Er ist ein ruhiger und verbindlicher Zeitgenosse, der seit über 20 Jahren in der FDP zuhause ist. Seit September 2002 ist Andreas Pinkwart nicht mehr nur Universitätsprofessor für Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Siegen, sondern er muss sich seit September 2002 auch als Parlamentsneuling bewähren. Der gelernte Bankkaufmann und diplomierte Volkswirt kümmert sich schon seit Mitte der 90er-Jahre um Finanz- und Steuerpolitik.
Doch so ist das mit Menschen wie Andreas Pinkwart in einer auf Extreme und Schwarz-Weiß-Bilder fixierte Medienwelt: In der Öffentlichkeit werden sie nicht so wahrgenommen. Pinkwart zieht die Sachlichkeit der Show vor und die kollegiale Zusammenarbeit der individuellen Profilierung. Doch damit kann Pinkwart, der Anfang der 90er-Jahre das Büro des damaligen FDP-Fraktionsvorsitzenden Hermann Otto Solms leitete, gut leben. Spätestens seit dem Parteitag der nordrhein-westfälischen FDP im Dezember 2002, auf dem der Bruch mit der Ära Möllemann vollzogen wurde, und auf dem er spontan seinen Hut für den Vorsitz in den Ring warf und erfolgreich war, ist Pinkwart dabei, ein stärkeres Profil zu gewinnen. Er drängle nicht, sagt der Rheinländer aus Seelscheidt. Für ihn sei nicht die Übernahme des Amtes entscheidend gewesen, sondern die Frage, wer das jetzt am besten machen könne. Pinkwart ist auch stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei und leitet die nordrhein-westfälische Landesgruppe innerhalb der Bundestagsfraktion, die größte von allen. Soviel Einfluss haben "Novizen" im Bundestag sonst nicht.
"Obwohl wir natürlich als Opposition nur begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten haben, macht mir die Arbeit im Finanzausschuss große Freude", sagt er. "Ich merke, dass dort ein fundiertes Argument Gehör findet, auch bei der Regierung und den anderen Fraktionen. Dort herrscht eine sehr kollegiale Zusammenarbeit, neben aller Parteilichkeit, die dabei sein muss", stellt er fest. Seine Erwartungen an das Mandat hätten sich erfüllt, aber natürlich sei man nie ganz mit allem zufrieden. "Darin liegt auch ein innerer Antrieb, es noch besser zu machen."
Sich selbst sieht der 43-Jährige als einen Mann des Ausgleichs. "In einigen Fragen habe ich eine klare politische Haltung, da streite ich dann auch gern", sagt er. Dass er den Streit nicht scheut, bewies er, als er sich gegen die Aufnahme des umstrittenen Exgrünen Jamal Karsli in die nordrhein-westfälische FDP-Fraktion aussprach und während der Antisemitismusdebatte 2002, die mit dem Flyer von Jürgen Möllemann ihren Höhepunkt erlebte. "Für mich war in der ganzen Phase der Auseinandersetzung die politische Motivation das Entscheidende", unterstreicht Pinkwart. Es ging darum, mindestens als Partei klar zu machen, dass in keiner Weise zugelassen werden dürfe, dass aus den Reihen der FDP Äußerungen so verstanden werden könnten. "Es kann ja wohl nicht sein, dass gerade von einer liberalen Partei Assoziationen dieser Art geweckt werden können."
"Natürlich ist Politik immer schwierig, auch im Tagesgeschehen. Wenn man merkt, dass man sich für die Grundsätze der Politik, die einen selbst leiten, einsetzen kann und man damit auch erfolgreich ist und immer wieder Mehrheiten gewinnen kann, ist das eine große Befriedigung." Und wenn man das mit offenem Visier mache vor der Bundespartei und nicht hintenrum, dann sei das eine Bestätigung dafür, dass man aus der Unabhängigkeit heraus auch Positionen verteidigen könne.
Diese Unabhängigkeit ist Pinkwart sehr wichtig. Deshalb hält er auch weiter Vorlesungen und forscht unter anderem zur Mittelstandsökonomie. Politik sei für ihn immer ein Ehrenamt gewesen, auch wenn sich seit der Übernahme des Bundestagsmandates die zeitliche Beanspruchung für den zweifachen Vater zu Lasten der wissenschaftlichen Arbeit verschoben habe. Jetzt ist er hauptamtlich in der Politik.
Als erste Fraktion hat die FDP soeben einen Gesetzentwurf zur Vereinfachung des Steuerrechts in den Bundestag eingebracht. Pinkwart hat es maßgeblich mitgeprägt. "Wir brauchen noch mehr Mut, deutlich zu machen, dass es nicht auf die nominalen Steuersätze ankommt, auf die Höhe, sondern darauf, was der Einzelne unterm Strich bezahlt." Auf die Frage, warum es in Deutschland so schwierig sei, Innovationen im Bereich der Steuern einzuführen, holt Pinkwart weit aus, wird ganz der Analytiker. Da kämpfe man gegen eine über Jahrzehnte tradierte Mentalität, gegen eine ideologisch unterlegte Neiddebatte.
"Ich gehöre zu denen, die nicht nur schwarz-weiß denken und argumentieren, sondern auch in Zwischentönen und auch die relativen Postionen herausarbeiten möchten", unterstreicht er. Deshalb bedauert er es, dass die Redezeit im Plenum immer so kurz ist. Als Professor tue er sich gelegentlich sehr schwer damit, zu verkürzen, weil er wisse, was er gedanklich abschneide. Er lerne immer noch, in kurzen Zeiträumen verständliche Botschaften zu vermitteln. Gelegentlich wünsche er sich da mehr "Bewegungsfreiheit", damit in einer Rede der Faden erkennbar bleibt und die Fakten komprimiert und umfassend präsentiert werden können.Diesen "Auslauf" hat er nur am universitären Stehpult, seiner zweiten Bühne. Was Pinkwart vor allem auffällt: "Man muss als Professor und Politiker mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten operieren können. Das ist reizvoll." Als Mandatsträger sieht er sich nicht als "Angestellter der BRD", sondern als "frei gewählter Abgeordneter, der dort mit seiner Persönlichkeit steht. Deswegen halte ich auch wenig davon, dass Abgeordnete meinen, irgendwo Rechenschaft ablegen oder sich völlig transparent machen zu müssen. Sie müssen glaubwürdig sein in ihrem Handeln. Das ist das Entscheidende."