Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 11 / 08.03.2004
Ines Gollnick

Experten für das Management der Abrüstung

Zehn Jahre BICC: Globaler Marktführer in Konversionsforschung

Da das BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) durch seine ?effiziente Forschungs-, Beratungs und Vermittlungsarbeit' mit vergleichsweise geringen Kosten einen ?beachtenswerten Nutzen für die Zivilisierung, Entwicklung und den Frieden in vielen Krisenregionen der Welt' bringt, sollte das BICC auch in Zukunft die bisherige politische, finanzielle und mediale Unterstützung erhalten", lautet das Fazit des zweiten Evaluierungsberichtes innerhalb von zehn Jahren. Der Friedensforscher Wolfgang Vogt (Führungsakademie in Hamburg/Philipps-Universität Marburg), Vorsitzender der Evaluierungskommission, bescheinigte dem BICC eine Ausnahmestellung im Vergleich zu anderen Instituten unter anderem in Skandinavien oder den USA, weil es in gelungener Weise Forschung, Beratung und Unterrichtung der Öffentlichkeit miteinander verbindet. "Das BICC ist ein unverzichtbarer Ideengeber, fundiertes Wissenszentrum, anerkannter Servicepool und allseits geschätzter Leistungsträger im Dienste einer präventiven Gewaltbewältigung, einer konstruktiven Konfliktregelung und einer nachhaltigen Friedensgestaltung", würdigt der Evaluierungsbericht die Arbeit der Einrichtung.

Wie können acht Millionen Beschäftigte der Rüstungsindustrie, die ihre Jobs verloren haben, zivile Beschäftigung finden? Werden alle Soldaten und Kämpfer eine Zukunft in der zivilen Gesellschaft haben? Welche Schritte stehen an, wenn Kommunen plötzlich riesige Liegenschaften, zum Beispiel ehemalige Kasernen, schließen müssen? Geht es um diese Fragen, spricht man von Konversion und meint damit die Umwandlung militärischer Ressourcen in eine zivile Nutzung.

Um Antworten auf diese Fragen zu finden und den Prozess der Konversion weltweit mit voranzutreiben, gründete sich vor zehn Jahren das Bonner International Center for Conversation, kurz BICC genannt. Es versteht sich als Informationsvermittler auf dem noch recht jungen Politikfeld Konversion, erarbeitet praxisorientierte Forschungsberichte und bietet Beratung und praktische Hilfe an. Wissenschaftler und Praktiker in staatlichen und nicht-staatlichen Institutionen, greifen auf das Angebot des Zentrums zurück. Es wurde 1994 mit großer Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalens gegründet und verfügt heute über gut 40 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Der jährliche Etat beläuft sich auf rund 2,3 Millionen Euro.

Das Zentrum will mit seiner Arbeit nicht allein die Fachöffentlichkeit erreichen, sondern viele mitnehmen und ansprechen. Abgeordnete, politisch Interessierte und die Medien sollen für Themen sensibilisiert werden. Das gelingt beispielsweise aktuell mit der Ausstellung "Kleinwaffen - eine weltweite Bedrohung", die in diesem Jahr durch Deutschland tourt. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt mit UNICEF, war gerade mehrere Wochen im Deutschen Bundestag zu sehen und wird Ende April im Bonner Wissenschaftszentrum erneut präsentiert. Ihr Anliegen ist es, auf die dramatischen Auswirkungen des ungebremsten Handels mit Kleinwaffen wie Pistolen, Sturm- und Maschinengewehre aufmerksam zu machen. Das Thema Kleinwaffen ist eines der wichtigen Projekte des BICC, denn rund 640 Millionen solcher Waffen bedrohen weltweit die Sicherheit der Menschen, sei es am Horn von Afrika, in Albanien und Mazedonien, Afghanistan und Irak. Das BICC arbeitete bereits an Abrüstungs- und Einsammlungsprogrammen vor Ort mit. Für das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit und in Kooperation mit den Vereinten Nationen wird das Zentrum in den nächsten Jahren Aus- und Weiterbildungsprogramme entwickeln.

Grauzone zwischen Krieg und Frieden

Eine weitere Herausforderung sieht das BICC in Projekten zur Reform der Sicherheit. Wie Sicherheitskräfte qualifiziert und die Zivilgesellschaft gestärkt werden können, untersucht das BICC beispielsweise in Afghanistan. Das Land steht stellvertretend für viele Staaten, die sich in dieser Grauzone zwischen Krieg und Frieden befinden. Der schleichende und offene Staatszerfall birgt enorme Probleme, denen entgegengesteuert werden muss.

