Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 49 / 29.11.2004
Matthias Lohrer

Beraten und verkauft

Die Branche der Berater ist ins Gerede gekommen

Unter "Berater" verstehen die Autoren dieses Buches nicht die klassischen Lobbyisten, sondern die großen Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftskanzleien, also Unternehmen wie Accenture, Roland Berger, McKinsey und andere. Das Buch ist von der Wahrnehmung motiviert, dass diese Unternehmen politische Entscheidungen mittlerweile in erheblichem Umfang beeinflussen. Ihre Rolle wird in der Öffentlichkeit aber kaum erkannt und diskutiert. Diese Lücke will das Buch schließen.

Den Anfang bilden drei Beiträge von "Aussteigern". Hier berichten ehemalige Mitarbeiter von Beratungsgesellschaften über ihre zum Teil haarsträubenden Erfahrungen, die man in einem Wort zusammenfassen kann: Wirtschaftskriminalität. Es geht um den Vertrieb illegaler Steuersparmodelle, Buchungsmanipulationen und die Bereitschaft der Beratungsunternehmen, offensichtlich falsche Darstellungen als richtig zu akzeptieren und zu testieren.

Nach diesem Paukenschlag geht es mit analytischen Beiträgen weiter. Stephan Lindner porträtiert die Entwicklung der neoliberalen Think-Tanks in Deutschland. Werner Rügemer analysiert die Arbeitsweise und Verfilzung der Beratungsunternehmen. Es folgen acht Darstellungen verschiedener Projekte, bei denen öffentliche Einrichtungen mit Beratern zusammengearbeitet haben. Die Projekte stammen aus den Bereichen Bildung und Wissenschaft, Soziales und Kultur, Kommunen, Länderregierungen und Europäische Kommission.

Rügemers Kernkritik an den Beratungsunternehmen lautet: Kommerzielle Beratungsunternehmen sind aufgrund ihres Geschäftsmodells kaum dazu in der Lage, öffentliche Institutionen unabhängig zu beraten. Beratungsunternehmen sind darauf spezialisiert, privaten Unternehmen möglichst hohe Gewinne zu ermöglichen. Sie sind aber keine Experten darin, die Lasten für die Allgemeinheit zu reduzieren. Ein möglicher Weg zur Gewinnmaximierung ist die Steigerung der ökonomischen Effizienz.

Diesen Aspekt heben die Berater gerne hervor, denn davon können auch Verwaltungen profitieren. Aber es gibt auch andere Wege, die viel effektiver sein können. Unternehmen können beispielsweise die Zahlung von Steuern vermeiden oder Lasten auf die Allgemeinheit abwälzen, anstatt sie selbst zu tragen. Das geschieht etwa durch Umweltverschmutzung und Entlassungen. Und da Beratungsunternehmen nicht nur öffentliche Einrichtungen, sondern stets auch private Firmen zu ihrem Kundenkreis zählen, ergeben sich für die Berater ständig Zielkonflikte. Ein Beispiel: Ein Beratungsunternehmen berät eine Kommune, wie sie ihren Abfall beseitigen soll, und andererseits den Hersteller von Müllverbrennungsanlagen, wie er seine Produkte absetzen soll. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Die Kommune erhält den "Rat", doch möglichst gewaltige Müllverbrennungsanlagen zu errichten.

Dort, wo die Verwaltungen sich nichts vormachen lassen, ist es bis zur Entzauberung der vorgeblichen "Experten" häufig nicht mehr weit. So stellt es beispielsweise Peer Pasternack in seinem Beitrag über die Beratung von Hochschulen dar. Ein Berater von Roland Berger Strategy Consultants stellte für die Berliner Hochschulen mögliche Einsparungen in Höhe von 200 Millionen Euro in Aussicht. Überzeugen konnte er dabei aber nicht, denn, so der Autor: "Als Quellengrundlagen der Berechnungen wurden offenbart: Schätzungen des Finanzsenators, Erfahrungen aus anderen Bundesländern und Erinnerungen von Roland-Berger-Mitarbeitern an ihre Studienzeit an der Freien Universität. Hier wurde nun auch methodisch die Differenz zu wissenschaftlicher Analyse überdeutlich."

Das Buch hat einen urdemokratischen und aufklärerischen Anspruch. "Leute, lasst euch doch nicht ins Bockshorn jagen!", ruft es seinen Lesern zu. Es ist einfach unwahrscheinlich, dass in Dortmund binnen zehn Jahren 70.000 neue Arbeitsplätze entstehen werden, wenn diese Zahl an Arbeitsplätzen in den Bereichen Kohle und Stahl weggefallen sind. Das ist auch dann noch unwahrscheinlich, wenn McKinsey diese Entwicklung dem Auftraggeber der Studie, der Thyssen Krupp AG, bescheinigt hat. Der konnte sich mit diesem "Gutachten" aus der Pflicht stehlen, selbst für neue Arbeitsplätze zu sorgen. Nach mittlerweile vier Jahren sind bis heute erst 4.000 neue Arbeitsplätze entstanden.

Werner Rügemer (Hrsg.)

Die Berater,

Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft.

transcript Verlag, Bielefeld 2004; 244 S., 21,80 Euro


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