Urlaub im DDR-Regierungszug
Walter Ulbricht benutzte den DDR-Regierungszug, weil er Flugangst hatte, und Erich Honecker schickte damit das diplomatische Corps zur Hasenjagd. Heute kann man in einen Teil der einst "staatstragenden" Waggons Urlaub machen. Lehrlinge und Langzeitarbeitslose haben die vormals blassgrünen Wagen im vorpommerschen Pasewalk zur Jugendherberge umgebaut und knallig-bunt angemalt.
Die Waggons stehen auf einem riesigen ehemaligen Bahngelände, auf dem ABM-Beschäftigte in den vergangenen sechs Jahren ein Paradies für Eisenbahnfans geschaffen haben: alte Dampfloks, nostalgische Fahrkartenschalter, Bahn-Uniformen, Gleisbau-Werkzeuge, 100 Jahre alte Eisenbahnpläne und eine Mitropa-Geschirr-Sammlung zählen zu den Ausstellungstücken des Museums, das dort und in einem früheren Lokschuppen eingerichtet wurde.
Von Luxus waren die Regierenden nicht umgeben. Die engen Abteile sind mit braunem Mobiliar aus Sprelacard - mit Kunststoff überzogene Holzplatten - eingerichtet. Die Polstersitze sind schmutzig-rot. Gehobenen Standard gab es für die prominenten Passagiere nur in technischer Hinsicht: Jede Schlafkabine hatte fließendes warmes und kaltes Wasser, manche auch eine Dusche.
Die in der Regierungszeit Walter Ulbrichts gebauten 40 Eisenbahn-Wagen wurden wechselweise als Regierungszug, Stabszug der DDR-Armee oder vom Minister für Verkehrswesen genutzt. "Ulbricht litt unter Flugangst", erzählt Joachim Breuninger vom DB-Museum in Nürnberg. Honecker sei lieber geflogen oder mit dem Auto gefahren. "Der Zug wurde schließlich fast nur noch für den Transport des diplomatischen Corps zu der alljährlich von der DDR veranstalteten Hasenjagd in den Bezirken Erfurt und Magdeburg verwendet", berichtet der Bahnexperte.
In Pasewalk haben Lehrlinge und Arbeitslose mehrere der ausrangierten Wagen aufgepeppt. Entstanden ist ein rund 200 Meter langer Zug aus Disco-, Speise- und Schlafwagen.
Einen Kontrast bietet der Blick in einen Salonwagen des DDR- Regierungszuges im Museum: In der Küche stehen DDR-Produkte wie Tempolinsen oder Trinkfix. Im Gang hängen Kopien von Briefen an Erich Honecker, darunter das berühmte Schreiben des westdeutschen Rocksängers Udo Lindenberg. Auf der Plastiktischdecke im Tagungsraum liegen ein "Banner der Arbeit", eine Honecker-Biografie und der Einsatzbefehl zum 17. Juni 1953. Die braunen Schränke sind voller Literatur von Marx, Engels, Lenin, Gorbatschow.