Ganz unbeschwert sind diese Zeiten für Sachsens Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) nicht. Selbst eine Verletzung, die er sich bei der Gartenarbeit zugezogen hatte, brachte ihm statt Mitleid ein böses Wortspiel ein: Nun habe er - wenn schon keinen Schramm so doch eine Schramme. Der Präsident des Sächsischen Landkreistages, Andreas Schramm (CDU), und sein Namensvetter Christian Schramm (CDU), Oberbürgermeister von Bautzen und Vorsitzender des Städtetages, waren nach wochenlangen Spekulationen aus dem Kandidatenpool für das Amt des Innenministers ausgeschieden. Wobei "Pool" reichlich übertrieben ist, hatte sich doch so recht niemand nach der Nachfolge des ins Bundeskanzleramt gewechselten Thomas de Maizière (CDU) gedrängt. Zu vielfältig sind die Aufgaben des Innenministers, vom Wohnungsbau bis zum Polizeiwesen, zu heikel auch, als dass man sich daran die Finger verbrennen möchte. Immerhin steht eine unangenehme Reform der Landesverwaltung an, die nach de Maizières Plan untrennbar mit einem Neuzuschnitt der Landkreise verbunden ist. Das kostet vor allem die Landräte Posten und verschiebt Zuständigkeiten zwischen den Verwaltungsebenen, bis am Ende Personaleinsparungen in vierstelliger Größenordnung herauskommen und Landkreise aufgelöst werden.
Zündstoff also für sämtliche Interessenvertreter, die sich und ihr Klientel vor den Kopf gestoßen fühlen. Dass Milbradt nicht vorhat, dieses sensible Terrain mit der Harke zu bearbeiten, zeigte sich daran, dass seine Wunderwaffe diesmal nur kurz in den Spekulationen der Presse aufblitzte. Aber Andrea Fischer (CDU), einst Landrätin in Kamenz und als Verwaltungsfachfrau Milbradts rechte Hand in der Staatskanzlei, wird im menschlichen Miteinander eher der eiserne Besen als die Schalmei in der Hand nachgesagt. Außerdem kann auch sie an ihrer westdeutschen Herkunft nichts ändern, die mittlerweile in Sachsen für die Übernahme politischer Ämter eher hinderlich ist.
Die Landtagsfraktion der CDU achtet seit dem Abgang des von ihr zunehmend widerstrebend respektierten Kurt Biedenkopf besonders darauf, dass möglichst gebürtige Sachsen das Land repräsentieren. Allerdings war der Name ihres innenpolitischen Sprechers in keiner Weise jemals im Gespräch für den Posten des Innenministers. Staatskanzleichef Hermann Winkler hätte zwar den richtigen Geburtsort gehabt, aber weder juristische Kompetenz noch genügend Verwaltungserfahrung. Die bringt nun aber Albrecht Buttolo mit, der langjährige Staatssekretär im Innenministerium für den Bereich Städtebau, Wohnungswesen und Landesentwicklung. Eine überraschende Entscheidung, die dem Oppositionsführer im Sächsischen Landtag, Peter Porsch (Linkspartei), sogleich einen galligen Kommentar entlockte. "Offenbar ist niemand mehr freiwillig bereit, in die Dienste von Herrn Milbradt zu treten, so dass er auf einen zur Loyalität verpflichteten beamteten Staatssekretär zurückgreifen muss." Damit setze sich der Trend fort, dass in Sachsens Regierung nicht mehr Politik gemacht, sondern nur noch verwaltet würde. An Buttolos Fachkompetenz "in seinem bisherigen begrenzten Verantwortungsbereich" hegte aber auch Porsch keinen Zweifel.
Wie sehr Ministerpräsident Milbradt mit seiner Personalentscheidung bemüht war, die schwer zu bändigende Landtagsfraktion hinter sich zu bringen, zeigt seine Begründung für Albrecht Buttolo. Der Staatssekretär sei dem Landtag stets ein sachkundiger Gesprächspartner gewesen. Außerdem habe er jahrelang intensive Kontakte zur kommunalen Ebene gepflegt. Das können wohl auch die beiden Schramms nicht leugnen, von denen zumindest der Präsident des Landkreistages doch Ambitionen auf den Posten in der Landesregierung gehabt haben soll.
Buttolo könne gut zuhören und seine Entscheidungen seien immer durchdacht, betonte Ministerpräsident Milbradt. Der gelernte Maschinenbauingenieur war erst wenige Monate Mitglied im ersten Sächsischen Landtag, als er im Dezember 1990 zunächst zum Parlamentarischen Staatssekretär im Innenministerium ernannt wurde. Seit 1993 fungierte er als Staatssekretär für Städtebau und Wohnungswesen. Der 58-Jährige stammt aus dem Kreis Freiberg und ist seit 1979 Mitglied der CDU. Er hatte früher schon einmal geäußert, sich mit 60 Jahren aus dem politischen Leben zurückziehen zu wollen. Ob das ein Kriterium für Milbradt war, der dann rechtzeitig vor den nächsten Landtagswahlen freie Hand für eine nachhaltigere Besetzung dieses Kabinettspostens hätte, bleibt vorerst Spekulation.
Fest steht, dass das Innenministerium künftig mit einem Staatssekretär weniger auskommen muss, weil Buttolos bisherige Position nicht wieder besetzt wird.