Einen Dissens gab es jedoch innerhalb der CSU, nachdem der stellvertretende Parteichef und Sozialexperte Horst Seehofer sich öffentlich dem umstrittenen, zwischen Stoiber und Merkel ausgehandelte Kompromiss zur Gesundheitsreform widersetzte. Das Thema drohte den Parteitag unter dem Motto "Klare Werte, klarer Kurs" völlig zu überlagern. Seehofer selbst blieb dem Kongress an beiden Tagen fern, was vor allem auch unter seinen Anhängern Verwunderung und Enttäuschung auslöste.
Das von rund 500 Medienvertretern beobachtete Dilemma: Einerseits ging es vielen Delegierten und der Parteiführung darum, den Kräfte verschleißenden und von der Basis mit Abscheu betrachteten Streit mit der CDU über diese Reform endlich beizulegen. Andererseits wertete Seehofer in Interviews als "Murks" und unsozial, was Stoiber als ausgewogenes und sozial gerechtes Zukunftsmodell auf dem Parteitag beschließen lassen wollte.
Am Vorabend des Parteitags hatte sich Stoiber zwar mit Seehofer zur Entschärfung des Konflikts darauf verständigt, dass dieser für den Bereich Gesundheitspolitik nicht mehr zuständig sei, im übrigen aber seine Stellvertreter-Funktionen in Partei und Fraktion behalte. Gleichzeitig sollte sich Seehofer nicht mehr öffentlich zur Gesundheitspolitik äußern, was der Politiker aber nur wenige Stunden durchhielt.
Auf dem Parteitag warb Stoiber bei den Delegierten eindringlich um Zustimmung zum Gesundheitskompromiss und versuchte, eine Bresche in die Phalanx der Seehofer-Anhänger und Kompromiss-Gegner vor allem im CSA-Lager zu schlagen: Wer den Kompromiss ablehne, riskiere einen "massiven Bruch zwischen CDU und CSU", dies könne er nicht verantworten.
Gleichzeitig rechtfertigte Stoiber seinen Schritt, Seehofer als gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion zu entbinden: Wer eine Position vertrete, die der Haltung der Union "diametral widerspricht", könne diese Funktion nicht mehr ausüben. Dass Seehofer seine anderen Ämter behalte, würdigte Stoiber als "Bündelung aller Kräfte" in der CSU und Ausdruck von "hoher Integrationskraft". Er wolle auch "schwierige Kollegen einbinden und nicht ausgrenzen, soweit es geht". Daneben schilderte Stoiber den Delegierten minutiös den Ablauf der endlosen, zunächst ergebnislosen Einigungsversuche mit der CDU über ein tragfähiges Gesundheitsmodell und versicherte, er habe sich auch vor den entscheidenden Gesprächen mit Angela Merkel noch mit allen in der CSU-Führung abgestimmt. Bis auf Seehofer hätten ihm letztlich alle zu dem Kompromiss geraten.
In der Debatte mit knapp 20 Wortmeldungen kritisierten vor allem die Vertreter der Arbeitnehmer den Kompromiss als "bürokratisches Monster" und kompliziert, als "Totgeburt" und "Mogelpackung". Dagegen marschierten die politischen Schwergewichte auf: Wirtschaftsminister Otto Wiesheu ("Schluss mit dem permanenten Eiertanz"), Finanzminister Kurt Faltlhauser ("das Konzept ist sauber ausgerechnet"), Staatskanzlei-Minister Erwin Huber, Vize-Vorsitzende Barbara Stamm, Landtagspräsident und CSU-Oberbayern-Chef Alois Glück sowie Landesgruppenchef Michael Glos. Stoiber selbst trat erneut ans Rednerpult und sprach von einem "großen Gemeinschaftswerk". Die Skeptiker beschwor er: "Das sind doch keine Substanzfragen, bei denen es um Leben und Tod geht, oder um Grundsatzfragen." Hier gehe es vielmehr um "Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsfähigkeit der CSU". Eine Abstimmungsniederlage wäre für Stoiber nach diesem Einsatz verheerend gewesen. So votierten schließlich 88 Prozent (644 Ja, 85 Nein, 1 Enthaltung bei 730 stimmberechtigten Delegierten) für den Kompromiss.
