Der Sieger der Landtagswahl am 13. Juni im Freistaat Thüringen steht schon jetzt fest. Es ist die CDU, die bei der letzten Landtagswahl 1999 mit 51 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit erreichte. Doch wird der Sieger diesmal auch tatsächlich siegen? Das ist die spannende Frage, die sich wenige Tage vor der Wahl nicht nur in der Landeshauptstadt Erfurt stellt. Denn die CDU kommt nach Umfragen auf 45 bis 48 Prozent. Es könnte also ein Koalitionspartner gebraucht werden.
Die PDS, die vor fünf Jahren die SPD überflügelte und mit 21,4 Prozent der Stimmen die größte Oppositionspartei stellte, will unter allen Umständen die absolute Mehrheit der CDU brechen und dann mit der SPD, die bei der letzten Landtagswahl 18,5 Prozent der Stimmen erreichte, eine rot-rote Koalition bilden - unter dem jetzigen PDS-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten.
Nur hat dieser Ehrgeiz des aus Niedersachsen stammen gelernten Kaufmanns Ramelow einen Schönheitsfehler: SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie hat sich in den zurückliegenden Wochen gegen eine rot-rote Koalition ausgesprochen. Aus seiner Sicht sind einige Kandidaten der PDS aus DDR-Zeiten politisch belastet. Und in dieser Frage ist Matschie sensibel. Gern wäre der Sohn eines Pfarrers Arzt geworden, doch seine kritische Haltung zum SED-Staat vereitelte dies. Also studierte er Theologie und schloss das Studium mit dem Diplom ab. Bereits 1990 zog Matschie in den Deutschen Bundestag ein.
Gelingt es der SPD, die absolute Mehrheit der CDU zu brechen, dann würde Matschie eine Neuauflage der Großen Koalition allen anderen Lösungen vorziehen. Matschie, gegenwärtig Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, will nach der Landtagswahl in Thüringen bleiben - entweder als stellvertretender Ministerpräsident oder als Oppositionsführer. Das hätte allerdings erhebliche bundespolitische Konsequenzen, denn wegen der Übergangmandate im Deutschen Bundestag würde ein Verzicht Matschies auf sein Mandat die ohnehin kleine rot-grüne Kanzlermehrheit weiter abnehmen.
Matschie fordert Althaus heraus
Das Hauptinteresse bei dieser Wahl richtet sich auf Dieter Althaus, der seit einem Jahr Ministerpräsident des Freistaates ist. Er trat die Nachfolge von Ministerpräsident Bernhard Vogel an, der es als Westdeutscher geschafft hatte, schnell zum Landesvater der Thüringer aufzusteigen. Dafür wurde er 1999 mit der absoluten Mehrheit belohnt. Immerhin hat es Althaus geschafft, innerhalb kurzer Zeit einen sehr hohen Bekanntheitsgrad zu erreichen.
Das schaffte der einstige Lehrer für Physik und Mathematik aus dem Eichsfeld, der auch dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört, nicht zuletzt durch ein feines Gespür für die Sorgen der Menschen und seinen Regierungssprecher Uwe Spindeldreier. Letzterer nutzte geschickt den willkommenen Zufall des gleichzeitigen Vorsitzes Thüringens im Bundesrat. Als Bundesratspräsident und damit dritthöchsten Repräsentant der Republik "verkauft" Spindeldreier seinen Chef auch auf dem bundespolitischen Parkett. Als treuer Gefolgsmann der CDU-Chefin Angela Merkel hat er sich zudem einen Namen in der Union gemacht.
Althaus, der zu DDR-Zeiten stets auf Distanz zur SED gegangen war und sich offen zu seinem katholischen Glauben bekannte, gehört seit 1990 dem thüringischen Landtag an. Er wurde früh von Vogel als Wunschkandidat für die Nachfolge aufgebaut. Sowohl als thüringischer Partei- als auch als Regierungschef. Längst hat sich Althaus, zuletzt Fraktionschef im Landtag und davor einige Jahre Kultusminister, von seinem Ziehvater Vogel gelöst.
