Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 23 - 24 / 06.06.2006

"Jugendliche sind die Experten für die Bedürfnisse von Jugendlichen"

Interview mit Felix Dresewski, Mitglied im Rat "Schüler Helfen Leben"
Damit eine Kampagne wie der Soziale Tag erfolgreich ist, braucht man freiwillige Helfer. Felix Dresewski war 19 Jahre alt, als er 1998 den ersten Sozialen Tag in Schleswig-Holstein organisierte: Er überzeugte Lehrer wie Eltern vom Sinn der Aktion und gewann die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis als Schirmherrin. Der 27-Jährige ist Mitglied im Rat der Stiftung von "Schüler Helfen Leben" (SHL), die den Sozialen Tag mittlerweile alle zwei Jahre organisiert: Wichtig ist ihm: "Der Soziale Tag mobilisiert ohne erhobenen Zeigefinger."

Das Parlament: Beim Sozialen Tag vor zwei Jahren hat "Schüler Helfen Leben" mehr als 3,5 Millionen Euro gesammelt. Am 22. Juni werden erneut hunderttausende Schüler mitmachen und wieder wird viel Geld zusammenkommen. Was ist das Erfolgsgeheimnis dieser Schülerkampagne?

Felix Dresewski: Die Jugendlichen fasziniert, dass sie ganz praktisch etwas für Kinder und Jugendliche tun können. Sie arbeiten einen Tag lang in den verschiedensten Jobs, ob als Bäcker, Tankwart oder Hotelpage, und wissen, dass ihr Lohn mithilft, Jugendprojekte in Südosteuropa zu fördern. Das ist etwas anderes, als einen Euro in eine Sammelbüchse zu stecken. Der Soziale Tag mobilisiert ohne erhobenen Zeigefinger.

Das Parlament: "Schüler Helfen Leben" hat sich jedoch schon vor dem ersten Sozialen Tag für Kinder und Jugendliche in Südosteuropa engagiert.

Felix Dresewski: Das stimmt. Auslöser für die Entstehung der Schülerinitiative waren die Kriege auf dem Balkan. Viele Schüler waren schockiert und wollten etwas tun: Eine Gruppe von Jugendlichen in Rheinland-Pfalz begann deshalb bereits 1991, Sachspenden zu sammeln und nach Kroatien, ab 1993 auch nach Bosnien, zu transportieren. Diesem Beispiel sind andere Gruppen gefolgt - so ist SHL zunächst als ein loses Netzwerk entstanden. Der Verein wurde 1995 gegründet.

Das Parlament: Doch bei Sachspenden wie Spielzeug, Lebens- und Hygienemitteln ist es nicht geblieben - SHL begann bald, Geld zu sammeln, warum?

Felix Dresewski: Manche Dinge ließen sich eben nicht mit dem Transporter nach Bosnien schaffen - Schulen oder Kindergärten etwa. Wir brauchten Geld für den Wiederaufbau.

Das Parlament: Mittlerweile hat sich der Fokus der Initiative verändert, unterstützt werden nun vor allem Jugendbildungsprojekte.

Felix Dresewski: Die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen sind heute anders als zu Kriegszeiten. Als der Bosnienkrieg beendet war, wollten wir uns verstärkt für die Verständigung der bosnischen, serbischen und kroatischen Jugendlichen einsetzen. Unsere erste Aktion in Sarajevo war das multiethnische Zeitungsprojekt "Nepitani - die Ungefragten".

Das Parlament: Beim ersten Sozialen Tag 1998 kamen rund 1,5 Millionen Mark zusammen - dieses Geld ist hauptsächlich in ein Jugendhaus in Sarajevo geflossen?

Felix Dresewski: Die Jugendlichen in Sarajevo brauchten einen sicheren Ort, um sich treffen zu können. So haben wir ein Haus gebaut - als Begegnungsstätte für Kroaten, Serben, Bosniaken und Muslime. Sie arbeiten miteinander und lernen sich dabei kennen.

Das Parlament: SHL unterstützt auch Projekte in Herzegowina, im Kosovo, in Rumänien und in Makedonien. Wer entscheidet, was gefördert wird?

Felix Dresewski: Je mehr wir wuchsen, desto deutlicher wurde, dass wir Strukturen schaffen müssen, die für Legitimität sorgen. Deshalb haben wir 2001 eine Stiftung gegründet, die das Geld verwaltet und dafür sorgt, dass die Projekte eine langfristige Perspektive haben. Die Stiftung sammelt auch die Anträge der Projekte, die sich bei uns um Förderung bewerben. Die Entscheidung aber, welche unterstützt werden, liegt bei den Schülern selbst. Erst kürzlich sind die Delegierten aller Schulen, die am Sozialen Tag im Juni teilnehmen werden, nach Berlin gekommen, um über die Projekte abzustimmen. Sie können das übrigens genauso gut wie jeder Südosteuropa-Kenner. Vielleicht sogar besser, denn schließlich sind Jugendliche die Experten für die Bedürfnisse von Jugendlichen.

 

Das Interview führte Sandra Schmid


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.