Unmittelbar im Anschluss rief die CDU-Vorsitzende Angela Merkel in ihrem mit Angriffen gegen die Bundesregierung gespickten Grußwort die Union zur Geschlossenheit auf: "Wir gehören zusammen, das sollen alle wissen, weil wir in Berlin die gleichen Gegner haben, und das ist Rot-Grün, die dieses Land ruinieren." Die Leute erwarteten gute Zusammenarbeit bis zu den Ortsvorsitzenden. CDU und CSU marschierten trotz unterschiedlicher Akzente gemeinsam, rief Merkel und beschwor am Ende ihrer einstündigen Rede das Bewusstsein, "dass es schön ist, eine Schwester zu haben".
Nach kontroverser Debatte beschloss der Parteitag mit großer Mehrheit einen Leitantrag zur Belebung des Arbeitsmarktes. Er sieht unter anderem die Aufhebung des Kündigungsschutzes für neu eingestellte Mitarbeiter in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten vor. Einige CSA-Vertreter hielten dagegen und meinten, da könne man gleich beschließen, die Bundestagswahl 2006 zu verlieren. Weiter wurden Erleichterungen für Abweichungen vom Tarifvertrag auf den Weg gebracht, um verstärkt "betriebliche Bündnisse für Arbeit" bilden zu können. Ein weiterer einstimmig angenommener Antrag befürwortet die privilegierte EU-Partnerschaft der Türkei und lehnt eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union ab.
Ebenso geschlossen votierten die Delegierten dafür, nicht integrationswilligen Ausländern die Sozialleistungen zu kürzen. Ausländer müssten zur Teilnahme an Sprachkursen verpflichtet werden und die Leitkultur akzeptieren. Bayerns Innenminister Günther Beckstein sagte, das von Rot-Grün lange Jahre propagierte "Multikulti" habe sich als Illusion herausgestellt.
In seiner knapp zweistündigen Parteitagsrede warnte auch Stoiber vor der Gefahr von Parallelgesellschaften. Wer sich bewusst selbst abschotte, wie das viele Muslime täten ("die allermeisten leben gesetzestreu, gewissenhaft und leistungsbereit"), wer die Deutschen als ungläubig ansehe und damit abwerte, der könne nur schwer integriert werden und wolle sich auch nicht integrieren - "das dürfen wir nicht dulden".
Der CSU-Chef rief weiter zur Rückbesinnung auf die christlichen Werte und Traditionen auf und betonte, ein moderner, aufgeklärter und selbstbewusster Patriotismus sei für die Zukunft des Landes unverzichtbar. "Offenheit und Toleranz ja, islamistische Kopftücher nein." Mit der CSU werde es keine Symbole der Unterdrückung und Unfreiheit von Frauen an den Schulen geben. Mit deutlichen Worten wandte sich der CSU-Chef gegen die Einführung eines muslimischen Feiertags: "Nationale und christliche Feiertage abschaffen und islamische einführen wollen, so weit kommt es noch in unserem Land - nicht mit uns, aber wirklich nicht."
Scharfe Kritik richtete Stoiber an die Bundesregierung, die durch zögernde und zerfahrene Politik "Deutschlands Zukunft verspielt". Auf dem Land laste ein Schuldenberg von 1,4 Billionen Euro mit 100 Millionen Zinsen jeden Tag, "der unsere Zukunft und vor allem die Zukunft unserer Kinder zu erdrücken droht". Dazu zitierte der CSU-Vorsitzende den Bundesrechnungshof mit der Bemerkung, "Die Schieflage ist so extrem, dass es einem den Atem verschlägt". Die Bundesrepublik falle im globalen Wettbeerb immer weiter zurück, die Arbeitsplatzverluste seien dramatisch. Auf Deutschland, so Stoiber weiter, lasteten viel zu viele fesselnden Vorschriften und endlose Genehmigungsverfahren.
Der Parteivorsitzende verlangte eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung mit einer Reform des Föderalismus sowie weitreichende Änderungen, um Dynamik und Leistungsfähigkeit der Wirtschaft wieder herzustellen. Staat, Gesellschaft und Strukturen müssten neu ausgerichtet werden, die gesamten Ausgaben gehörten auf den Prüfstand und seien wieder an die Einnahmen anzupassen, sonst werde Deutschland weiter zurückfallen.
Konkret sprach sich Stoiber für längere Arbeitszeiten, den Abbau von Einstellungshürden und die Einführung niedriger Steuersätze und eines einfacheren Steuersystems aus. Einen besonderen Schwerpunkt legte er ferner auf die Bedeutung von Bildung und Erziehung als "Schlüssel zur Zukunft von Arbeitsplätzen und Wohlstand".