Die CDU/CSU nannte die Absetzung "konsequent", da der Entwurf nach einer Sachverständigen-Anhörung am 27. Juni nicht mehr zu halten gewesen sei. Unter anderem habe die Koalition das Entsendegesetz auf Branchen ausdehnen wollen, in denen es gar keine aus dem Ausland entsandten Arbeitnehmer gebe, wie etwa im Hotel- und Gaststättengewerbe. Tatsächlich gehe es der Koalition darum, einen gesetzlichen Mindestlohn für die deutschen Arbeitnehmer einzuführen. Das Problem liege darin, so die Union, dass das geltende Arbeitnehmer-Entsendegesetz nicht vollzogen werde. Die FDP fügte hinzu, die Kontrollmechanismen gegen die illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer funktionierten schon heute nicht. Die Gesetzesvorlage führe nicht zum Ziel und sei auch nicht umsetzbar.
Dagegen bekräftigte die SPD ihren Willen, gegen Lohn- und Sozialdumping vorzugehen. Mit der Absetzung werde das Gesetz nicht "beerdigt". Auch Bündnis 90/Die Grünen sprachen von einer um sich greifenden Entwicklung hin zu Dumpinglöhnen.
Die Bundesregierung und der Bundesrat haben bei der Bewertung des wortgleichen Entwurfs der Regierung zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (15/5810) gegensätzliche Positionen eingenommen. Der Bundesrat wendet sich in seiner Stellungnahme gegen eine "undifferenzierte Erweiterung" des Anwendungsbereiches des Gesetzes auf alle Branchen. Dies würde de facto zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns "durch die Hintertür" führen. Eine Prüfung, ob das Entsendegesetz in bestimmten Einzelfällen über den Baubereich hinaus auf weitere Branchen ausgedehnt werden kann, erfordere eine fundierte Datengrundlage. Allenfalls für hochsensible Branchen, in denen eine Tendenz oder ausgeprägte Wahrscheinlichkeit zur Verdrängung deutscher Arbeitnehmer durch Arbeitskräfte aus dem Ausland festzustellen sei, könne eine maßvolle und befristete Erweiterung des Entsendegesetzes erwogen werden.
Die Bundesregierung begrüßt in ihrer Gegenäußerung diese Einschätzung für die "hochsensiblen Branchen". Dennoch hält sie an ihrer Konzeption einer umfassenden Branchenerweiterung fest. Die Branchen könnten selbst entscheiden, ob, wann und mit welchen Mindestlohn-Tarifverträgen sie den Schutz des Gesetzes in Anspruch nehmen wollen.
In der Anhörung hatten sich neben den Gewerkschaften auch die Bauindustrie und das Gebäudehandwerk für die Festlegung bundesweit einheitlicher Mindestlöhne ausgesprochen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nannte die Ausweitung des Gesetzes "unerlässlich", um Lohn- und Sozialdumping vorzubeugen. Mindestlöhne und Mindestarbeitsbedingungen müssten festgelegt werden können. Eine Begrenzung des Gesetzes auf einzelne Branchen lehnte der DGB ab, weil dies nur die Bürokratie steigern würde. Die IG Bauen-Agrar-Umwelt zog Branchenlösungen einem gesetzlichen Mindestlohn vor.
Bauindustrie für bundesweite Regelung
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie beantwortete die Frage aus der CDU/CSU, ob bundeseinheitliche Regelungen für erforderlich gehalten würden, mit "Ja". Diese müssten für alle Inländer gelten, weil EU-Ausländer sich auf das Diskriminierungsverbot berufen könnten, sobald es Inländer gibt, die den Regelungen nicht unterworfen sind. Der Münchner Rechtsprofessor Volker Rieble ergänzte dazu, um der Gefahr der Ausländerdiskriminierung vorzubeugen, seien keine bundesweiten Mindestentgelte erforderlich, sondern lediglich eine bundesweite Arbeitsortklausel. Auf Zustimmung traf der Entwurf auch beim Bundesinnungsverband des Gebäudereinigerhandwerks. Hier gebe es seit Jahrzehnten bundeseinheitliche Tarifverträge. Aus sozialpolitischen Gründen wäre nach Meinung des Verbandes ein gesetzlicher Mindestlohn der Ausweitung des Entsendegesetzes sogar noch vorzuziehen.
Gegen den Gesetzentwurf argumentierten unter anderem der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband und der Bundesverband Zeitarbeit/Personal-Dienstleistungen. Der Einzelhandelsverband äußerte die Befürchtung, es gehe wohl eher um die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.