zentralbank (EZB) zunehmen. Indem ein
Kaufkraftausgleich nur bis zur Zielinflationsrate der EZB (unter
zwei Prozent) einbezogen wird, werden Zweitrundeneffekte, die eine
Preis-Lohn-Spirale in Gang setzen können, vermieden. Die
Lohnpolitik sollte sich an der Leistungsfähigkeit der
Unternehmen, also am langfristigen Produktivitätszuwachs und
nicht am aktuell prognostizierten Wert, orientieren. Die
Lohnentwicklung wird dann verstetigt und die Lohnstückkosten
steigen im Ausmaß der Zielinflation der Zentralbank. Damit
liefert die Lohnpolitik einen Beitrag zur
Preisniveaustabilität. Es werden sowohl Preis-Lohn-Spiralen
nach oben als auch nach unten (Lohndumping-Wettbewerb) vermieden.
Gleichzeitig kann die realen Konsumnachfrage stabilisiert und
verstetigt werden und es werden wachstumsgerechte Anreize für
produktivitätsschwache und -starke Unternehmen
geschaffen.
41 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum
von der CDU/CSU-Fraktion in 11.1.7.3.
42 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum
von der CDU/CSU-Fraktion in 11.1.7.3.
|