Die Union stellt ihren Landtagswahlkampf ganz auf den Ministerpräsidenten ab. Die Plakate zeigen eine schöne thüringische Landschaft mit dem Ministerpräsidenten und seiner Frau Katharina. Unter allen Umständen will Althaus die absolute Mehrheit der Union verteidigen, was auch eine gute Voraussetzung für die bereits am 27. Juni stattfindende Kommunalwahl im Freistaat wäre.
Doch nicht nur CDU, PDS und SPD treten im Kampf um die insgesamt 88 Sitze im Thüringischen Landtag, dem die frühere Pfarrerin Christine Lieberknecht (CDU) vorsteht. an. Insgesamt sind 14 Parteien zugelassen, die in den Landtag einziehen wollen. Darunter sind auch einige neue Namen wie Freie Wähler, Bürgerliche Soziale Union oder Ost-Deutsche Alternative für Deutschland (ODAD). Chancen werden ihnen keine eingeräumt. Das gilt auch für die anderen Parteien wie Graue oder KPD.
Chancen rechnet sich freilich die FDP unter ihrem Spitzenkandidaten Uwe Barth, einem 40-jährigen Physiker, aus. Sie gehörten lediglich nach der ersten Landtagswahl 1990 dem Parlament des Freistaates an und scheiterten seitdem immer wieder an der Fünf-Prozent-Hürde. Auch die Grünen, die 1999 knapp zwei Prozent der Wählerstimme für sich verbuchen konnten, möchten gern dem neuen Thüringer Landtag angehören. Sie haben die Pädagogin Astrid Rothe zur Spitzenkandidatin gewählt.
Folgt man den ziemlich stabilen Umfragen der vergangenen Monate, dann haben lediglich CDU, PDS und SPD die Sicherheit, wieder in den Landtag einzuziehen. Die anderen elf zugelassenen Parteien dürften wiederum keine echte Chance haben. Darum ist die zentrale Frage, ob die CDU ihre absolute Mehrheit verteidigen kann oder nicht. Die wichtigsten Themen im gegenwärtig auf Hochtouren laufenden Wahlkampf sind Wirtschaft, Bildung und Wasser/Abwässer.
Bei letzteren geht es um die hohen Verluste der thüringischen Wasserversorgungsbetriebe. Diese sollten durch ein neues Gesetz mit neuer Gebührenordnung ersetzt werden. Ein Sturm der Entrüstung entlud sich gegen das Regierungsvorhaben. Deshalb ist es von Ministerpräsident Althaus zunächst einmal zurückgestellt worden. Die SPD fordert auch weiterhin bezahlbares Wasser. Die FDP setzt sich für eine Sonderwirtschaftszone ein, die Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen zu einem "zukunftsfähigen Wirtschaftsforum" machen sollen.
Das letzte Wort haben die 2,4 Millionen Thüringer, von denen 1,97 Millionen wahlberechtigt sind (darunter 95.000 Erstwähler). Sorgen bereitet allen demokratischen Parteien, dass statistisch gesehen jeden Tag 53 Menschen das Land verlassen, weil sie in ihm wegen der hohen Arbeitslosigkeit keine Zukunftschancen mehr sehen.
Ein Reizthema im Wahlkampf ist die Frage nach der Zukunft der Schule. PDS, SPD, aber auch andere wollen die bislang vierjährige Grundschule durch eine achtjährige Regelschule ersetzen. Erst im Anschluss daran können sich die jungen Menschen für Realschule oder Gymnasium entscheiden. Dazu sagt die CDU in ihrem Wahlprogramm "Der Thüringer Weg" eindeutig Nein. Sie will es bei der bisherigen vierjährigen Grundschule belassen. Die CDU will im Fall der erneuten Regierungsbildung in einem Familiengesetz alle familienpolitischen Leistungen des Landes zusammenfassen und die Neuverschuldung senken. Nach den jüngsten Umfragen haben die rechts- und linksextremistischen Parteien keine Chance, in den Landtag einzuziehen.