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Mai 05/1999
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WAHLMÄNNER UND -FRAUEN ENTSCHEIDEN ÜBER NACHFOLGE VON ROMAN HERZOG

Bundesversammlung tagt am 23. Mai in Berlin

Bundestagsgebäude invers

Wenn am 23. Mai in Berlin die 11. Bundesversammlung zusammentritt, um den Nachfolger von Bundespräsident Roman Herzog zu wählen, dann ist dies in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderer Tag. Vor 50 Jahren, am 23. Mai 1949, wurde das Grundgesetz verkündet – seit der 7. Bundesversammlung 1979 ist es nun Tradition, daß die Bundespräsidentenwahl an diesem Datum stattfindet. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD)lädt die insgesamt 1338 Wahlmänner und -frauen in das neueröffnete Berliner Reichstagsgebäude ein. Damit findet die Wahl des Bundespräsidenten zwar schon zum zweiten Mal an diesem Ort statt, als Premiere jedoch im fertiggestellten Umbau zum Plenarbereich Reichstagsgebäude.

Drei Kandidaten stehen zur Wahl: für die SPD der frühere NRW-Ministerpräsident Johannes Rau, für die CDU die parteilose Physikerin Dagmar Schipanski sowie für die PDS die Theologin Uta Ranke-Heinemann. F.D.P. und Bündnis 90/Grüne haben keine eigenen Kandidaten aufgestellt.

Unter den Delegierten der Bundesversammlung sind nicht nur amtierende und ehemalige Politiker zu finden, sondern z.B. auch Prominente aus Sport, Kultur und Wirtschaft. So wurden beispielsweise Fußballtrainer Otto Rehagel und die Berliner Schauspielerin Brigitte Grothum von der CDU nominiert, die SPD hat Berthold Beitz, Chef der Krupp-Stiftung, sowie den Fußballer Stefan Kuntz als Wahlmänner gewonnen. Durch die Einbeziehung von Nicht-Politikern soll der repräsentative Charakter der Bundesversammlung gestärkt werden.

Die Bundesversammlung setzt sich aus den 669 Bundestagsabgeordneten sowie der gleichen Anzahl von Mitgliedern zusammen, die von den Länderparlamenten gewählt werden. Die Zahl der Mitglieder richtet sich nach der jeweiligen Stärke des Bundestages, variiert daher von Wahl zu Wahl. Landesdelegierter kann jeder werden, der zum Bundestag wählbar ist. Von den 669 Mitgliedern der Bundesversammlung, die Bundestagsabgeordnete sind, gehören 245 der CDU/CSU, 298 der SPD, 43 der F.D.P., 47 den Grünen, 36 der PDS an. Bei den Mitgliedern, die die Landtage wählen, sieht die Verteilung folgendermaßen aus: 302 für die CDU/CSU, 267 für die SPD, 13 für die F.D.P., 49 für die Grünen, 29 für die PDS, 9 für Sonstige.

Zwar lassen sich aus diesen Zahlen mögliche Mehrheiten herauslesen, doch die Wahl des Bundespräsidenten erfolgt geheim, und die Mitglieder der Bundesversammlung sind frei in ihrer Entscheidung, sind nicht an Aufträge und Weisungen gebunden. Mögliche Abweichler bleiben daher unbekannt.

In den vergangenen Jahren – und auch heute – wurde und wird immer wieder der Vorschlag diskutiert, den Bundespräsidenten durch das Volk wählen zu lassen. Doch der Parlamentarische Rat, der das Grundgesetz und somit auch die Grundlagen für die Wahl des Bundespräsidenten schuf, zog mit seiner Entscheidung für die Bundesversammlung und gegen eine Volksabstimmung die Konsequenzen aus den Lehren der Geschichte. Die Weimarer Republik hatte schlechte Erfahrungen mit ihrem starken Reichspräsidenten gemacht, der für sieben Jahre direkt vom Volk gewählt wurde und auf der Basis dieser Legitimation weitreichende Befugnisse hatte – wie beispielsweise den Kanzler zu ernennen oder zu entlassen, notfalls auch ohne Rücksicht auf das Parlament. Auf diese Weise wurde der Weg in den Nationalsozialismus mitgeebnet. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wollten daher die Stellung des Präsidenten nicht so stark ausgestalten.

