Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 14 / 29.03.2004
Claudia Heine

Gute Männer für wenig Geld

Damals...vor 35 Jahren am 1. April 1969: Bundestagsabgeordnete erhalten die Möglichkeit, Mitarbeiter einzustellen

Reformen sorgen nicht erst seit der Agenda 2010 für Ängste und Unruhe. Medienberichten zufolge grassierte im Jahr 1969 das Gespenst von der "Fraktion der Assistenten" durch das Bundeshaus. Von einem "Schattenparlament" war die Rede, einer neuen Lobbygruppe, die die Arbeit der Bundestagsabgeordneten gefährlich zu beeinflussen drohe. Was war geschehen?

Ab 1. April 1969 hatten alle Abgeordneten die Möglichkeit bekommen, für 1.500 Mark im Monat einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zu beschäftigen. Was eigentlich zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit gedacht war, sorgte zunächst innerhalb und außerhalb des Bundestages für Diskussionsstoff. Ausgiebig debattierte die Öffentlichkeit darüber, wer für so wenig Geld arbeiten möchte und ob es überhaupt möglich sei, "einen guten Mann" damit zu bezahlen. Fachleute befürchteten, die meisten Abgeordneten wüssten nicht, wie sie ihre Assistenten sinnvoll einzusetzen hätten.

Eine Sorge, die die Mehrheit der Volksvertreter natürlich nicht teilte. Besonders die Bundestags-Neulinge auf den hinteren Rängen zeigten sich zufrieden, war doch mit dieser Regelung die "Dreiklassengesellschaft" innerhalb des Parlaments abgeschafft. Bisher verfügten lediglich die "Fraktionsprominenz", die Präsidiumsmitglieder und Ausschussvorsitzenden des Bundestages über einen eigenen, vom Staat finanzierten Mitarbeiterstab. Zu den Privilegierten zählten außerdem jene Abgeordnete, die als hauptamtliche Funktionäre einen starken Verband im Rücken hatten, der ihnen Personal zur Verfügung stellte. Und wer privat über entsprechende finanziellen Ressourcen verfügte, konnte sich Mitarbeiter auch auf diesem Wege leisten. Die Mehrheit der "normalen" Abgeordneten dagegen teilte sich bis dahin die etwa 40 Schreibkräfte der Kanzlei des Bundestages.

Lange waren Veränderungen des Parlamentsrechts eher Stückwerk geblieben. Die so genannte "Kleine Parlamentsreform" von 1969 - zu der auch die Mitarbeiterpauschale gehörte - war von daher eigentlich eine große, weil die erste einschneidende Reform. Instrumente wie die fakultative Ausschussöffentlichkeit und Enquete-Kommissionen wurden geschaffen; der Ältestenrat wurde als Lenkungsorgan des Bundestages eingerichtet; die wissenschaftlichen Dienste der Bundestagsverwaltung und deren Öffentlichkeitsarbeit wurden erweitert.

Das Schlagwort von der "Parlamentsreform" machte zwar schon seit einigen Jahren immer mal wieder die Runde. Aber so deutlich wie der Präsident des 5. Deutschen Bundestages, Kai-Uwe von Hassel (CDU/CSU), erklärte sie vor ihm noch niemand zu seinem Anliegen. Bereits während seiner Antrittsrede am 5. Februar 1969 (sein Vorgänger Eugen Gerstenmaier hatte im Januar das Amt niedergelegt) ließ er daran keinen Zweifel. Er sprach von den Schwierigkeiten, die parlamentarische Arbeit in der Bevölkerung ausreichend zu vermitteln, und forderte von den Anwesenden, dafür zu sorgen, dass "unsere Entscheidungen und unsere Argumente verständlich werden". "Draußen" im Land - und offenbar nicht nur dort - sorgte gerade die "Außerparlamentarische Opposition" für Unruhe.

Es ging zwar nicht nur ums Geld, als der Bundestag am 27. März 1969 über seinen Finanzetat für das laufende Jahr beriet (dieser sah 4 Millionen Mark für die Bezahlung der neuen Abgeordneten-Mitarbeiter vor). Denn mit der Frage der finanziellen Ausstattung wurde auch über die grundsätzliche Funktion und Arbeitweise des Parlaments leidenschaftlich debattiert.

Aber letztlich spielten die Kosten der geplanten Reformen doch die Hauptrolle, vor allem wegen des öffentlichen Interesses. Wilhelm Rabe (CDU/CSU) verteidigte die Pläne damit, "dass zu einer vernünftigen Parlamentsreform auch gehört, dass den Abgeordneten ordentliche Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden". Sein Fraktionskollege Manfred Wörner betonte ebenfalls die Notwendigkeit, "die Parlamentsarbeit zu rationalisieren" und sprach von einem "Strukturproblem der Spezialisierung": Der einzelne Abgeordnete könne aus eigener Sachkenntnis die Fülle dessen nicht mehr übersehen, was er täglich zu entscheiden und zu verantworten hätte.

Auch der FDP-Abgeordnete Erich Mende verteidigte die Pläne gegen Vorwürfe der Kostenexplosion: "Denn in der Tat redet draußen keiner über seine eigenen Bezüge. Nur wir Parlamentarier müssen uns ausziehen bis zum letzten Hemd, damit andere ihre Presseauflage steigern können." Claudia Heine


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