Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 17 / 25.04.2005
Ines Gollnick

Der Analytiker: Andreas Storm

Parlamentarisches Profil

Wer möchte bestreiten, dass es eine Herausforderung ist, die deutschen sozialen Sicherungssysteme zu verstehen und vor allem zu reformieren. Der Unionsabgeordnete Andreas Storm ist einer, der sie verstehen muss und erklären kann, weil er Kompliziertes auch gut in allgemeinverständliche Sätze gießt. Vor allem aber möchte er ihre Reformen in diesem Jahrzehnt tatkräftig voranbringen. Als sozialpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat er seit 2002 den entsprechenden Einfluss, aber auch das Knowhow, denn fundiert zu argumentieren, ist Storm ganz wichtig. Kollegen, nicht nur aus der eigenen Fraktion, wissen darum.

Andreas..., wer? Diese kürzeste aller Fragen, die fast zum geflügelten Wort mutiert ist, könnte einem auf der Zunge liegen, will man sich dem eher zurückhaltenden Politiker aus Hessen annähern. Aber das wäre wohl nicht gerechtfertigt. Denn Storm, studierter Volkswirt, ist mit 40 Jahren im Deutschen Bundestag sozusagen ein "alter Hase". Im Alter von 30 Jahren kandidierte er 1994 für die CDU zum ersten Mal und gewann das Direktmand in Darmstadt. Er arbeitete in der Rentenkommission von Norbert Blüm mit, als es unter anderem um die Einführung des demografischen Faktors ging. Schritt für Schritt ging es voran. Der Mann im immer geschniegelten Outfit beackert nicht nur dieses schwierige, aber für alle Menschen so wichtige Politikfeld, sondern sitzt seit 2002 auch im Fraktionsvorstand der Bundestagsfraktion. Außerdem hat er ein Mandat im Kreistag des Landkreises Darmstadt-Dieburg, um kommunal Einfluss zu nehmen. Er ist ein ruhiger Vertreter seiner Zunft, das Poltern, vor allem das mediale, gehört nicht zu seinem Politikstil. Gut zuhören, dann analysieren. Mit dieser Vorgehensweise ist er weit gekommen. "Nachdenken, zuhören, entscheiden!" lautet sein Leitmotiv. Durch die Mitarbeit in der Enquete-Kommission "Demografischer Wandel", die er auch als stellvertretender Vorsitzender leitete, wurde Storm zum Sozialexperten. "Die Mitarbeit war deshalb bedeutsam, weil in dieser Enquete-Kommission, zusammengesetzt aus Politikern und Wissenschaftlern, vor allem auch der Bereich Gesundheit und soziale Sicherung im Querschnitt betrachtet worden ist. Es bot sich die Gelegenheit, fernab vom tagespolitischen Druck, und das war immer ein immenser Vorteil, die einzelnen Verästelungen und tiefer liegenden Auswirkungen des demografischen Wandels intensiv zu erörtern und nach zwei Jahren erfolgreicher Arbeit wohl abgewogene Lösungen zu präsentieren. Die Arbeit hat meinen Blick ungemein geweitet und ich möchte diese Arbeit rückblickend nicht missen", so der Hesse gegenüber "Das Parlament".

Etwas zum Positiven bewegen und andere überzeugen, daran liegt dem Abgeordneten viel. In Sachen Rente und Gesundheit bleibt da noch einiges für ihn zu tun. Wenn das Bohren dicker Bretter für ihn immer wieder eine Herausforderung ist, wie er sagt, scheint er im richtigen Politikfeld unterwegs zu sein. Für die Sorgen der Rentner und Rentnerinnen hat Storm sehr großes Verständnis. Das macht er auch am Infomobil des Deutschen Bundestages deutlich, das gerade in seinem Wahlkreis Station machte. "Die aktuellen Kürzungen, von denen sie betroffen sind, machen deutlich, dass mit der Riester-Rentenreform 2001 und der im Frühjahr 2004 verabschiedeten Rentenreform von Ulla Schmidt das grundlegende Ziel einer nachhaltigen Reform der Alterssicherung, nämlich die Lasten der Alterung fair auf Rentner und Beitragszahler zu verteilen und gleichzeitig die Beitragssätze zu stabilisieren, nicht erreicht wird."

Und wie denkt Storm heute über den Slogan der Blüm-Kampagne "Die Rente ist sicher"? Damit sei immer gemeint gewesen, dass sich die zentralen Elemente der einkommensbezogenen, paritätisch im Umlageverfahren finanzierten gesetzlichen Rentenversicherung bewährt haben. Reformbedarf am System sei aber zu keiner Zeit bestritten worden. Für den Oppositionspolitiker ist der größte Fehler, dass unmittelbar nach dem Regierungswechsel 1998 der demographische Faktor wieder aus der Rentenformel herausgenommen worden sei. Mit diesem Faktor sollte die steigende Lebenserwartung gerecht auf Rentner und Beitragszahler verteilt werden. Für den Sozialpolitiker geht es heute darum, eine neue Gewichtung von Umlage finanzierter gesetzlicher Rente und Kapital gedeckter privater und betrieblicher Altersvorsorge zu finden und dies möglichst schnell und flächendeckend. "Deshalb brauchen wir sehr rasch neue Modelle, die von den Menschen besser angenommen werden als die Riester-Rente."

41 Jahre alt und davon 11 Jahre im Deutschen Bundestag, da hat Politik nicht nur einen hohen Stellenwert für Storm, sie habe ihn geprägt, sagt er. Und auch so manche Erfahrung, hätte er woanders wohl nicht gemacht. Vor seinem Einstieg in die Bundespolitik war Storm vier Jahre Referent in der Grundsatzabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums, also in der Exekutive. "Es ist ausgesprochen schwierig, die unterschiedlichen Interessen bei politischen Entscheidungsprozessen angemessen zu berücksichtigen. Politische Entscheidungsprozesse dauern in der Regel wesentlich länger als in der Wirtschaft. Daher ist es um so wichtiger, nicht die Geduld zu verlieren." Und was meint Storm sonst noch über Storm, geht es um Stärken und Schwächen: "Mein unaufgeräumter Schreibtisch ist schon ein Schwachpunkt, auf den mich meine Mitarbeiter auch gerne hinweisen. Mein Zeitgefühl könnte etwas ausgeprägter sein, damit ich nicht zu gehetzt zu meinen Terminen erscheine. Zu meinen Stärken zähle ich meine Fähigkeit zur Selbstkritik, eigene Positionen immer wieder zu überprüfen und an neue Aufgaben anzupassen. Ich bin offen, kontaktfreudig, ruhig und nicht leicht aus der Fassung zu bringen." Dieses In-Sich-Ruhen bei einem Politiker will manchmal so gar nicht in die Zeit passen, wo gerade die elektronischen Medien vor allem Ausschau nach dem extrovertierten Draufgängertyp halten. Aber das ficht Storm nicht an: "Vertrauen in die Politik heißt auch, dass man sich mit den Themen intensiv auseinandersetzt, zuhören kann und bereit ist, die Argumente der anderen Seite zu überprüfen. Dabei ist mir wichtig, dass man einen Kompass und klare Grundsätze besitzt."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.