Experten streiten im Ausschuss über die Ausbildungsplatzabgabe
Sachverständige aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie Vertreter der Gewerkschaften, der kommunalen Spitzenverbände und der Arbeitgeberverbände äußerten sich zu den Auswirkungen und dem Vollzug des Berufsausbildungssicherungsgesetzes.
Dabei gingen die Meinungen in der Beurteilung des Regierungsvorhabens deutlich auseinander. Während die Gewerkschaften, das Bundesjugendwerk AWO und der Deutsche Bundesjugendring die Pläne der Bundesregierung ausdrücklich begrüßten und lediglich Nachbesserungen und Korrekturen in einzelnen Punkten forderten, lehnten die übrigen Experten mehrheitlich die geplante Regelung als kontraproduktiv und ungeeignet ab, die Ausbildungsplatzmisere in Deutschland zu beheben.
Die Experten diskutierten unter anderem über die von der Wirtschaft bemängelte Ausbildungsfähigkeit vieler Jugendlichen. Die Frage der Befähigung der Ausbildungssuchenden stellt sich aus der Sicht der Unternehmerin Saskia Funk in den letzten Jahren "extrem" dar. Es sei nicht nachvollziehbar, "warum eine Ausbildungsplatzabgabe per Gesetz diese Situatin ändern sollte", so Funk. Aus der Praxis berichtete Hennig Schierholz vom Institut für Jugend, Arbeit und Bildung e.V.: "95 Prozent der Jugendlichen, die als nicht ausbildungsfähig oder nicht ausbildungsreif galten, haben wir, wenn die durchgehalten haben, erfolgreich durch die Abschlussprüfung gebracht."
Doch das Problem liege bei dem einschränkenden Satz "wenn sie durchgehalten haben". Jugendliche gingen heute anders als früher an Ausbildungen heran. Ein Teil von ihnen sehe heute keine Chance mehr, überhaupt noch sinnvoll beschäftigt zu werden. Daraus entstünden gravierende Motivationsprobleme. Notwendig wäre, diesen Personenkreis besser auf die Berufsausbildung vorzubreiten.
Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) werde die Abgabe zur Vernichtung von Ausbildungsplätzen führen und die eigentlichen Probleme auf dem Ausbildungsmarkt unverändert lassen. Es sei zu befürchten, dass viele Betriebe, die heute zu hohen Kosten Ausbildungsplätze stellten, sich künftig mit der Abgabe freikaufen würden. Zudem würde die Abgabe die Berufsausbildung vom Beschäftigungssystem und der betrieblichen Praxis abkoppeln. Die Bundesregierung folge einem grundsätzlich falschen Ansatz und durchkreuze mit dem Gesetz ihre Ziele, die Bürokratie abzubauen, die Lohnzusatzkos-ten zu senken und die Tarifautonomie zu stärken.
Gesetzlichen Handlungsbedarf sieht auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks nicht. Der "zentralistische" Lösungsansatz der Koalitionsfraktionen gehe an den tatsächlichen Problemen der regionalen Ausbildungsmärkte vorbei. Bekämpft würden nicht die Ursachen der schlechten Ausbildungsplatzsituation, sondern lediglich die Symptome. Lösungen könnten nur durch verbesserte wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Betriebe und eine effizientere Qualifizierung der Jugendlichen erfolgen. Weitere Belastungen der Wirtschaft befürchtet auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer. Hinzu komme der Verwaltungsaufwand und die Bürokratielast. Es sei bezeichnend, dass der Verwaltungsaufwand beim Bundesverwaltungsamt im Gesetzentwurf nicht beziffert werde. Aus der Sicht von Folkmar Kath vom Bundesinstitut für Berufsbildung sind negative Auswirkungen für Länder und Kommunen zu erwarten. Auch ungünstige strukturelle Verschiebungen des Ausbildungsangebots von Groß- zu Kleinbetrieben und ein Rückgang bei Berufen mit hohen Nettoausbildungskosten könnten folgen.
Durch die Bindung der Ausbildungsplatzabgabe an die Ausbildungsquote werden nach Meinung des ifo- Instituts für Wirtschaftsforschung wachsende Branchen bevorzugt und subventioniert. Da sie jedoch bereits nach Bedarf ausbildeten , entstünden durch die Zuschüsse nur geringe Anreize, zusätzliche Ausbildungsstellen zu schaffen. Für Arbeitgeber in einer wirtschaftlich schlechten Lage oder für schrumpfende Branchen liege die optimale Ausbildungsquote mit großer Sicherheit unterhalb von sieben Prozent. Durch eine Abgabe würden solche Branchen und Betriebe noch stärker belastet, was zu einer Abwärtsspirale führen könne. Eine pauschale Ausbildungsplatzabgabe hätte auch massive Fehllenkungen zur Folge, weil sie in die Struktur des Ausbildungsangebots eingreift. Nötig wäre eine gesonderte Ausbildungsquote für jeden Ausbildungsberuf und jede Region. Sie sollte zudem abhängig von der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers sein.
Kritik am Gesetzentwurf der Regierung äußerte auch der Ausbildungsleiter der BMW Group, Manfred Theunert. Er sei nicht zielführend und bringe zusätzliche Kosten und neue Probleme statt neuer Lösungen. Aus der Sicht von Wolf-Rainer Lowack von der BASF AG würden mit der geplanten Ausbildungsplatzabgabe freiwillige und innovative Ausbildungsleistungen der Unternehmen massiv behindert und tarifvertraglich vereinbarte und in der Praxis bewährte Lösungswege erheblich gefährdet. Der Deutsche Städtetag forderte in seiner Stellungnahme die Regierung auf, Städte, Gemeinden und Kreise von der geplanten Regelung auszunehmen. Die finanzielle Belastung der Ausbildungsplatzabgabe sei für die Kommunen nicht zu verkraften.
Der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Werner Hesse plädierte für weitergehende Härtefallregelungen. "Dort, wo spezifische Umlageregelungen gelten, wie in der Alten- und Krankenpflege, oder dort, wo die Beschäftigten nicht aus dem dualen System kommen, ist dieses Gesetz nicht oder nur partiell anwendbar." Es beziehe sich nämlich nur auf die Beschäftigten, die aus dem dualen System kommen.
Auf die schwierige Situation der Betriebe in den neuen Ländern wies Ludwig Gatzemeier, Vorsitzender des Betriebsrates Leinefelder Textilwerke GmbH, hin. Die Rahmenbedingungen für die Betriebe und ihre Förderung müsste verbessert werden, forderte Gatzemeier, "denn in kranken Betrieben kann nicht ausgebildet werden".
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die Regierungsinitiative hingegen ausdrücklich, forderte gleichzeitig, dass das geplante Gesetz tariflichen oder branchenbezogenen Lösungen rechtssicher Vorrang geben und vorhandene Regelungen berücksichtigen müsse. Um nicht Gefahr zu laufen, reine Auszubildendenbetriebe zu fördern, solle zudem eine Obergrenze bei der Rückvergütung und Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze eingeführt werden.
Die IG Bau sieht zu der vorgelegten gesetzlichen Regelung keine Alternative. Die Appelle der Bundesregierung, der Spitzenverbände der Wirtschaft und der Gewerkschaften in den vergangenen Jahren hätten leider nicht gefruchtet. "Alle Appele, Pakte und Gipfeltreffen haben nicht zur Lösung des Problems geführt", kritisierte auch der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. Er sei froh, dass der Gesetzgeber endlich beginne, zu handeln. Das Gesetz sei ein Instrument, das der Wirtschaft ihre Verantwortung bewusst machen könne.bes