Nicht die politische Macht der belgischen Monarchie ist entscheidend
In seiner mehr als zehnjährigen Amtszeit hat sich Albert II. als würdiger Nachfolger von König Baldouin profiliert und im Volk viel Sympathien gewonnen - Skeptiker glaubten zu Beginn seiner Amtszeit nicht richtig daran. Wie seine Vorgänger erfüllt auch er eine Integrationsfunktion: Er eint das sprachlich und kulturell in das niederländisch-sprachige Flamen, frankophone Wallonen und die kleine deutschsprachige Minderheit geteilte Land. Seine Rolle als Staatsoberhaupt - so sieht es die belgische Verfassung vor - beschränkt sich hauptsächlich auf Repräsentationspflichten; eine gute Gelegenheit, vermittelnd zu wirken, die Albert II. auch nicht auslässt. Und obwohl er eigentlich über keine politische Macht verfügt, ist er dennoch Oberfehlshaber der Armee und kann bei der Regierungsbildung einen gewissen politischen Einfluss geltend machen.
Einmal in der Woche trifft sich König Albert II. mit dem jeweils in Brüssel amtierenden Regierungschef - derzeit der flämische Liberale Guy Verhofstadt. Was da unter vier Augen besprochen wird, dringt, wie in den meisten anderen Monarchien auch, nicht an die Öffentlichkeit.
Die Außenwirkung des belgischen Königs Albert II. beruht vor allem auf seinem Erscheinungsbild in Fernsehansprachen, etwa zum Nationalfeiertag am 21. Juli, zu Weihnachten oder zum Jahreswechsel. Während seiner regelmäßigen Besuche in allen Landesteilen kann er seine vermittelnde Rolle nach innen und während offizieller Staatsbesuche im Ausland auch über die Landesgrenzen hinaus geltend machen.
Seine militärische Macht als Oberfehlshaber der Armee wird dadurch eingeschränkt, dass ein königlicher Militärstab am Palast mögliche Militäreinsätze belgischer Truppen mit dem jeweiligen Verteidigungsminister und der gesamten Regierung zu koordinieren hat. Der König kann also nicht eigenmächtig über den Einsatz belgischer Truppen bestimmen.
Anders etwa als Königin Beatrix der Niederlande ist König Albert II. qua Verfassung nicht volles Mitglied der Regierung. "In dieser Hinsicht gleicht unsere konstitutionelle Monarchie mehr der britischen als der niederländischen", stellt der Sprecher des belgischen Königshauses Sachsen-Coburg, Michiel Malherbe fest. In anderer Hinsicht aber hat König Albert II. - ähnlich wie Königin Beatrix der Niederlande - durchaus einen gewissen politischen Einfluss. Das belgische Staatsoberhaupt ernennt nämlich nach den Wahlen einen "Informateur" und danach einen "Formateur". Diese Person, in der Regel der Spitzenkandidat der bei der Wahl siegreichen und größten Partei, wird dann vom König mit der Regierungsbildung beauftragt. Sobald er eine mehrheitsfähige Koalitionsregierung zusammenstellen kann, wird dieser "Formateur" zum Regierungschef ernannt. Eine solche Vorselektion zur Bildung einer neuen Regierung gibt dem Monarchen einen gewissen Einfluss, weil er sich nicht in jedem Falle an das ungeschriebene Gesetz zu halten braucht und etwa bei Patt-Situationen oder schwierigen Koalitionsverhandlungen durch eine bestimmte personelle Ernennung politische Weichenstellungen vornehmen kann.
Eine Monarchie ist teuer. Auch in Belgien. Die rund zehn Millionen Belgier zahlen aus ihren Steuermitteln eine jährliche Apanage von fast acht Millionen Euro für König Albert II. Hinzu kommen noch Kosten für Hofhaltung und Repräsentation. Der älteste Sohn von König Albert II. und Königin Paola, die zusammen drei Kinder haben, Kronprinz Philippe, der seinen Vater eines Tages beerben wird, erhält fast 800.000 Euro jährlich.
Seit 1830 ist Belgien eine konstitutionelle Monarchie, die bisher durch zwei schwere Krisen erschüttert wurde. Die erste ist an die Person von König Leopold III. gebunden, der sich zwar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bemühte, das Land aus einem solchen Konflikt herauszuhalten und sich noch im November 1939 als Vermittler zwischen den Krieg führenden Parteien anbot. Als im Mai 1940 die deutsche Wehrmacht Belgien überfiel und die Truppen des Königreichs vor der Niederlage standen, ordnete er als Oberster Befehlshaber die Kapitulation an. Daraufhin internierten ihn die Deutschen als Kriegsgefangenen auf Schloss Laeken. Und obwohl er jede Zusammenarbeit mit ihnen ablehnte, geriet er dennoch in den Verdacht der Kollaboration, als er im November 1940 einer Einladung Adolf Hitlers nach Berchtesgaden folgte, wo er sich für belgische Kriegsgefangene einsetzte. Hinzu kam, dass er 1941 die flämische nichtadelige Unternehmerstochter Liliane Baels heiratete, deren Vater der Kollaboration mit den deutschen Besetzern verdächtig wurde.
Mit dem Rückzug der deutschen Truppen wurde auch Leopold III. 1944 deportiert, zuerst nach Sachsen dann nach Österreich; hier befreiten ihn schließlich die Amerikaner, und Leopold verbrachte die nächsten Jahre in der Schweiz. Eine Rückkehr auf den belgischen Thron scheiterte schließlich am Widerstand vor allem der sozialistischen und liberalen Parteien des Landes. Deren Druck zwang ihn 1950, seine königlichen Rechte auf seinen Sohn Baudouin zu übertragen.
Die zweite Erschütterung wurde durch eben diesen König ausgelöst. Der streng gläubige Katholik Baudouin weigerte sich 1990, ein von der Brüsseler Regierung verabschiedetes liberales Abtreibungsgesetz zu unterschreiben, das den Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche ermöglichte. Wegen der Weigerung des Königs drohte eine konstitutionelle Krise, die raffiniert, ja eigentlich typisch belgisch gelöst wurde. König Baudouin trat für einen Tag vom höchsten Staatsamt zurück. Das Kabinett und der Ministerpräsident vertraten ihn laut Verfassung in dieser Zeit, in der das Gesetz ausnahmsweise vom Regierungschef unterschrieben wurde. Danach wurde der Privatmann Baudouin wieder zum König aller Belgier ernannt. Die Krise war vorbei.