Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004
Interview mit Peter Lewandowski

Entscheidender Vorteil: Prinzessinnen sind Prominente auf Lebenszeit

Interview mit Peter Lewandowski, dem Chefredakteur der People-Zeitschrift "Gala" über das Interesse am Klatsch aus den Königshäusern
Peter Lewandowski ist seit 2002 Chefredakteur der Illustrierten "Gala", die mit einer Auflage von rund 360.000 Exemplaren wöchentlich über Stars, Prominente und Blaublütler berichtet.

Das Parlament: Wer ist Ihr Lieblingsmonarch?

Peter Lewandowski: Der spanische König.

Das Parlament: Warum?

Peter Lewandowski: Weil er sich auf ungewöhnliche Art und Weise in seiner Rolle als König emanzipiert hat, weil er sie sehr politisch begriffen hat und weil er in der Vergangenheit für Spanien die Demokratie gerettet hat.

Das Parlament: Ihr Blatt berichtet über Prominente. Wieviel Platz wird dabei Königshäusern eingeräumt?

Peter Lewandowski: Etwa 20 bis 25 Prozent, mit leicht steigender Tendenz. Der Grund: Lange hat man die Berichterstattung über die Royals mit altbacken und vermufft gleichgesetzt. Aber dadurch, dass neue - bürgerliche - Figuren ins Spiel gekommen sind, haben sich auch die Geschichten verändert und dadurch einen neuen Stellenwert bekommen.

Das Parlament: Wer liest die Berichte vom Hofe? Sind das nur ältere Damen auf der Suche nach dem perfekten Schwiegersohn?

Peter Lewandowski: Laut unserer begleitenden Marktforschung werden diese Artikel vor allem von jungen Frauen gelesen. Es geht ja oft auch um junge Frauen aus den Königshäusern, etwa Mette-Marit in Norwegen, Maxima in den Niederlanden, Letizia in Spanien. Diese Prinzessinnen schreiben auf den ersten Blick ein Stück modernes Märchen: Aschenputtel lernt Märchenprinzen kennen mit allen schönen Folgen. Aber sie bringen auch einen Schuss Frische rein, weil sie ein neues, modernes Frauenbild verkörpern. Die Leser möchten wissen, wie sich diese Damen kleiden, welche Gewohnheiten sie haben, wo sie herkommen. Letizia ist in Spanien innerhalb von zwei Monaten zur Stilikone geworden: Die jungen Spanierinnen möchten so herumlaufen wie sie. Diese jungen Frauen setzen Trends.

Das Parlament: Den Leserinnen geht es also nicht mehr so sehr um die Sehnsucht nach einer heilen Märchenwelt, sondern sie sehen die Prinzessinnen als Vorbilder, denen man nacheifert und mit denen man sogar - in gewisser Hinsicht - gleichziehen kann?

Peter Lewandowski: Früher hat man gesagt: Denen - den Blaublütigen - geht es ja auch nicht besser; deswegen ergötze ich mich daran. Diese Klatsch-Berichterstattung, also der Blick durch's Schlüsselloch mit einer Fokussierung auf negative Nachrichten, das machen zwar noch viele Blätter, aber mit sinkendem Erfolg. Wir versuchen, die positiven Seiten dieser Welt aufzuzeigen, was Prominente angeht. Das mögen die Leser, denn in schwierigen politischen und sozialen Zeiten hören sie gerne gute Nachrichten. Das sind dann keine Märchengeschichten, sondern es ist die Realität. Da nimmt man auch ein Stück der negativen Geschichten mit, wie etwa Mette-Marits Schwierigkeiten, sich am Hof einzufinden. Aber der Leser ist ganz froh, wenn er mitkriegt, dass die Prinzessinnen das alles ganz gut hinkriegen und ihre Ehe zum Teil auch als Job ansehen. Das ist es nämlich auch: Sich den Leibwächtern und der Etikette zu unterstellen, ist hart. Im Grund aber ist der Dauerbrenner, zu erfahren: Welche Probleme haben die, und wie lösen die das?

