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Mai 05/1999
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DIE BEDEUTUNG DES LOBBYISMUS FÜR DIE PARLAMENTARISCHE ARBEIT

Zarte Bande

Bundestagsgebäude Eingang

Wer Rolf Schwanitz, den Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder, einen "Lobbyisten für Ostdeutschland" nennt, erntet ein freundliches Lächeln, aber keinen Widerspruch. Warum auch? Der Auftrag des sächsischen Politikers ergibt sich aus der Regierungserklärung des Bundeskanzlers. "Mir steht ein Staatsminister im Bundeskanzleramt zur Seite, der vor allem für eine Koordination mit den Landesregierungen der ostdeutschen Länder sorgen wird", hatte Gerhard Schröder kurz nach der Amtsübernahme hervorgehoben. Etwas salopp formuliert, könnte man Schwanitz als einen auf das Gemeinwohl vereidigten Lobbyisten für den Aufbau Ost bezeichnen.

Lobbyisten, damit waren im 19. Jahrhundert Interessenvertreter gemeint, die Parlamentarier in den Gängen der Abgeordnetenhäuser in Washington in ihrem Sinne zu beeinflussen suchten. Der in den USA geprägte Begriff hat sich erhalten, auch wenn Lobbyisten heute nur selten ihre Kontakte in der Wandelhalle des Bundestages knüpfen. Erst vor wenigen Wochen sah die Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Kerstin Müller, die Autorität der Gesetzgebung angekratzt. Deutliche Worte am 5. Mai im Bundestag: "Wir haben es bei dieser Reform mit ganz mächtigen Lobbyisten zu tun, die eben nicht ohne Zeter­und­Mordio­Geschrei bereit sind, auf ihre liebgewordenen Pfründe zu verzichten. An dieser Stelle sage ich aber auch: Wer die dringend notwendige Modernisierung durchsetzen will, der kann nicht den Weg des geringsten Widerstandes gehen, der muß eben manchmal auch solchen Lobbyisten auf die Füße treten. Deshalb braucht die Gesundheitsministerin bei dieser Auseinandersetzung die volle Unterstützung der Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion."

Bestandteil des parlamentarischen Systems

Eine Klarstellung, auch wenn der Lobbyismus längst akzeptierter Bestandteil des parlamentarischen Systems geworden ist. Der aus der DDR stammende Rolf Schwanitz kannte zwar das Recht, eine Eingabe an den Staatsrat zu stellen. An die Vielzahl der Interessenverbände des vereinten Deutschlands mußte er sich aber erst gewöhnen – in der Opposition als langjähriger Vorsitzender der Querschnittsarbeitsgruppe "Deutsche Einheit" der SPD­Bundestagsfraktion und jetzt als Staatsminister. "Die Intensität der Einflußnahme hat mich überrascht", erinnert sich Schwanitz, der mittlerweile zwischen "Normalbehandlung" und "Spezialbeharkung" unterscheidet. Daß Lobbyisten zum parlamentarischen Alltag gehören, ist für den ostdeutschen Politiker selbstverständlich, "solange nicht unzulässiger Druck ausgeübt wird".

Öffentliche Liste der Verbände

Den Geruch der Geheimniskrämerei hatte der Lobbyismus schon 1972 verloren. Damals faßte der Bundestag den Beschluß über die "Registrierung von Verbänden und deren Vertreter". Seitdem werden alle Verbände, die "Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten", einmal jährlich in eine öffentliche Liste eingetragen. Stattliche 1673 Organisationen sind es derzeit, nachzulesen auf 406 Seiten im Bundesanzeiger vom September 1998. Eine wichtige Hilfe für die Vorsitzenden der Ausschüsse, wenn Sachverständige zu Anhörungen geladen werden müssen.

Darin verzeichnet ist auch der Verband der Cigarettenindustrie, VdC, der sich die Lobbyarbeit einiges kosten läßt. Die Bonner Dependance lädt regelmäßig zu Gesprächsabenden mit Prominenten ein, die Karten für das Sommerfest sind begehrt. Immerhin, ein Nichtraucherschutzgesetz ist im vergangenen Jahr im Bundestag gescheitert. Jetzt soll es einen neuen Anlauf geben. Oberlobbyist Axel Heim verrät das Geheimnis seines Erfolges: "Nicht Strippenziehen im Hintergrund, sondern Kontakte im Vordergrund". Lobbyarbeit sei nichts anderes als "intelligentes Informationsmanagement". Nicht jeder Politiker ist dafür aufgeschlossen. "Manche sagen, mit Tabaklobbyisten redeten sie nicht", berichtet der Rechtsanwalt. Andere ließen sich überzeugen, daß ein Nichtrauchergesetz die Wirtschaft Milliardenbeträge kosten würde. Die Frage, ob Politiker bestechlich sind, wird energisch verneint: "Geld ersetzt nie gute Worte".

Als "Botschafter der Preussag" stellt sich Dr. Wolf­Dieter Zumpfort auf Diplomaten empfängen vor, Interessenvertreter der Preussag AG und ihrer 200 Tochterunternehmen. Bei 60.000 Mitarbeitern und rund 33 Milliarden Mark Umsatz ein Schwergewicht unter den Lobbyisten. Zumpfort beschreibt seinen Job als "projektbezogenes, firmenspezifisches Lobbying". Gerade hat er ein Schreiben auf den Tisch bekommen, das den Preussag­Lobbyisten fordert: Der Antrag einer Tochterfirma auf Hermes­Kredite für Lieferungen in den Iran ist vorläufig zurückgestellt worden. Ein Anruf im Bundeswirtschaftsministerium soll Klarheit schaffen. "Ich versuche staatliches Handeln zum Vorteil meiner Firma zu nutzen", sagt Zumpfort, der früher für die F.D.P. im Bundestag saß. Daß Parteipolitik im Lobbyismus keine Rolle spielt, widerlegt der Wirtschaftsliberale mit seinem Terminkalender. Gast des nächsten Parlamentarischen Abends der Preussag ist kein geringerer als der Bundeskanzler, den Zumpfort noch aus gemeinsamen sozialliberalen Abgeordnetenzeiten Anfang der achtziger Jahre kennt.

Auf langjährige Politiker­Kontakte kann auch Claudia Conrad verweisen, die frühere Sprecherin der Bundes­CDU, die heute als Politik­ und Medienberaterin eine Nische im Lobbyismus besetzt. Ihre Stunde schlägt, wenn sich einzelne Unternehmen von ihren Verbänden nicht gut vertreten fühlen. Dann kommen Rechercheaufträge, oft als Basis für eine weitere Zusammenarbeit. Derzeit hat die Juristin die Diskussion über die geplante Unternehmenssteuerreform im Lobbyisten­Blick: Monitoring nennt man die langfristige Beobachtung eines Themas. Nach dem Regierungswechsel und unmittelbar vor Beginn der deutschen EU­Präsidentschaft waren es ihre ausländischen Klienten, die sich um Kontakte und Informationen über die neue Koalition drängten. "Lobbyarbeit klappt nur, wenn man kommunikativ ist, Vertraulichkeit ernst nimmt und über politisches Gespür verfügt", weiß die Einzelkämpferin mit langjähriger Bonn­Erfahrung und fügt lächelnd hinzu: "Dann wird man auch weitergereicht".

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9905/9905052
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