Prof. Theodor Heuss, späterer erster Bundespräsident, schlug im Parlamentarischen Rat das Gremium der Bundesversammlung vor, das folgendermaßen im Grundgesetz verankert wurde (Artikel 54, dritter Absatz: "Die Bundesversammlung besteht aus Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden."

Hiermit werden die Interessen des Bundes und der Länder berücksichtigt, die Wahl des Staatsoberhauptes steht auf einem repräsentativen Fundament. Die Entscheidung für die Bundesversammlung wurde durch die Enquete-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages 1976 noch einmal bestärkt. In ihrem Schlußbericht heißt es: "Eine Einführung der unmittelbaren Volkswahl des Bundespräsidenten bedeutet daher zugleich die Entscheidung für ein aktiv-politisches Präsidentenamt und müßte entsprechende Änderungen in den Aufgaben und Befugnissen des Bundespräsidenten nach sich ziehen. Die Kommission hat jedoch keinen Anlaß gesehen, die vom Parlamentarischen Rat bewußt getroffenen Entscheidungen über die Ausgestaltung des Präsidentenamtes und die Organisation der Regierungsgewalt in Frage zu stellen oder gar zu revidieren. Sie spricht sich daher gegen die Einführung der unmittelbaren Volkswahl des Bundespräsidenten aus."

Die Bundesversammlung tritt alle fünf Jahre für einen Tag zusammen. Das Grundgesetz besagt, daß dies spätestens 30 Tage vor dem Ende der Amtszeit des Bundespräsidenten geschehen muß. Im ersten und zweiten Wahlgang ist die absolute Mehrheit der Stimmen erforderlich, im dritten Wahlgang reicht die relative Mehrheit aus, d.h., derjenige ist gewählt, der die meisten Stimmen erhält. Erst zweimal in der Geschichte der Bundespräsidentenwahlen fiel die Entscheidung erst im dritten Wahlgang: 1969 bei der Wahl Gustav Heinemanns und 1994 bei der Wahl Roman Herzogs.

Die erste Bundesversammlung tagte am 12.September 1949 in Bonn: Der Freidemokrat Theodor Heuss wurde Präsident, der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher unterlag. Die nächsten vier Bundesversammlungen traten in Berlin zusammen. 1954 wurde Heuss für eine weitere Amtsperiode gewählt. 1959 machte die Bundesversammlung den damaligen Bundesernährungsminister Heinrich Lübke zum Bundespräsidenten. 1964 erreichte er im ersten Wahlgang bereits die absolute Mehrheit, war damit nochmals fünf Jahre im Amt. 1969 tagte vorläufig die letzte Bundesversammlung in Berlin – nach dem Vier-Mächte-Abkommen durfte sie dort nicht mehr zusammentreten. Der SPD-Kandidat Gustav Heinemann wurde Bundespräsident, verzichtete jedoch auf eine erneute Kandidatur. Nachfolger wurde Freidemokrat Walter Scheel. 1979: Bundespräsident Karl Carstens (CDU) erhielt schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Richard von Weizsäcker (CDU), zuvor Regierender Bürgermeister von Berlin, blieb zwei Wahlperioden, 1984 bis 1994, im Amt. Die zehnte Bundesversammlung tagte am 23. Mai 1994 erstmals seit 1969 wieder in Berlin. Gewählt wurde Roman Herzog, früherer Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, im dritten Wahlgang mit der Mehrheit von 696 von 1319 gültigen Stimmen, auf Gegenkandidat Johannes Rau entfielen 605 Stimmen.

Die Bundesversammlung hat ihren Zweck erfüllt, wenn die Wahl des Bundespräsidenten erfolgt ist. Der Präsident des Bundestages erklärt sie für beendet, wenn der erfolgreiche Kandidat die Wahl angenommen hat. Für den Amtseid, den der künftige Präsident leisten muß, beruft der Bundestagspräsident Bundestag und Bundesrat zu einer gemeinsamen Sitzung ein. Der Eid lautet: "Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe."

Die Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland seit 1949

Heinrich Lübke
Heinrich Lübke 1959-1969
Gustav W. Heinemann
Gustav W. Heinemann 1969-1974
Walter Scheel
Walter Scheel 1974-1979
Richard von Weizesäcker
Richard von Weizsäcker 1984-1994
Roman Herzog
Roman Herzog 1994-1999
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9905/9905054
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