Russland "Willkür" vorgeworfen
Beim Vorgehen der russischen Behörden gegen Michail Chodorkowskij und zwei weitere Yukos-Verantwortliche ging es um mehr als nur eine Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung. Es ging auch darum, "einen erklärten politischen Gegner zu schwächen, weitere vermögende Privatpersonen einzuschüchtern und strategisch wichtige Wirtschaftsgüter wieder der staatlichen Kontrolle zu unterstellen". Mit dieser Feststellung übte die Parlamentarische Versammlung in einer am 25. Januar in Straßburg verabschiedeten Entschließung scharfe Kritik an Russland wegen gravierender Verstöße gegen rechtsstaatliche Normen und gegen wesentliche Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Die Umstände der Verhaftung von Michail Chodorkowskij, Alexeij Pichugin und Platon Lebedev legten die Vermutung nahe, die drei seien von den russi-schen Behörden "willkürlich herausgegriffen" worden, was eine klare Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz darstelle. Ein ähnliches Vorgehen habe es gegen keinen anderen russischen Erdölkonzern gegeben, obwohl alle die nur bei Yukos beanstandeten Steuerminimierungspraktiken genutzt hätten, wie der Leiter der Bundessteuerverwaltung schriftlich gegenüber dem Europarat bestätigte. Vor diesem Hintergrund könnten ausländische Investoren nur gewarnt werden, sich in Russland zu engagieren, erklärte die ehemalige deutsche Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger als Berichterstatterin der Versammlung. Ihr Bericht basiert auf einer rechtlichen Analyse aller Fakten. Die Einschüchterung selbst der Anwälte und Verteidiger durch die russischen Exekutivorgane ergebe das "Bild eines gut abgestimmten Angriffs von Seiten des Staates", stellte die Parlamentarische Versammlung fest.
Sabine Leutheuser-Schnarrenberger berichtete weiter, dass gegen einige russische Anwälte Verfahren zur Entziehung ihrer Anwaltszulassung eingeleitet oder angedroht wurden, und dass Zeugen, die vom Hauptangeklagten Chodorkowsky benannt worden seien, festgenommen wurden oder wegen der unmittelbar drohenden Gefahr der Verhaftung ins Ausland geflohen seien. Kritisiert wurden von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates auch die Umstände der Versteigerung von Yuganskneftegaz an die "Baikal Finanzgruppe" und deren unverzügliche Über- nahme durch die staatliche Rosneft, und zwar zu einem "Preis weit unter dem Marktwert".