Das Parlament: Damit ist ein Teil des Glamours, der die Königshäuser umgab, weg. Die Leser stehen den Prinzessinnen in Augenhöhe gegenüber?

Peter Lewandowski: Das kann man so sehen. Und das ist ja im Grunde auch der Trick eines People-Magazins. Ein Magazin umgibt sich mit der Aura von Glamour und versucht trotzdem im Heft ein Stück auf Augenhöhe der Stars zu sein, oder ihnen zumindest sehr nahe zu kommen.

Das Parlament: Was unterscheidet dann einen König oder seine Tochter noch von einem "normalen" Promi, wie zum Beispiel Boris Becker?

Peter Lewandowski: Normale Promis haben eine größere Fallhöhe. Einer macht fünf schlechte Filme hintereinander, dann ist er weg. Eine Prinzessin ist Prominente auf Lebenszeit. Sie steht unter ständiger Beobachtung, vor allem im eigenen Land.

Das Parlament: Und was ist der Unterschied für die Leser?

Peter Lewandowski: Grundsätzlich erst einmal der, dass man damit rechnet, dass die Königskinder immer wieder auftauchen werden - was sie auch tun durch ihre öffentlichen Auftritte. Die sind viel länger haltbar. Und zweitens, dass viel mehr im zwischenmenschlichen Bereich passiert: erstes, zweites, drittes, viertes Kind, oder auch Scheidung. Zudem gibt es diesen Aha-Effekt im Ausland. Bringen Sie einen Mette-Marit-Titel irgendwo in Europa und alle wissen, worum es geht. Diese Frau ist fester Teil der Prominentenwelt.

Das Parlament: Umgibt die Königshäuser gar keine besondere Aura mehr?

Peter Lewandowski: Die haben sie trotzdem noch. Sie verstehen, mit viel Pomp zu feiern. Wer die beiden Hochzeiten in diesem Jahr gesehen hat - vor allem die dänische, die sehr bürgerlich-familiär, aber trotzdem prunkvoll war - (stockt), ja, da fühlt man schon die romantischen Seiten des Lebens. Wir haben die Hochzeit hier in der Redaktion geschaut - ich habe über 50 Redakteure, zu 80 Prozent Frauen - und ich habe viele viele feuchte Augen gesehen. Und die Kollegen haben bestimmt nicht geweint, weil sie an diesem Nachmittag so viel arbeiten mussten.

Das Parlament: Sie haben viel über positive Meldungen gesprochen. Interessiert sich niemand mehr für die negativen, reißerischen Berichte - etwa jene aus dem britischen Königshaus über schwule Diener -, die fast die Monarchie zum Einsturz bringen?

Peter Lewandowski: Ich persönlich mache diese Geschichten nicht mehr. Ich habe einmal den Versuch unternommen, und das hat sich überhaupt nicht verkauft. Das wollen die Leute gar nicht mehr wissen. Der schwule Diener, das ist eine Geschichte, mit der man sehr stark in die Intimsphäre eindringt - das kann man nicht mit gutem Gewissen machen. Letztendlich hat sich herausgestellt, dass alles erfunden war.

Das Parlament: Wir Deutsche haben seit über 80 Jahren kein Königshaus mehr. Fehlt uns das in emotionaler Hinsicht als Katalysator für gewisse Gefühle?

Peter Lewandowski: Als People-Magazin-Macher müsste ich sagen, ja, es fehlt uns, dann könnte man viel mehr schreiben. Aber wir haben nun mal keins, und es wurde zu Recht abgeschafft durch den Ersten Weltkrieg. Damit wurde eine Tradition gebrochen, die sowieso nicht sehr lang war. Ein Königshaus passt im Grunde auch nicht zu uns.

Das Interview führte Bert Schulz.

Bert Schulz arbeitet als freier Journalist in Berlin.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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