Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 50-51 / 06.12.2004
Hartmut Hausmann

Sechs Länder für Begrenzung auf ein Prozent Bruttoinlandsprodukt

Parlament mahnt zukünftige EU-Finanzplanung an

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sollen auf ihrem Gipfeltreffen in zwei Wochen in Brüssel den kommenden Luxemburger Ratspräsidenten dazu verpflichten, die Beratungen zwischen Ministerrat, Parlament und Kommission der EU über die mehrjährige Finanzplanung der Union für den Zeitraum von 2007 bis 2013 fortzusetzen und nach Möglichkeit im ersten Halbjahr 2005 abzuschließen. Diese Aufforderung zum "interinstitutionellen Dialog" ist Kern einer am 1. Dezember vom Europäischen Parlament in Brüssel verabschiedeten Entschließung, in der weiter die Erwartung enthalten ist, dass der Zeitplan für das Beschlussfassungsverfahren so gestaltet wird, dass es nicht wieder, wie zu Beginn der laufenden mittelfristigen Finanzplanung von 2000 bis 2006 bei den mehrjährigen Programmen zu Unterbrechungen der Zahlungen kommt.

Unmissverständlich macht das Parlament auch deutlich, dass es ohne eine Vereinbarung zwischen Abgeordneten und Finanzministern über das Finanzpaket keine finanzielle Vorausschau geben wird, sondern nur, wie früher, jährliche Haushaltspläne, die dann wieder zu enormen Auseinandersetzungen zwischen Parlamentariern und Mitgliedsregierungen führen würden. Inhaltlich verlangt das Parlament, das ausreichende Mittel für die Weiterentwicklung der Integration und den Zusammenhalt der EU sowie ein jährlicher Spielraum für unvorhersehbare Ereignisse oder Erfordernisse eingeplant werden. Damit es rechtzeitig zu einer neuen Vereinbarung kommt, sollte jeden Monat ein Informationsaustausch (Trilog) über die internen Diskussionen in den Institutionen stattfinden.

Die Debatte im Parlament ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU äußerst kontroverse Anschauungen über die künftige Finanzausstattung der EU gibt. So haben sich die sechs Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Österreich und Schweden für eine Begrenzung der EU-Ausgaben auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung der EU (Bruttoinlandsprodukt) ausgesprochen. Da bisher eine Obergrenze von 1,24 Prozent galt, die allerdings unter dem Sparzwang der letzten Jahre nie ausgeschöpft wurde, schlagen die Kommission und 15 andere Mitgliedstaaten als Kompromiss eine Begrenzung von 1,15 Prozent vor. Erschwert wird die Diskussion noch dadurch, dass die Kommission und einige Länder den von der früheren britischen Premierministerin Thatcher durchgesetzten "Briten-Rabatt" streichen wollen, wogegen aber aus London ein kategorisches "No" verlautet. Um die eigene Position besser in die Verhandlungen einbringen zu können, hatte das Parlament im September einen nichtständigen Ausschuss zur Finanzplanung unter dem Vorsitz seines Präsidenten Josep Borell eingesetzt.

Viel wichtiger aber als das Gerangel um Begrenzungszahlen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach Ansicht des Haushaltsgeneralberichterstatters des Parlaments, Reimar Böge (EVP/Deutschland), eine Debatte über die Inhalte und Prioritäten in den künftigen EU-Haushalten. So seien sich die meisten Nettozahler zwar darin einig, dass künftig weniger ausgegeben werden soll, doch über die Bereiche, in denen der Rotstift angesetzt werden soll, herrschten von Land zu Land völlig konträre Ansichten.

In seiner Stellungnahme für den Ministerrat erklärte der amtierende niederländische Ratsvorsitzende Atzo Nikolai, dass sich auch der Rat das Ziel gesetzt habe, bis zum Juni 2005 zu einer Vereinbarung mit dem Parlament zu kommen, und dass deshalb monatliche Treffen auf Trilog-Ebene sinnvoll seien. Wie das Parlament wolle auch der Ratsvorsitz erst eine Einigung über die Prioritäten der von der EU zu bewältigenden Aufgaben festlegen, wozu auf jeden Fall auch eine nachhaltige Kohäsionspolitik gehöre.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.