Wohl kaum ein verantwortlicher Politiker würde heute ohne Einschränkungen sagen: Die Renten sind sicher. Nullrunden, nachgelagerte Rentenbesteuerung, das Abschmelzen der Mindestreserve, die Verlegung des Auszahlungstermins der Renten - dies sind Punkte, die nicht nur die ältere Generation verunsichern. Hinzu kommt die demografische Entwicklung, nach der immer weniger Beitragszahler eine immer größere Zahl von Renten finanzieren müssen. Einigkeit herrscht daher unter allen Parteien und Experten, dass etwas geschehen muss - die Frage ist nur: was?
Daniel Bahr, der Sprecher für demografische Entwicklung der FDP-Bundestagsfraktion, verweist darauf, dass Deutschland die ältesten Berufseinsteiger und die jüngsten Rentner hat. Seit den 50er-Jahren sei die Lebenserwartung um etwa acht Jahre gestiegen, die Lebensarbeitszeit aber gesunken. Dabei könnte ein Anstieg der Lebensarbeitszeit um ein Jahr den Rentenbeitrag um einen Prozentpunkt senken. Allerdings blendet nach Überzeugung des FDP-Abgeordneten die Diskussion um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit am Ende des Erwerbslebens wichtige Alternativen aus: "Deutschland weist im internationalen Vergleich die längsten Ausbildungszeiten auf. Ein deutscher Hochschulabsolvent startet erst mit 29 Jahren im Beruf, während sein französischer oder britischer Kollege bereits mit Mitte Zwanzig einsteigt." Seine Fraktion wolle daher einen früheren Einstieg in das Erwerbsleben ermöglichen. Eine Einschulung schon ab dem 5. Lebensjahr, das Abitur nach zwölf Schuljahren, die Aussetzung der Wehrpflicht aus sicherheitspolitischen Gründen und kürzere Ausbildungs- und Studienzeiten verlängerten die Lebensarbeitszeit und ermöglichten damit früher Einkommen. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland liege bei etwa 60 Jahre - bei einem gesetzlichen Renteneintrittsalter von 65 Jahren! Der Trend zur Frühverrentung zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme müsse durch höhere Rentenabschläge beendet werden, sagt er und bekräftigt, dass für ihn die Annäherung des durchschnittlichen an das gesetzliche Renteneintrittsalter Priorität vor einer Heraufsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre habe.
Auf die steigende Lebenserwartung und die gängige Praxis der Frühverrentung, die teilweise aus arbeitsmarktpolitischen Gründen sogar gefördert wurde, verweist auch die Grünen-Abgeordnete Thea Dückert. Um das tatsächliche Renteneintrittsalter zu heben, würden deshalb von 2006 bis 2008 schrittweise die Altersgrenzen für Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit angehoben. Es müsse beobachtet werden, ob dies reiche: "Wenn nicht, muss für den Zeitraum zwischen 2011 bis 2030 über eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters nachgedacht wird", und fügt hinzu: "Wichtig ist, dass der Arbeitsmarkt für Ältere dann auch existiert." Bündnis 90/Die Grünen befürworteten insgesamt flexible Lebensarbeitszeitmodelle. Thea Dückert: "Wir wollen die Kultur der Altersarbeit ausbauen. Flexiblere Lebensarbeitszeiten sollen auch zu Fortbildung und lebenslangem Lernen genutzt werden. So besteht für älter werdende Arbeitnehmer eine Chance, ihre Fertigkeiten und Berufskenntnisse kontinuierlich an die sich wandelnde Bedingungen am Arbeitsmarkt und im Betrieb anzupassen." Zeiten der Mehrarbeit könnten durch weniger Arbeit im Alter, Teilzeit oder Sabbaticals ausgeglichen werden. Eine flexibel handhabbare Arbeitszeit habe Vorteile für die Menschen, deren Lebensplanung nicht mehr an starre Schemata gebunden sei. So würden neue Beschäftigungspotenziale erschlossen und auch die Unternehmen könnten flexibler agieren.
