Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 39 / 25.09.2006
Jürgen Fux

Braune Flecken im Nordosten

In Mecklenburg-Vorpommern bleibt nicht viel Zeit zur Regierungsfindung
Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern wird von einem Ergebnis überschattet: Zum zweiten Mal gelingt der rechtsextremen NPD der Einzug in einen ostdeutschen Landtag. 7,3 Prozent nach nur 0,8 Prozent bei der Landtagswahl 2002. Die Wähler finden sich im ganzen Land. Nur in einem Wahlkreis in Schwerin und zwei Wahlkreisen in Rostock gelang der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nicht.

Mit teilweise deutlich mehr als zehn Prozent schnitten die Rechtsextremen in Uecker-Randow und Ostvorpommern besonders hoch ab. Tino Müller (Listenplatz 2), erst seit Dezember 2005 in der NPD, erreichte im Wahlkreis Ueckermünde-Ost 35,2 Prozent der Erststimmen. Hier steht er der Bürgerinitiative "Schöner und sicherer wohnen in Ueckermünde vor", die vor Jahren ein Asylbewerberheim verhinderte. Er ist Beleg dafür, dass vor allem die hausgemachte rechtsextreme Kameradschaftsszene den Aufstieg der NPD ermöglicht hat. Die Rechtsextremisten haben inzwischen den bisherigen sächsischen Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx in gleicher Funktion nach Schwerin geholt. Gleich am Tag nach der Wahl wurde der Funktionär bei der Landtagsverwaltung vorstellig.

"Auf den Ministerpräsidenten kommt es an" hatte die SPD zuletzt plakatiert. Und tatsächlich zeigte sich am Wahlabend: Ohne Harald Ringstorff wäre die SPD sicher nicht mehr knapp stärkste Kraft im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings verloren die Sozialdemokraten bei einem Ergebnis von nur noch 30,2 Prozent gleich zehn Abgeordnete. Hinzu kommt - und dies wiegt in einem Flächenland besonders schwer -, dass der Partei sieben Direktwahlkreise verloren gingen. In der Stadt Neubrandenburg und den Landkreisen Müritz, Doberan, Güstrow und Parchim lagen die CDU-Bewerber vorn. In einem Rostocker Wahlkreis gewann Umweltminister Wolfgang Methling das einzige Direktmandat für die Linkspartei.PDS. Trotzdem: Die SPD ist stärkste Kraft und kann sich den Koalitionspartner aussuchen: weiter mit der Linkspartei.PDS oder eine schon geforderte "Koalition der Vernunft" mit der CDU. Schon warnt der SPD-Landeschef Till Backhaus vor einem "Heide-Simonis-Effekt", denn Rot-Rot hätte nur eine Mehrheit von einer Stimme. In dieser Woche lädt die SPD zu Sondierungen ein. Man wird sich schnell entscheiden müssen, um nicht durch langatmige Verhandlungen weiteres Vertrauen in die Politik zu zerstören.

Die CDU ist nach dem schlechtesten Ergebnis bei einer Landtagswahl enttäuscht. Nur 28,8 Prozent der Wähler gaben ihr die Zweitstimme. Ein genauerer Blick lohnt trotzdem. Denn die Christdemokraten gewannen sechs Wahlkreise hinzu. Jetzt verfügen sie über 20 Direktmandate. Hierin zeigt sich die Verwurzelung der Partei vor Ort. Trotzdem hat die Partei, die, seit ihr der Müritzer Landrat Jürgen Seidel vorsteht, geschlossen und freundlich wirkt, verloren. Ihr Generalsekretär Lorenz Caffier machte dafür auch verantwortlich, dass die Menschen nicht unterscheiden, wer in Schwerin und wer im Bund regiere. Jeder sei verantwortlich. Er forderte eine "Koalition der Vernunft". CDU-Chef Jürgen Seidel hat bereits angekündigt, Verantwortung übernehmen zu wollen. Nun warte die CDU auf eine Einladung der SPD zu Gesprächen. Im Land wächst - gerade wegen des Einzuges der NPD - der Ruf nach einer großen Koalition.

Sowohl der Spitzenkandidat der Linkspartei, Wolfgang Methling, als auch deren Landeschef, Peter Ritter, wollen eine Neuauflage von Rot-Rot. Ritter sagt: "Die Oppositionsbank ist derzeit nicht unser Platz." Die Linkspartei blieb mit nur 16,8 Prozent jedoch hinter den Erwartungen zurück. Sie verlor 21.817 Stimmen, wird aber weiter mit 13 Abgeordneten im Landtag vertreten sein. Ob die Spitze der Partei eine Mehrheit für die Regierungsbeteiligung findet, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Nach zwölf Jahren in der Opposition zieht die FDP dank Rückenwind aus Berlin mit sieben Abgeordneten in den Schweriner Landtag ein. 9,6 Prozent erreichte sie mit Spitzenkandidat Michael Roolf, einem Unternehmer aus Wismar. Hauptthema im Wahlkampf war die Mehrwertsteuererhöhung. Eigentlich kein Landesthema. Die Liberalen bereiten sich auf ihre Oppositionsrolle vor. Die von einem SPD-Abgeordneten ins Spiel gebrachte Möglichkeit einer rot-rot-gelben Koalition lehnte Michael Roolf umgehend ab.

Die Grünen verfehlten mit 3,4 Prozent erneut den Einzug in den Landtag. Fast fatalistisch sprach Landesgeschäftsführerin Ulrike Seemann-Katz vor der Landespressekonferenz in Schwerin davon, dass ihr akademisches Klientel abgewandert sei und man im ländlichen Raum nicht punkten könne. Die in Mecklenburg-Vorpommern eigenständig angetretene WASG blieb bei 0,5 Prozent hängen. Die erstmals angetretene Familienpartei erreichte aus dem Stand 1,2 Prozent.

In den kommenden Wochen wird in Schwerin viel verhandelt werden. Der Zeitplan zur Bildung einer neuen Regierung ist eng. Die Landesverfassung bestimmt, dass bis zum 58. Tag nach der Landtagswahl das Parlament den neuen Ministerpräsidenten wählen muss. Das ist der 14. November. Schon vorher, spätes-tens am 30. Tag nach der Wahl, tritt der Landtag zur ersten Sitzung zusammen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.