4.9.2.2 Die Bedeutung von Humankapital
Innovationen
im Bereich der drahtlosen Zugangsnetze führen zu sinkenden Kosten beim Aufbau
einer entsprechenden technischen Infrastruktur, d.h. es ist aus technischer
Sicht mit einer deutlichen Reduzierung der Kosten beim Aufbau entsprechender
Zugangsnetze zu rechnen
(s. Kasten 4-4).
Neben
technischen und institutionellen Veränderungen wird in offenen Volkswirtschaften
insbesondere der Ausbau des sogenannten „Humankapitals“ über den Zugang zu global
verfügbaren Informationen und den Aufbau internationaler Netzwerke von Experten
gefördert und beschleunigt. Entwicklungsländer können aufgrund komparativer
Kostenvorteile, u. a. im Bereich der Lohnstückkosten in arbeitsintensiven Branchen,
kurzfristig Wohlfahrts zu ge winne erlangen. Jedoch nimmt auch in Entwicklungsländern
die Bedeutung von qualifizierten Arbeitskräften zu. Die Länder, denen es nicht
gelingt, einen ausreichenden Bestand an Humankapital zu akkumulieren, werden
langfristig nicht an der weltweiten Arbeitsteilung partizipieren können und
die Verlierer der Globalisierung sein (Hemmer u.a. 2001: 143ff.).
Ein
entscheidender Engpass bei der Überwindung der digitalen Spaltung liegt folglich
im Bereich qualifizierter Arbeitskräfte. Die Ausbildung und Qualifizierung von
Menschen und die Fähigkeiten von Bildungssystemen, den Ausbildungs- und Qualifizierungsstandard
anzuheben, wird in noch höherem Maß als bisher über die Entwicklungschancen
von Ländern entscheiden. In vielen Entwicklungsländern fehlt es jedoch an einer
ausreichenden Anzahl von Ingenieuren, Programmierern und technischem Fachpersonal
(Stamm u.a. 2000: 1f.).
Dem
Staat kommt bei der Förderung von Humankapital und bei Investitionen im Bereich
Bildung, Ausbildung und FuE eine besondere Rolle zu. Industrieländer sollten
dabei Entwicklungsländer beim Aufbau und der Reform von Ausbildungs- und Forschungsinstitutionen
der IuK unterstützen (Stamm 2000: 2). Entwicklungspolitisches Ziel ist, in einem
Land selbsttragende wirtschaftliche Strukturen im IuK-Sektor aufzubauen, die
über Wachstums- und Beschäftigungssteigerungen Armut und Ungleichheiten verringern.
Die
Tatsache, dass die Industrieländer zur Zeit sowohl absolut als auch relativ
weit mehr für Bildung und Forschung ausgeben als Entwicklungsländer lässt vermuten,
dass sich die internationale Spaltung bei der Verteilung der Humankapitalressourcen
zukünftig eher noch vergrößern wird. Die digitale Spaltung ist ein Ergebnis
der Unterentwicklung, deren Überwindung hohe Ausgaben für Bildung voraussetzt.
Dieses Geld steht in den öffentlichen Haushalten der Entwicklungs- und Schwellenländern
nicht zur Verfügung. Studien zeigen, dass Länder mit niedrigem Durchschnittseinkommen
deutlich weniger in Bildung investieren als solche mit hohem Durchschnitts
einkommen (HWWA 2001: Kap. 6.406).
Neben
den Investitionen in das Humankapital kostet auch die Partizipation an der modernen
Kommunikationstechnologie Geld. Der Nutzer muss mit einer entsprechenden Hardware
ausgestattet sein und den Zugang zum Netz bezahlen. Dieses Geld ist bei vielen
Haushalten in der Dritten Welt nicht vorhanden. Deshalb korreliert das Einkommensniveau
der Länder positiv mit dem Grad der Verbreitung der für die Teilnahme am Internet
nötigen technischen Ausstattung in der Bevölkerung (s. Tabelle 4-10).
Überdies leiden viele Bildungssysteme in Entwicklungsländern unter Ineffizienzen,
d.h. sie sind weniger „produktiv“ als Bildungssysteme in Industrieländern und
erfordern vergleichsweise höhere Inputs. Stamm weist darauf hin, dass Institutionen
der beruflichen Bildung nicht auf die Anforderungen einer wissensintensiven
Entwicklung vorbereitet und IuK-bezogene Ausbildungs- und Studiengänge selten
seien. Dieses Problem werde durch fehlende eigenständiger FuE im IuK Bereich
verschärft, so dass eine „digitale Kompetenzkluft“ existiere. Einige selektive
Zahlen sollen diese Spaltung verdeutlichen. So promovieren in ganz Lateinamerika
jährlich etwa 530 Ingenieure, während es allein in Spanien 1998 580 Ingenieure
sind. In den USA ist einer von 140 Beschäftigten in Wissenschaft und Forschung
tätig, in La teinamerika war es nur einer von 1300 Beschäftigten (Stamm 2001a).
Führt der Einsatz von IuK Techniken in Entwicklungsländern
zu einer Steigerung des BIP kann über wirtschaftliches Wachstum Armut reduziert
werden. Arme Bevölkerungsschichten können zudem auch direkt von dem Einsatz
von IuK-Techniken profitieren. Der Zugang zu IuK-Techniken, die Mitbestimmung
über Inhalte und die Anpassung des Wissens an lokale Gegebenheiten und seine
Nutzung für die Lösung lokaler Probleme sind dabei wesentliche Einflussfaktoren.
Das Spektrum der Bereiche, in denen IuK-Techniken Entwicklungschancen verbessern,
ist sehr breit. In bestimmten Branchen ist der Einsatz von IuK-Techniken besonders
effektiv. Gemeinde-Kommunikationszentren verringern die Isolierung abgelegener
ländlicher Gegenden, sie beleben Wirtschaft und Handel und führen zu mehr sozialer
Partizipation und Mitgestaltung. Die Gesundheitsversorgung wird durch Informationssysteme
verbessert, die beispielsweise ansteckende Krankheiten, ihre Behandlungsmethoden
und Behandlungserfolge erfassen, ebenso durch interaktive Behandlungsberatung
zwischen Referenzkrankenhäusern und Basisgesundheitsstationen. Bildungschancen
werden verbessert, beispielsweise durch vernetzte Lernumgebungen und durch Vernetzung
von Schulen untereinander, mit Gemeinden und Unternehmen. E-commerce schafft
für Handwerk, Klein- und Mittelindustrie neue inländische und – sofern bereits
eine gewisse industrielle Struktur besteht – ausländische Absatzmärkte (BMZ
2001a: 29-32).
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