Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004
Claudia Heine

Editorial

Eine Publikation wie "Das Parlament", herausgegeben vom Deutschen Bundestag, widmet eine ganze Ausgabe den Monarchien in Europa? Nein, das ist kein Scherz, sondern absoluter Ernst, denn irgendwas muss ja dran sein am Glanz, den diese Könige und Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen immer noch in aller Welt - und über Europas Grenzen hinaus - verströmen. Einst die vorherrschende Staatsform der Welt, wurde sie, meist unfreiwillig, abgelöst durch demokratische Republiken. Aber Totgesagte leben länger, und so sind die meisten europäischen Bevölkerungen, in denen ein König oder eine Königin als Staatsoberhaupt fungiert, ganz und gar nicht unglücklich darüber. Kein Wunder, könnte man meinen, erfüllt doch dieses meist nur noch repräsentative Funktionen in einem ansonsten demokratischen System (sieht man von den Fürstentümern Liechtenstein und Monaco mit ihren absolutistischen Zügen einmal ab). Als Begründung allein reicht das natürlich nicht aus, denn niemand glänzt nur durch seine Abwesenheit. Das wissen auch die Monarchen, weshalb sie sehr wohl präsent sind, nur eben auf einer anderen Bühne. Ohne die Medien, so formuliert es Barbara Schweizerhof zugespitzt, gäbe es sie vielleicht gar nicht mehr. Sie inszenieren sich und werden inszeniert - ein Kreislauf mit teilweise dramatischen Folgen. Europas Königshäuser: das ist meist das, was wir in der Boulevard-Presse oder unter der Rubrik "Vermischtes" auch in anderen Medien vorgeführt bekommen. Auf den Alltag in Deutschland hat das alles jedoch keinen direkten Einfluss mehr: hier wurde die Monarchie 1918 abgeschafft (wie, das erklärt Martin Kohlrausch in seinem Text), hier konzentriert sich der Streit um verschwendete Steuergelder nicht auf die Finanzierung einer Apanage für einen Königspalast. Worin liegt also die Faszination solcher Berichte? Ist es die Sehnsucht nach einer untergegangenen heilen Welt? Ist es der Vorbildcharakter, den diese Familien vorgeben, zu erfüllen und es dann doch nicht tun? Wie kommt es auf der anderen Seite, dass Dänen, Norweger, Schweden oder Holländer - um einige Beispiele herauszugreifen -, die in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen sehr liberal organisiert sind (Beispiel Sterbehilfe in den Niederlanden), gar nicht daran denken, ihre Monarchie abzuschaffen? Worin besteht für sie, die direkt Betroffenen, der Vorteil? Wofür "lieben" sie ihre Monarchen? Einmal eine Kronprinzenhochzeit live mitzuerleben, wenn auch nur als Zaungast, kann es nicht sein. Was verkörpern die Kronprinzenpaare wirklich hinter ihren luxuriösen Gewändern? Müssen die künftigen Frauen auf dem Thron wirklich nur schön sein, oder sind sie nicht vor allem deshalb beliebt, weil sie sind, wie die meisten: gebildet und beruflich mitten im Leben stehend. Herrscherinnen - die aktuellen Monarchinnen, allen voran Elizabeth II. in Großbritannien beweisen es, - sind keine Seltenheit. Sie hatten jedoch, wie der Beitrag von Pauline Puppel über solche Frauen im Europa der frühen Neuzeit darstellt, mit den gleichen männlichen Vorurteilen zu kämpfen wie ehrgeizige Frauen von heute. Auch wenn die Bilder bunt sind, denn so zeigen sich die modernen Monarchien der Öffentlichkeit, ist es nicht Ziel dieser Themenausgabe, einen Beitrag zum weltweiten Königsklatsch zu liefern. Es geht um den Versuch, ein Phänomen zu analysieren und zu beschreiben, das von vielen als unzeitgemäß empfunden wird, aber anscheinend genug Legitimation besitzt, um zu existieren. Historische Besonderheiten, wie das komplexe Verwandtschaftssystem mit politischer Bedeutung, sollen mit den Beschreibungen der Gegenwart kombiniert werden. Welche gesellschaftliche oder politische Funktion erfüllen die Königshäuser heute tatsächlich? Zahlreiche Auslandskorrespondenten werden davon berichten, aus London, Madrid oder Stockholm.

Die Autorin arbeitet als Journalistin in Berlin.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.