Wahlkampf auf den Philippinen
Vor dem Gepiepse gibt es kein Entrinnen. Ob mitten im infernalischen Verkehr der Hauptstadt Manila, in Kneipen oder Büros - SMS, Textbotschaften übers Handy, sind allgegenwärtig auf den Philippinen. Mit geschätzten 100 Millionen versandten Kurzmitteilungen pro Tag dürfte der asiatische Inselstaat mit seinen 80 Millionen Einwohnern zur weltweiten Spitze gehören. Grund genug für die Politiker des Landes, angesichts der nahenden Präsidentenwahl am 10. Mai die Technik für ihre ganz eigenen Zwecke einzuspannen: Neben Plakaten, Fernsehspots und Kundgebungen hat sich SMS in ihren Kampagnen inzwischen einen festen Platz erobert.
"Mobiltelefone sind ganz bestimmt Teil unseres Wahlkampfes", sagt etwa Präsidentschaftskandidat Panfilo Lacson. Auch Mitbewerber Raul Roco setzt auf's Handy bei der Stimmenwerbung. Junge Wahlhelfer sollen dafür auf die Tasten hauen: "Es ist diese SMS-bewusste Gruppe, die Millionen von Wählern an der Basis für Raul Rocos Kampagne mobilisieren kann", lässt sein Wahlkampfbüro wissen. Günstig für die Politiker: Anders als bei Rundfunkspots hat die Wahlkommission keinen Einfluss auf die Inhalte. "Wir sind sicher, dass in diesem Wahlkampf immer mehr Kandidaten diese Technologie nutzen, um mit den Wählern zu kommunizieren", sagt Jonathan Malaya, Redakteur des politischen Magazins "Liberal Philippines".
Geradezu im Sturm hat die Mobilfunktechnologie das Land der 7.000 Inseln erobert. Inzwischen soll es auf den Philippinen mit über 21 Millionen mehr Handybenutzer als Führerscheinbesitzer geben. Entsprechend hat Macht, wer das Netz kontrolliert, glauben Branchenkenner wie Rolando Benzon. "Wer hier einen Staatsstreich vorhat, muss schon einen Anschlag auf Mobilfunkbetreiber unternehmen", sagt er. "Ein Anschlag auf eine Fernseh- oder Rundfunkstation gehört eher in die 70er-Jahre."
Welchen immensen politischen Einfluss die kleine Textbotschaft haben kann, zeigte sich erstmals im Januar 2001, als der Groll der Bevölkerung gegen den damaligen Präsidenten Joseph Estrada auf den Siedepunkt zuging. Zehntausende von Menschen wurden damals per SMS aufgefordert, an Demonstrationen in Manila gegen den Ex-Schauspieler teilzunehmen. Am Ende wurde Estrada von den Massen und mit Unterstützung des Militärs aus dem Amt gejagt. Analysten sind sich sicher, dass die mobilen Kurzmitteilungen ein Sargnagel für die politische Karriere des Staatsoberhaupts waren.
Nicht selten allerdings hat der unkontrollierte SMS-Strom schon für Verwirrung von nationalem Ausmaß gesorgt. Als beispielsweise am 1. April 2000 die Nachricht vom angeblichen Tod des Papstes auf den vorwiegend katholischen Philippinen landauf landab die Runde machte, ging auf die Kirche eine Sturzflut von Anrufen besorgter Gläubiger nieder. Im diesjährigen Wahlkampf sorgte ein per Textnachricht verschicktes Gerücht für große Unruhe, demzufolge sich eine Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten gegen bitter nötige Gehaltsaufbesserungen für Lehrer ausgesprochen haben soll.
Der größte Mobilfunkbetreiber auf den Philippinen, Smart Telecommunications, ist dementsprechend nicht so recht glücklich, dass die Textnachrichten zunehmend zu einem politischen Instrument werden. "Unerwünschte Mitteilungen können auch eine negative Reaktion bewirken", warnt Smart-Sprecher Ramon Isberto. "Plötzlich werden keine Sympathien erzeugt, sondern die Leute werden richtig sauer."
Frank Brandmaier, John Grafilo, dpa