Alternative im Strafrecht
Recht. Die gemeinnützige Arbeit soll im Strafrecht zur Vermeidung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten in stärkerem Maße zur Anwendung kommen. Dies sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 15/2725) vor. Das zuständige Gericht solle entsprechende Möglichkeiten durch Änderungen im Strafgesetzbuch erhalten. Auch solle es dem Verurteilten diese Alternative gestatten, wenn er das erste Mal zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist oder wenn die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe eine Entschädigung des Opfers durch den Verurteilten gefährden würde.
Zusätzlich soll künftig an die Stelle einer Geldstrafe, die der Täter nicht aufbringen kann, mit der Zustimmung des Verurteilten gemeinnützige Arbeit treten. Dabei entsprechen drei Stunden gemeinnütziger Arbeit einem Tagessatz. Wenn diese Arbeit jedoch nicht in angemessener Zeit oder nicht in ordnungsgemäßer Weise erbracht werde, trete an deren Stelle die Freiheitsstrafe.
Außerdem ist im Gesetzentwurf vorgesehen, das Fahrverbot als Hauptstrafe aufzuwerten. Dies ermögliche ein Verhängen nicht nur neben, sondere anstelle einer Geldstrafe. Bei Personen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel bedeute, stelle das Fahrverbot, so die Regierung, oft eine wirklich empfindliche Strafe dar, denn es wirke sich auf die Gestaltung des gesamten Arbeits- und Privatlebens der Betroffenen aus. Die mögliche Dauer des Fahrverbots soll auf sechs Monate ausgedehnt werden.
Im Weiteren will der Entwurf die Möglichkeiten zur Berücksichtung von Opferinteressen bei der Vollstreckung von Strafen verbessern. Zum einen soll den Wiedergutmachungsansprüchen des Opfers bei der Vollstreckung von Geldstrafen der Vorrang eingeräumt werden. Mit dieser Neuregelung solle verhindert werden, dass der Anspruch des Staates auf die Geldstrafe in eine das Opfer benachteiligende Konkurrenz zu dessen Schadenersatzansprüchen trete.
Darüber hinaus müsse das Gericht bei den Verurteilungen im Hinblick auf Geldstrafen bestimmen, dass fünf Prozent des Beitrages der gezahlten Geldstrafe an eine anerkannte gemeinnützige Einrichtung der Opferhilfe zu leisten sind.
Zur Begründung führt die Bundesregierung unter anderem an, gerade im Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität stellten sich die bisherigen, heute im Strafrecht vorgesehen Sanktionsmöglichkeiten als "unzureichend" dar. So würden Urteile mit Geldstrafen gerade wirtschaftlich gut situierte Täter oft nicht in hinreichender Weise beeindrucken. Dagegen würden Geldstrafen gegen sozial Schwächere durch finanzielle Überforderung zusätzlich entsozialisierend wirken und im Einzelfall sogar den Unterhalt von Familien gefährden. Verurteilungen zu Freiheitsstrafen hätten neben den hohen Vollstreckungskosten nicht selten auch zur Folge, dass Straftäter ihren Arbeitsplatz und ihre Wohnung verlören und ihre sozialen Beziehungen vollends gestört oder aufgelöst würden.
Der Bundesrat hält in seiner Stellungnahme die wesentlichen Punkte der Regierungsvorlage kriminalpolitisch für verfehlt. Unter anderem würden die Vorschläge zu gemeinnütziger Arbeit die strafrechtliche Praxis "vor kaum überwindliche Probleme stellen" und das verfassungsrechtliche Gebot einer effektiven Strafverfolgung beeinträchtigen. Die Länderkammer weist ergänzend darauf hin, dass die Regierungsvorlage "einschneidende Folgen" für die Haushalte der Länder hätte. Es sei unter anderem sehr zu bedauern, dass die Regelungen zur Geldstrafenabführung an Opferhilfeeinrichtungen entgegen dem nachdrücklichen Votum der Länder doch wieder aufgegriffen worden seien. Dies würde in den Länderhaushalten Einnahmeausfälle von über 20 Millionen Euro verursachen.
Die Bundesregierung bedauert, beim Bundesrat keine Unterstützung für ihre Anliegen zu finden, das strafrechtliche Sanktionssystem zu erweitern und die Interessen der Opfer von Straftaten bei der Gestaltung der Sanktionen einzubeziehen. Die Kritik der Länderkammer sei unbegründet. Die Regierung habe Verständnis für die Befürchtung der Länder, die Umsetzung der vorgeschlagenen Neuregelungen könne zu Belastungen ihrer Haushalte führen. Die vom Bundesrat angeführten finanziellen Aspekte dürften allerdings bei der Frage, welche Strafe gegen einen Straftäter verhängt werden solle, "nicht die allein entscheidende Rolle" spielen. bob