Außerschulische politische Bildung
Außerschulische politische Bildung, so wie sie sich in der Bundesrepublik seit den Zeiten der "Reeducation" entwickelt hat und heute vor allem von einer bunt gemischten Trägerszene gegen den Mainstream von Sparpolitik und Qualifizierungsdruck betrieben wird, ist im internationalen Vergleich ein Sonderfall. Ja man könnte sie, worauf Achim Schröder bei der jüngst abgeschlossenen, vom Bundesjugendministerium in Auftrag gegebenen Evaluation der politischen Jugendbildung hinwies, geradezu als Exportmodell des hiesigen Bildungsstandorts betrachten.
Was diese Bildungsszene konkret - in Zahlen und Daten - leistet oder leisten kann, ist freilich kontrovers. Dazu trägt auch die unübersichtliche Struktur bei, in die die politische Jugend- und Erwachsenenbildung durch unterschiedliche Landesgesetzgebungen, überregionale Förderung (hauptsächlich durch den Kinder- und Jugendplan des Bundes sowie die Bundeszentrale für politische Bildung) und das Engagement gesellschaftlicher Kräfte eingebunden ist. Hinzu kommt, dass politische Bildung außerhalb der Schule an vielen Orten und in verschiedensten Kontexten stattfindet - von Jugendarbeit und Jugendverbänden über berufliche Bildung bis zu Gedenkstätten, Museen und Universitäten.
Um dieses Feld zu vermessen, bedarf es besonderer Anstrengungen. Darauf hat Klaus Ahlheim in seiner Studie über Wirkungsforschung aufmerksam gemacht und zugleich die lange Weiterbildungstradition herausgestellt, die auf dem Prinzip der Teilnehmerorientierung basiert: Die Interessen und Erwartungen der Adressaten werden aufgenommen, um subjektorientierte, emanzipatorische Bildungsprozesse anzustoßen. Ahlheim setzt auf pädagogisch reflektierte Auswertungsverfahren, wie sie etwa die vom Bildungsministerium geförderte und bis Ende 2004 projektierte Evaluation der politischen Erwachsenenbildung vorsieht; er hält Distanz zu direkten Anleihen bei Marketing und Marktforschung.
Abgeschlossen ist seit Jahresende 2003 die Evaluation der durch den Kinder- und Jugendplan geförderten politischen Jugendbildung. Sie war vorgenommen worden, um Kriterien für eine Umstrukturierung der Förderung aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes zu gewinnen. Schröder und sein Team haben, gestützt auf eine detaillierte empirische Erhebung, Aufgabenkatalog und professionelles Profil der Jugendbildungsarbeit untersucht. Interviews und Portraits von Jugendbildungsreferentinnen und -referenten geben einen vertieften Einblick in dieses Berufsfeld.
Die Autoren stellen die Vielfalt und Differenziertheit der Trägerstruktur als einen Aktivposten für die Praxis heraus und betonen, dass der Professionalisierungsprozess zu einem breiten Kompetenz-Spektrum des Personals geführt hat. Auch zeigen sie, dass und wie Jugendliche einen Zugang zur Politischen Bildung finden können, obwohl sie sich zunächst gar nicht für politische Dinge interessierten. Deutlich wird in der Untersuchung, dass hier nicht nur unterrichtende Tätigkeit gefragt ist, sondern auch Planung, Konzeptbildung, Bildungsberatung, Marketing, Vernetzung und anderes. Alles diene dem Ziel, "Mut zu machen und das Rückgrat zu stärken", wie es eine der Autorinnen sagt.
Eine besondere Stärke dieses Bildungssektors bestehe darin, dass er sich konsequent um Innovationen bemüht: "Die außerschulische politische Bildung nimmt eine Vorreiterrolle in der Entwicklung neuer Lernformen und Methoden ein. Die von der Schule und anderen pädagogischen Bereichen teilweise übernommenen partizipativen und projektorientierten Methoden sind in der außerschulischen Bildungsarbeit zuvor erprobt, ausgewertet und publiziert worden." Mit ihrer Offenheit und Experimentierfreude habe die Jugendbildung gute Chancen, sich auf dem "Bildungsmarkt" zu behaupten.
Karsten Rudolf hat in den vergangenen zwei Jahren umfangreiche Marktstudien zur Situation und zu den Perspektiven außerschulischer politischer Bildung vorgelegt. In der Trägerlandschaft haben sie für erheblichen Diskussionsstoff gesorgt. Dabei spielte vor allem das Votum für eine eindeutige Markt- und Kundenorientierung, auf die sich die Bildungseinrichtungen umzustellen hätten, eine Rolle.
Zentraler Punkt der Marktforschung von Rudolf ist, wie er jetzt mit seiner Ko-Autorin in einer zusammenfassenden Publikation dargelegt hat, der empirisch ermittelte Tatbestand, dass es in der deutschen Bevölkerung ein großes Teilnehmer-Potenzial von knapp 50 Prozentz für Angebote der politischen Weiterbildung gebe, das die Bildungseinrichtungen bisher jedoch nicht ausschöpften. Hier bleibe noch viel zu tun - gerade auch in Kooperation mit der Wirtschaft und ihren Bemühungen, die Unternehmenskultur durch berufliche und politische Weiterbildungsmaßnahmen voranzubringen.
Klaus Ahlheim
Vermessene Bildung?
Wirkungsforschung in der politischen Erwachsenenbildung.
Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 2003;
56 S., 8,60 Euro
Achim Schröder / Nadine Balzter /
Tommy Schroedter
Politische Jugendbildung auf dem Prüfstand.
Juventa Verlag, Weinheim 2004; 200 S., 14,50 Euro
Karsten Rudolf / Melanie Zeller-Rudolf
Politische Bildung - gefragte Dienstleisterin für Bürger und Unternehmen.
W. Bertelsmann, Bielefeld 2004;
332 S., 24,50 Euro