9.3.1
Menschenzahl und „natürliche”
Tragfähigkeit
Die Frage, wie
viel Menschen die Erde „ertrage”, ist nicht mit einer
bestimmten Zahl beantwortbar. Die Bevölkerungszahl ist einer
von zahlreichen Faktoren, die die Möglichkeiten
menschenwürdigen Lebens bei gleichzeitiger ökologischer
Nachhaltigkeit (sustainability) mitbestimmen. Insbesondere setzt
die „carrying capacity” der Erde der Versorgung einer
wachsenden Menschenzahl bei gleichzeitiger ökologischer
Nachhaltigkeit auf absehbare Zeit keine dauerhaft
unverrückbare Grenze; vielmehr hängt es wesentlich auch
von der Art und Weise der Nutzung natürlicher Ressourcen ab,
wie viele Menschen unter welchen Bedingungen leben können. Auf
der anderen Seite ist offensichtlich, dass eine größere
Menschenzahl bei ansonsten konstanten Variablen eine
größere Belastung der natürlichen Umwelt
darstellt.
Die
ökologische Belastung ist zur Zeit eng gekoppelt an das
jeweilige Wohlstandsniveau; das wohlhabendste Fünftel der
Menschheit ist auch an den ökologischen Belastungen der Erde
weit überproportional beteiligt. Allerdings zeigt bereits der
Vergleich der USA mit z.B. europäischen Staaten, dass ein
vergleichbares Wohlstandsniveau mit höchst unterschiedlichen
ökologischen Belastungen gekoppelt sein kann. Gleichwohl ist
der geringere durchschnittliche Pro-Kopf Ressourcenverbrauch der
Entwicklungsländer vor allem Ausdruck weit verbreiteter Armut.
Soweit eine Verlangsamung des Bevölkerungswachstums mit
Verringerung der Armut und wirtschaftlicher Entwicklung einhergeht,
kann dies im Ergebnis zu einer höheren ökologischen
Gesamtbelastung der natürlichen Umwelt führen (sog.
„Demographische Falle”).
Global betrachtet
ist der wachsende Druck auf Ökosysteme heute überwiegend
eine Frage der Art und Weise und der Quantität des
Konsums.6 Das macht die
Bevölkerungs entwicklung aber nicht bedeutungslos.
Bevölkerungs wachstum erhöht den Gesamtverbrauch
und die sons tige Belastung der Umwelt. Dies kommt in der
Formel zum Ausdruck, die die Umweltwirkung vereinfachend
folgendermaßen darstellt:
Umweltwirkung =
Bevölkerungszahl x Pro-Kopf-Konsum x Umweltverbrauch je
Konsumeinheit.7
Die globale
Betrachtung von Tragfähigkeitsfragen birgt die Gefahr
unausgewogener Schlussfolgerungen, wenn sie nicht durch regionale
Perspektiven ergänzt wird. Wichtige ökologische
Ressourcen sind regional ungleich verteilt. Auch bei
vergleichsweise niedrigem Konsumniveau kann erheblicher Druck auf
die lokalen und regionalen natürlichen Ressourcen
ausgeübt werden – mit Konsequenzen auch für globale
Umweltfragen.
6 Dies dürfte unbestritten sein; nähere
Ausführungen dazu u. a. in: UNDP, UNEP, World Bank, World
Resources Institute 2000: 23 ff.
7 Dazu im einzelnen: O’Neill, MacKellar, Lutz
2001: 117 ff.
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