Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 38 / 13.09.2004
Astrid Pawassar

Probleme mit der Pressefreiheit

Sachsen: PDS-Spitzenkandidat im Streit mit den Regionalzeitungen

Sachsens PDS-Spitzenkandidat für die bevorstehende Landtagswahl, Peter Porsch, hat sich heillos mit der Presse zerstritten. Porsch hatte fünf Regionalzeitungen per Einstweiliger Verfügung untersagt, über die Behauptung der Birthler-Behörde zu berichten, er sei Informeller Mitarbeiter der Stasi gewesen. Unter Bezug auf die neue Aktenlage hat Sachsens Wissenschaftsminister dem Germanistik-Professor an der Leipziger Universität fristlos gekündigt.

Zwei Wochen hat der Kandidat gebraucht, um zu begreifen, dass es besser ist, allmählich zurückzurudern. Er habe in dieser Sache "nicht alles richtig gemacht", meinte Peter Porsch, der auch Vorsitzender der PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag ist. Aber so richtig versteht er die Aufregung der versammelten sächsischen Presse nicht. Schließlich habe er sich doch gegen Unterstellungen gewehrt und dabei die Mittel des Rechtsstaates genutzt. Immerhin soll es nun ein Ende haben mit den Klageandrohungen und Einstweiligen Verfügungen gegen Journalisten, die aus Akten der Birthler-Behörde zitieren.

Die hatten wissbegierig eine Enthüllung des Magazins "Focus" aufgenommen und weiterverfolgt. Ein IM "Christoph" hat der Stasi 1984 über eine Lesung der Schriftstellerin Christa Moog Bericht erstattet. Die Lesung fand in der Leipziger Wohnung der damaligen Lebensgefährtin und heutigen Ehefrau von Peter Porsch statt. "Nach der Lesung bat ich XXX (Name geschwärzt) so etwas nicht mehr zu organisieren, weil ... wir uns selbst durch eine solche Einladung strafbar machen können", heißt es in einem Dokument, aus dem die "Leipziger Volkszeitung" zitierte. Ein Jahr später hat "Christoph" der Stasi über seine erfolgreiche Kontaktaufnahme zu dem westdeutschen Journalisten Karl Corino berichtet: "Ich ging hinter ihm her und klopfte ihm auf die Schulter und sagte, dass ich ihn doch einmal ansprechen müsste, er war doch im Vorjahr bei uns in der Wohnung zu einer Lesung gewesen." Marianne Birthler hegt keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Genannten um Peter Porsch handelt.

Ihrer Behörde liegt ein Telegramm der Leipziger Stasi an die HVA XII vor, in dem es heißt: "Dr. Porsch Peter, geb. am 15.10.1944 ... erfasst für Ihre Abteilung ... Inoffiziell wurde bekannt, dass in der Wohnung des Genannten am 10.3.1984 eine Lesung feindlich-negativer Schriftsteller geplant ist ... Sollte die Möglichkeit einer operativen Nutzung des P. bestehen, bitten wir um Rücksprache mit Gen. Oltn. Opelt ..." Jener Stasi-Mann hat inzwischen bestätigt, dass er sich im Frühjahr 1984 mit Porsch getroffen hat. Opelts Treffberichte finden sich in den Akten der Birthler-Behörde wieder. Darin sollen auch Informationen über eine DDR-kritische Äußerung des Schriftstellers Lutz Rathenow bei jener Lesung in Leipzig enthalten sein.

Peter Porsch behauptet, nie wissentlich mit der Stasi zusammengearbeitet zu haben. Er habe mit Leuten gesprochen, die sich als Kripo-Beamte vorgestellt hätten. Als Befürworter des DDR-Regimes habe er gegen diese Gesprächspartner keinen Argwohn gehegt. Möglicherweise sei er also "abgeschöpft" worden. Der gebürtige Österreicher lebte seit 1968 in Berlin und siedelte 1973 nach Leipzig über - als überzeugter Kommunist und "der Liebe wegen", wie er stets betont. Im Sächsischen Landtag glänzte er durchweg mit launigen, rhetorisch geschliffenen Reden; der Wahlkampf der PDS in Sachsen ist ganz auf seine Person zugeschnitten. Die PDS-Kreisverbände und der PDS-Parteirat stellten sich demonstrativ hinter ihren Kandidaten. In Presseerklärungen prangern sie die "unerträgliche Inszenierung" eines angeblichen "Stasi-Skandals" an und werten die Berichterstattung darüber als Versuch, vom Hauptwahlkampfthema der PDS, den Auswirkungen der Hartz IV-Gesetze, abzulenken.

Allerdings hat die mangelnde Gelassenheit des Spitzenkandidaten im Umgang mit der Presse inzwischen Auswirkungen gezeigt, die manchem Genossen Unbehagen verursachen. Hatte die PDS bei Wählerumfragen im Juli noch mit 27 Prozentpunkten geglänzt, so rutschte sie Anfang September auf 22 Prozent. Von schlechtem Krisenmanagement wurde gemunkelt. Da sollte eine Pressekonferenz zum Wahlprogramm in der vergangenen Woche wohl den Befreiungsschlag bringen. Doch mit seinem Eingeständnis, bei seiner Pressejagd nicht alles richtig gemacht zu haben, wollten die Journalisten Peter Porsch nicht in die Normalität entlassen. Ob er denn jetzt auch die fünf Einstweiligen Verfügungen zurückziehen werde? Nein, so weit wollte er denn doch nicht gehen. Die anhängigen Prozesse würden weitergeführt.

Somit sitzt den Blättern immer noch die Forderung von bis zu 250.000 Euro bei Zuwiderhandlung, sprich: Berichterstattung über den IM-Verdacht, im Nacken. Eine Erklärung dafür, weshalb weder der Münchener "Focus" noch "Leipziger Volkszeitung", die Agenturen und der MDR verklagt wurden, blieb Porsch schuldig. Auch das "Neue Deutschland" blieb im übrigen verschont, weil es angeblich "neutral" berichtet hatte, obwohl selbst dort der Sachverhalt dargestellt worden ist.

Über das Verhalten der sächsischen PDS gegenüber der Presse kann Dieter Soika, Chefredakteur der in Chemnitz erscheinenden "Freien Presse", nur den Kopf schütteln: "So etwas ist mir in 35 Jahren Journalismus noch nicht passiert." Für ihn ergänzt diese Erfahrung das Bild von einer "Superkoalition" der Politiker gegen ihnen unangenehme Berichterstattung. "Wenn wir nicht mehr aus Akten der Birthler-Behörde zitieren dürfen, müssen wir uns nicht wundern, wenn die NPD demnächst fordert, dass wir auch nicht mehr aus Verfassungsschutzberichten zitieren."

Mit der erneuten Ankündigung, nun wolle er die Birthler-Behörde tatsächlich verklagen und außerdem den sächsischen Wissenschaftsminister, der dem Professor nach einem einstimmigen Votum der zehnköpfigen Personalkommission der Uni Leipzig die Entlassungspapiere geschickt hatte, gelang es Porsch nicht, die Presse umzustimmen. Die von ihm inkriminierten Journalisten verließen die Pressekonferenz, ohne dem Wahlprogramm der PDS weitere Beachtung zu schenken. Astrid Pawassar


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