Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 51 - 52 / 19.12.2005
Zur Druckversion .

Auszüge aus der Rede von Lothar Bisky

Dokumentation

"(...) die entscheidende Aufgabe der Linkspartei. PDS, der WASG und der künftigen Partei ist der eigenständige Beitrag für das Zustandekommen einer demokratischen Alternative gegen die neoliberale Zerstörung des sozialen Zusammenhalts. Es geht um lebensnahe Politik für eine Welt, in der soziale und politische Rechte verwirklicht und Konflikte friedlich gelöst werden. (...) Wir wissen: Eine andere Welt ist möglich! Menschenwürde und Freiheit buchstabieren sich nur als Antwort auf die soziale Frage. Ansonsten geraten sie immer nur zum Privileg der Wenigen gegen die Vielen. Die Praxistauglichkeit unserer Alternativen hängt von Antworten auf viele Fragen ab: Wie werden sich die Kräfteverhältnisse in Deutschland, in der Europäischen Union und in der Welt verändern? Werden Finanzmärkte weiterhin Entscheidungen über das Leben der Menschen, über die Entwicklung des Südens, über den Raubbau an der Natur treffen? Oder aber: Werden die Gewerkschaften konsequent national und auch international handeln? Schaffen die neuen sozialen Bewegungen, kritische Wissenschaften und Arbeitslosenverbände, Künstlerinnen und opensource-Netzwerker, Jugendliche und Fraueninitiativen eine breite Allianz gegen den neoliberalen Wahnsinn? Als Partei werden wir mit eigenen Politikangeboten in diese Auseinandersetzungen eingreifen. Auch wenn es scheint, als ob die europäische Dienstleistungsrichtlinie kaum noch aufzuhalten ist, wir werden in einer Kampagne dagegen zusammenrücken und wir werden sie als Mitglieder in der EL führen.

(...) Die sozial Ausgegrenzten dieser Gesellschaft, Millionen Menschen in prekärer Beschäftigung, das sind vor allem viele Frauen - sie sollen wissen: Die Linkspartei wagt die Freiheit, sich politisch für und mit den sozial Benachteiligten zu engagieren: für den ALG II-Empfänger, für die kleine Unternehmerin und den Handwerker, für alle, die am Rande des Existenzminimums leben. Wir wissen um die großen sozialen Umschichtungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die völlig veränderten Erwerbsbiografien. Mit der Informations- und Kommunikationsindustrie wuchs die prekäre Beschäftigung. Angesichts wachsender Armut und angesichts wachsenden Reichtums werden wir die neoliberalen Ammenmärchen widerlegen und realistische Alternativen vorlegen. Unsere politischen Gegner fürchten keine radikalisierte Linke. Sie fürchten eine demokratische Linke, und das zu Recht!

(...) Es gibt in Deutschland - das haben die Wahlen gezeigt - strukturell eine linke Mehrheit, zumindest links von den Konservativen. Das war eine Botschaft des 18. September. Deshalb, liebe Genossinnen und Genossen, sehe ich auch die Verantwortung, dass daraus eine politisch handlungsfähige linke Mehrheit wird. Wir sind für eine konsequente Opposition zu den Bundestagwahlen angetreten. Dafür sind wir gewählt worden und dafür werden wir auch kämpfen. Das kann aber nicht heißen, dass wir zu allen Zeiten und unter allen Bedingungen gewillt sind, die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse einer bisweilen sozialdemokratisch gemäßigten CDU zu überlassen. Man kann sich ruhig Folgendes vergegenwärtigen: Beinahe 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler der Linkspartei fanden die Situation, dass die Linkspartei im Koalitionspoker von Ampel bis Schwampel gar nicht vorkam als ungute Situation. Viele erwarten von uns - nicht jetzt, aber grundlegend einen Gestaltungsanspruch, egal für wie schwierig wir das selbst halten. Wir müssen jetzt auf die Entwick-lung der SPD und der Grünen schauen. Regierungsbeteiligung an sich hat keinen Wert, da haben wir gemeinsame Auffassungen. Unsere Handlungsfelder liegen zugleich in der Unterstützung des demokratischen Protestes und in Alternativen, die über den Kapitalismus hinausweisen. Doch eine breite demokratische Linke kann auf den Gestaltungsanspruch nicht verzichten. Als Partei sind wir zugleich auf außerparlamentarischen Druck angewiesen, damit unsere Politikangebote gesellschaftlich dicht verwurzelt sind.

(...) In der WASG und auch bei uns gibt es Ablehnung gegenüber den Regierungsbeteiligungen im Land Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Doch diese politische Option, liebe Freunde, steht auch für 3-Euro-Kulturtickets, für Erfolge im öffentlichen Beschäftigungssektor und in der Umweltpolitik. Sie versucht, Stoppzeichen gegen blinde Privatisierungspolitik zu setzen und sie steht dafür, Massenumzüge von Hartz-IV-Empfängern zu verhindern. Das sollten wir bei aller Kritik nicht einfach über den Haufen werfen, nur weil Mitregieren schwierig ist und schwierig bleibt!"


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.