Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 50-51 / 06.12.2004
Egon C. Heinrich

Stabilitäts- und Wachstumspakt wird nächstes Jahr gelockert

EU-Haushalt 2005 im Zeichen der Konsolidierung

Nach dem üblichen Streit zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat der 25 Finanzminister über eine Erhöhung des EU-Haushalts haben sich beide Gremien Ende November auf die Eckpunkte des Budgets der Europäischen Union für das Jahr 2005 geeinigt. Das EP hatte angesichts der um zehn Länder erweiterten Union eine Erhöhung um rund elf Prozent gefordert. Nun haben sich die für die Verabschiedung des Haushalt verantwortlichen Institutionen auf eine Anhebung um 6,5 Prozent verständigt; das Gesamtvolumen erreicht damit 106,3 Milliarden Euro. Es wird erwartet, dass das EP diesem Kompromiss auf seiner Plenartagung Mitte Dezember in Straßburg zustimmen wird; danach kann Parlamentspräsident Josep Borrell den Haushalt noch in diesem Jahr unterzeichnen und in Kraft setzen.

Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Caio Koch-Weser, der Bundesfinanzminster Hans Eichel wegen der Beratungen über den Bundeshaushalt in Brüssel vertrat, zeigte sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Es sei gelungen, die Gesamtausgaben der EU auf rund ein Prozent der Wirtschaftsleistung der erweiterten Union zu begrenzen. Damit werde die Haltung der Bundesregierung unterstrichen, dass die Finanzierung des EU-Haushalts künftig mit einem Anteil von nicht mehr als einem Prozent der Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten gewährleistet werden könne. Der Gemeinschaftshaushalt trage dazu bei, das Ausgabenziel des Bundeshaushalts 2005 zu sichern. Der deutsche Finanzierungsanteil am Haushalt der EU sinkt im nächsten Jahr weiter auf 22,1 Prozent, nachdem er im Jahre 1999 noch 25,5 Prozent betragen hatte. Das Budget der EU in 2005 setzt erwartungsgemäß besondere Akzente für die neuen Mitgliedstaaten, wie dies auf dem EU-Gipfel 2002 in Kopenhagen beschlossen worden war.

Die vorhergehende Tagung der Wirtschafts- und Finanzminister der EU hatte für den Bundesfinanzminister ein positives Erlebnis gebracht. Denn nicht er, sondern sein griechischer Kollege Georgios Alogoskoufis musste schwere Verstöße gegen den Stabilitiäts- und Wachstumspakt eingestehen. Athen war bei seinen an das Statistische Amt Eurostat übermittelten Haushaltszahlen seit 1997 stets unter dem Drei-Prozent-Limit geblieben und hatte den Ruf soliden Finanzgebarens. Nun stellte sich heraus, dass die frühere Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Costas Simitis gefälschte Zahlen an die EU-Behörden übermittelt und sich damit den Beitritt zum Euro im Juni 2000 sozusagen "erschwindelt" hatte. Eurostat geht normalerweise davon aus, dass die von den nationalen Behörden gelieferten Zahlen korrekt sind; Eurostat hatte bisher kein Recht, diese Zahlenangaben vor Ort zu überprüfen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Athen die Manipulationen auch nach Einführung des Euro fortgesetzt hat. Die neue, konservative Regierung wurde aufgefordert, rasch zur Haushaltsdisziplin zurückzukehren und das Defizit abzubauen; dieses liegt im laufenden Jahr bei 5,5 Prozent. Der Rat der Finanzminister will auf seiner nächsten Sitzung am 7. Dezember über eventuelle Maßnahmen gegen Athen beschliessen. Ein Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone ist jedoch rechtlich nicht möglich. Mit strengen Sanktionen wird nicht gerechnet. Die neue EU-Kommission wird allenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Athen einleiten. Sie schlägt außerdem Maßnahmen vor, um künftig ähnliche Manipulationen zu unterbinden. Die Kommission soll das Recht erhalten, die Zahlen der Mitgliedstaaten vor Ort zu kontrollieren.

Angesichts des Falles Griechenland präsentierte sich Bundesfinanzminister Eichel in Brüssel als "ehrlicher" Defizitsünder. Es könne nicht sein, so der Minister, dass jener Staat bestraft werde, der mit korrekten Zahlen die drei Prozent überschreite, aber nicht jenes Land, das wegen gefälschter Zahlen darunter bleibe.

Ziel der intensiven Beratungen ist eine größere Flexibilität bei der Auslegung und Anwendung des Pakts. Dies bedeutet vor allem eine Aufweichung der strikten Defizitgrenzen von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei der jährlichen Neuverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei der Höhe der Gesamtschulden eines EU-Mitgliedslandes. In Brüssel wird damit gerechnet, dass die Reform im ersten Halbjahr 2005 unter der luxemburgischen Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden wird. Ministerpäsident Claude Juncker, der auch Finanzminister ist, wurdezum festen Vorsitzenden des Rates der Finanzminister der Euro-Länder berufen; er befürwortet eine Reform des Pakts nach sechs Jahren.


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