Das BICC konzentriert sich außerdem auf Projekte zur Ökonomie von Kriegen und geht der Frage auf den Grund: Welche Rolle spielen externe wirtschaftliche Akteure bei der Entstehung, Weiterverbreitung und Beendigung der überwiegend ökonomisch motivierten, bewaffneten Konflikte in Afrika.

Studien mit dem Genfer Abrüstungszentrum beschäftigen sich mit der zivilen Eingliederung von Ex-Kombattanten im Baltikum und verschiedenen osteuropäischen Staaten. Und durch die Zusammenarbeit mit europäischen Hochschulen wird die Entwicklung der europäischen Sicherheitspolitik analysiert.

"Obwohl erst zehn Jahre alt, ist das BICC - gegründet als ?Endprodukt des Kalten Krieges' - mit seinen Aufgaben gewachsen", erläuterte Peter Croll, Geschäftsführer des BICC. Er unterstrich bei der Vorstellung des Evaluierungsberichts: "Das BICC hat schon im Evaluationszeitraum begonnen, eine strategische Neuausrichtung einzuleiten. Es ist und bleibt unser Ziel, die anwendungsorientierten Forschungs- und Beratungsschwerpunkte systematisch den sich ändernden Rahmenbedingungen anzupassen und weiterzuentwickeln." BICC ist 2004 Partner der Bundesstadt Bonn. Diese Initiative ergreift die Stadt jedes Jahr, um sowohl der Institution mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, als auch das Netzwerk wichtiger internationaler Einrichtungen in Bonn nach außen zu tragen. Das BICC wird in der Stadt verschiedene Foren erhalten, so beim Tag der offenen Tür im Rathaus, beim internationalen Begegnungsfest und beim traditionellen UNO-Gespräch, an dem auch Bürger und Bürgerinnen teilnehmen können.

Während das BICC anfangs Kommunen in Deutschland bei der Konversion von Liegenschaften beriet und im Auftrag von Bundesministerien und internationalen Institutionen wie der EU oder der NATO Abrüstungsschritte erforschte und dokumentierte, sind mittlerweile neue Herausforderungen hinzugekommen, die eine "präventive", also eine vorsorgende Konversion nötig macht. Afghanistan, Irak, Angola, Ruanda, Kolumbien: In den vergangenen Jahren ist die Zahl der bewaffneten Konflikte und Kriege gewachsen. Durch gewaltsame Auseinandersetzungen werden Entwick-lungsanstrengungen zunichte gemacht und die menschliche Sicherheit bedroht. Dringend erforderlich werden deshalb vorsorgende Mechanismen zur Konfliktbewältigung. Wie ist die "Ökonomie" von Konflikten, welche Rolle spielt die Verteilung natürlicher Ressourcen wie Wasser. Wer sind die Profiteure? Heute sucht das BICC nach Antworten auf diese Fragen. "Ohne präventive Konversion keine Sicherheit, ohne Sicherheit keine Entwicklung. Konversion ist stärker denn je gefordert, um ein höheres Maß an menschlicher Sicherheit zu erreichen", zieht Croll das Fazit.

Die Devise des Hauses heißt übrigens "streng öffentlich" zu arbeiten. Das heißt, die Institution wird sich nicht nur gemeinsam mit der Stadt Bonn präsentieren, sondern selber zu einem Tag der offenen Tür einladen. Eine große internationale Konferenz und ein Festakt mit dem Bundespräsidenten stehen Anfang April im Haus der Geschichte an. Daneben eine Fülle weiterer Veranstaltungen, unter anderem eine Konferenz, die dem Thema "Grenzüberschreitende Gewässer - Potenziale für Frieden?" nachgeht.

Ein Blick auf die tägliche aktuelle internationale Nachrichtenlage unterstreicht, dass das Gewinnen von Kriegen kein Garant für Frieden und Sicherheit ist - im Gegenteil. So verwundert es nicht, dass die Experten des BICC im Jahrbuch "Conversation Survey 2003" argumentieren, dass weltweite Sicherheit nicht durch militärische Schlachten gewonnen werden kann. Stattdessen müsse die nachhaltige Förderung von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung mit der Verbesserung der Sicherheit für alle Menschen verbunden werden. Deswegen steht das BICC für das Konzept der "menschlichen Sicherheit" gegen eine einseitige Strategie militärischer Aufrüstung und Kriegführung. Im Mai erscheint das nächste Jahrbuch. Und es bleibt zu befürchten, dass es wieder wie 2003 heißen wird: "Die Aufwendungen für militärische Zwecke stiegen deutlich an. Trotzdem nahm weltweit das Gefühl von Unsicherheit zu."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.