"Wer heutzutage in der Verlängerung der Lebensarbeitszeit das Allheilmittel zur langfristigen finanziellen Stabilisierung der Sozialsysteme propagiere, verschließe sich der Lebenswirklichkeit." Dies ist die klare Überzeugung von Erika Lotz, Sprecherin der Arbeitsgruppe Gesundheit und Soziale Sicherung der SPD-Bundestagsfraktion. Es sei für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heute ein fast unüberwindliches Problem, auch im höheren Alter in Beschäftigung zu bleiben beziehungsweise eine neue Arbeit zu finden. Seien in der Altersgruppe der über 60-Jährigen 1970 in Westdeutschland noch fast 70 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen beschäftigt gewesen, seien es heute noch jeder dritte Mann und bei den Frauen nicht einmal jede sechste. Vor diesem Hintergrund könne es derzeit nur darum gehen, die faktische Lebensarbeitszeit zu erhöhen und die bestehende Diskriminierung älterer Menschen in der Lebenswirklichkeit der Betriebe abzubauen. Hierbei seien sowohl die Politik als auch die Sozialpartner in der Pflicht, umgehend entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Gesetzgeber habe unter anderem mit der Begrenzung der Frühverrentungspraxis erste Schritte getan. Auch die von der Bundesregierung in Berlin bereits initiierten Beschäftigungspakte mit der Wirtschaft, den Ländern und in den Regionen würden hoffentlich bald beginnen, sich positiv auszuwirken. "Erst wenn dies erreicht ist", so die SPD-Abgeordnete, "kann auch eine Erhöhung der Regellebensarbeitszeit in Betracht gezogen werden. Eine andere Entscheidung hätte zur Folge, dass noch mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Hoffnung auf eine Beschäftigungsmöglichkeit im Arbeitslosengeldbezug ?geparkt' werden müssten. Die Kosten für den Staat beziehungsweise die Sozialversicherungen wären immens."
Einen anderen Aspekt greift der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Luther auf, nämlich die sinkenden Geburtenraten bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung. Mit 1.340 Geburten je 1.000 Frauen sei die Geburtenrate in Deutschland eine der niedrigsten weltweit. Zum Teil werde der Rückgang der Erwerbsbevölkerung durch eine höhere Frauenerwerbsquote und auch durch Zuwanderung ausgeglichen, was allerdings den Trend nicht werde aufhalten können. Und ein weiterer Punkt dürfe nach Ansicht des CDU-Parlamentariers nicht außer Acht gelassen werden: "Die finanzielle Basis wird durch gebrochene Beschäftigungsbiografien, nicht sozialversicherungspflichtige Arbeiten und fließende Übergänge zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung geschmälert." Michael Luther plädiert vor allem für eine veränderte Familienpolitik. Die Familie müsse vom Staat stärker als bisher unterstützt werden. Eine verstärkte Anerkennung der Erziehungszeiten sei ebenso notwendig wie der Abbau von Benachteiligungen für Familien im Steuer- und Sozialsystem. Kein Alterssicherungssystem der Welt komme ohne Kinder aus. Alles nutze nichts, wenn die Menschen nicht mental bereit seien, Kinder bekommen zu wollen. Junge Menschen müssten es wie selbstverständlich als erstrebenswertes Ziel in ihre Lebensplanung aufnehmen, eine Familie gründen und drei oder mehr Kinder haben zu wollen, am besten bis zum 30. Lebensjahr. Ein weiterer Lösungsansatz könne nach Luther in der besseren Ausschöpfung des Erwerbpotenzials liege. "Das bedeutet, dass Menschen eher in die Erwerbsphase eintreten und insgesamt länger arbeiten." Voraussetzung dafür sei eine Umgestaltung der Arbeitswelt, veränderte Fortbildungsangebote und vor allem eine veränderte Personalpolitik vieler Unternehmen.