*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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4.9.1.4 Feminisierung der Informalität

Mit dem weltweiten Anstieg der weiblichen Erwerbsbevölkerung ist auch der Anteil der Frauen im informellen Arbeitsbereich größer geworden. Überall in der Welt sind es vor allem Frauen, die zusätzlich zu der unbezahlten Arbeit, die sie in der ländlichen Subsistenzwirtschaft, im Haushalt und im Bereich freiwilliger und ehrenamtlicher Tätigkeiten verrichten, auch noch einer bezahlten Arbeit in der informellen Ökonomie nachgehen (Altvater und Mahnkopf 2001).

Die Gründe hierfür sind vielfältig. So gibt es u.a. infolge der Migration von Männern, der Zunahme von Ehescheidungen und der Auflösung von nichtehelichen Partnerschaften immer mehr weibliche Haushaltsvorstände, die für sich und ihre Kinder (häufig auch für alte und arme Eltern) den Lebensunterhalt sichern müssen. Außerdem sind Frauen nach wie vor häufig sexistisch diskriminierenden Einstellungspraktiken ausgesetzt, so dass sie auch aus die­ sen Gründen noch schlechtere Chancen als Männer ha­ ben, Zugang zu den schrumpfenden Erwerbsmöglichkeiten in der formellen Ökonomie zu finden. Hinzu kommt, dass sie eine formelle Anstellung mit ihrer oft ungeteilten Verantwortung für Kinder und pflegebedürftige Angehörige nicht vereinbaren können, insbesondere weil es an kostenlosen    bzw. für sie bezahlbaren staatlich und/oder privat organisierten Einrichtungen für eine angemessene Kinderbetreuung mangelt (Lenz 2002, Altvater und Mahnkopf 2001).

Die Auswirkungen der Globalisierung und die Bedeutung des informellen Sektors für Frauen sind widersprüchlich und bergen sowohl Chancen als auch Risiken. Einige Aspekte werden im Folgenden anhand der in Kapitel 4.9.1.1erläuterten Status-Kategorien skizziert (Lenz 2002).

Besitzerinnen/Betreiberinnen von Unternehmen in Entwicklungsländern

Frauen sind in einkommensstarken Tätigkeitsbereichen, v.a. als Arbeitgeberinnen und Selbstbeschäftigte, unterrepräsentiert und im einkommensschwachen Sektor, d.h. Gelegenheits-, Teilzeit-, Saisonarbeit und insbesondere im Subcontracting überrepräsentiert. Hinderlich ist ferner der beschränkte Zugang zu öffentlichen Gütern, Eigentum, Märkten, Leistungen und geregelten Rahmenbedingungen, der für Beschäftigte im informellen Sektor – und besonders für Frauen – gilt. Geschlechterspezifische Barrieren beinhalten z. B. Restriktionen beim Vertragsabschluss, bei Land- und Eigentumsrechten, bei Haushalts- und Kinderbetreuungsverpflichtungen. Zum Teil sind Frauen direkt oder indirekt von der Registrierung eines Gewerbes, von der Kreditaufnahme und von Steuererleichterungen ausgeschlossen (Weltbank 2001a: 139, Lenz 2002, Altvater und Mahnkopf 2001).

Auch müssen viele Kleinbetriebe aufgrund des Konkurrenzdrucks von importierten Produkten schließen, die infolge von Subventionen oder aufgrund von Währungsdisparitäten billiger sind. Darüber hinaus werden vormalige Besitzer kleiner Farmen durch multinationale Unternehmen in Subcontracting-Arrangements gedrängt, die teils die wirtschaftliche Situation der lokalen Produzenten verschlechtern und ihre Abhängigkeit erhöhen. Auch wenn multinationale Unternehmen stabile Absatzchancen bieten können, die die wirtschaftliche Situation kleiner Unternehmen verbessern, haben lokale Kleinunternehmerinnen aufgrund des drastischen Einflussgefälles gegenüber global tätigen Unternehmen bzw. Käufern tendenziell einen geringeren Verhandlungsspielraum (Lenz 2002).

Andererseits erhalten Besitzerinnen von informellen Unternehmen neue Geschäftschancen insbesondere durch die Liberalisierung des internationalen Handels. So können beispielsweise durch den globalen Export von Garnelen, die in kleinen Farmen gezüchtet werden, indische Kleinunternehmerinnen Erwerbschancen realisieren. Ohne effektive Organisationen und Interessenverbände können diese Chancen jedoch kaum genutzt werden, denn informell Selbstbeschäftigte und ganz besonders Frauen haben schlechten Zugang zu Krediten, Ausbildung, Technologien und Marktinformationen (Carr und Chen 2001: 8).

Selbstbeschäftigte mit unbezahlt mitarbeitenden Familienangehörigen

Auch Selbstbeschäftigte im informellen Sektor sind von teilweise subventionierter Importkonkurrenz bedroht. Millionen von Frauen in Afrika und Asien, die z. B. aus Pflanzensamen Öl pressten und Überschüsse auf dem lokalen Markt verkauften, haben aufgrund von Speiseölimporten aus den USA (im Falle von Indien) oder aus Taiwan (in weiten Teilen Afrikas) ihren Haupterwerb verloren. Ähnliches gilt für Korbflechterinnen in Afrika, deren Produkte durch billigere Imitate aus Südostasien verdrängt wurden (Carr und Chen 2001: 8). Diese Frauen mussten in noch weniger ertragreiche, weniger stabile und geschützte Beschäftigungen ausweichen. Umgekehrt ist in Ländern mit Strukturanpassungsprogrammen vielen Frauen empfohlen worden, ihre traditionell für die eigene Subsistenz produzierten Waren nun marktgängig zu verkaufen. Das hat sie plötzlich mit einer starken Konkurrenz auf den Weltmärkten konfrontiert. Ihr hauptsächlicher komparativer Vorteil liegt in ihren geringen Arbeitskosten. Dieser Eintritt „von unten“ in den Arbeits- und Warenmarkt war eine Konsequenz der Globalisierung (Lenz 2002).

Abhängig Beschäftigte

Die abhängig Beschäftigten in informellen Unternehmungen, in Gelegenheitsjobs, Heimarbeit, Hausarbeit (Domestic work), in Saison- oder Teilzeitarbeit, unregistrierter Arbeit etc. bilden tendenziell die unterste Kategorie informell Beschäftigter mit der umfangreichsten Präsenz von Frauen. Unternehmen in bestimmten Branchen können sich vor allem durch Auslagerung arbeitsintensiver Schritte sozialer Regulierung entziehen. Die Informalisierung schafft also einen dringenden Handlungsbedarf für die Entwicklung eines neuen sozialen Schutzes, der die spezifische Erwerbstätigkeit und Lebensplanung gerade auch von Frauen berücksichtigt (Lenz 2002: 55-57).




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