Gérard Depardieu: Der gallische Held
Balzac, der frauenheldische Autor der "menschlichen Komödie"; Obelix, der dickste, rauffreudigste Kumpan des Asterix, der ganz wie Rudolf Moshammer seiner Daisy immer in Begleitung von Idefix ist; Rodin, der das Genie seiner Kollegin und Geliebten, Camille Claudel, verleugnete und ihren Wahnsinn billigend in Kauf nahm; Fouché, das "Charakterchamäleon" (Stefan Zweig), Polizeiminister unter Napoléon und Verräter seiner früheren Weggefährten - was haben diese Männer gemeinsam? Sie alle wurden in "Lebensgröße" durch Gérard Depardieu verkörpert. Depardieu über Depardieu: "Ich arbeite nicht wirklich an einer Rolle. Ich bin ehrlich, total ehrlich." Sensibler Kern in oft rauer oder auch gewalttätiger Schale.
Geboren 1948, aufgewachsen als drittes von sechs Kindern in der Provinz, war er bereits in jungen Jahren ein Kraftpaket und lernte die Buntheit des Lebens am Tag und in der Nacht in allen Facetten kennen: Schwarzhandel, käuflicher Sex, Schlägereien, Niederlagen und Träume. Von all dem gesättigt, brach er Mitte der 1960er-Jahre seine Druckerlehre ab und ging nach Paris.
Bereits beim Studium der Schauspielerei bestach er durch seine natürliche Ausstrahlung. 1974 dann der so genannte Durchbruch mit "Die Ausgebufften" (Les Valseuses), in den Folgejahren war er sich für keine Rolle zu schade, er spielte den Rebell, den Liebhaber, den Trotzigen, den Heimkehrer, den Trottel. Trotzdem bleibt der rote Faden erkennbar: Depardieu ist äußerlich ein charismatischer, schiefnasiger und erotischer Kerl, jedoch innerlich ein feinbesaiteter und ehrlicher Mensch.
In den Medien wird oft über ihn berichtet - wenn er sich geprügelt hatte oder hochalkoholisiert Auto fuhr - ein "echter" Mann eben. Seit Jahren präsentieren die Medien den Schauspieler als "Rambo-Typ", dabei hat der Franzose auch ganz andere männliche Seiten: Er betrachtet die Welt realistisch, mit Klugheit und einer Portion Weitblick, denn für ihn waren "schon immer Frauen interessanter als Männer, begonnen bei den Werten, die diese vermitteln".
Der waschechte Gallier Depardieu gilt vielleicht auch daher bei Frauen - wie bei Männern - als Held, verkörpert er doch Aspekte des heute gefragten Mannes: kommunikative Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Empathie. Depardieu stellt ein durchaus langfristig zeitgemäßes Männlichkeitsbild dar, er ist mächtig und rüpelhaft, "un hombre muy hombre", "ein sehr männlicher Mann". Er wandelt sich gern, geht in seinem Mann-Sein mit der Zeit, passt sich an, ohne sich wirklich anzupassen. Ehrgeiz braucht er nicht mehr zu beweisen, Disziplin wird ihm in seiner Position nicht mehr abverlangt. Er kann wählen, ein Mann in dieser Position spielt immer wieder mit seiner Macht, bewusst oder unbewusst.
Dinge, wie der angeblich so relevante und Männlichkeit prägende Waschbrettbauch werden von Typen wie Depardieu mehr als überzeugend ad absurdum geführt.