Erdogan-Partei wird zugelassen
Obwohl die Mehrheit der Europäischen Volkspartei (EVP), in der christdemokratische und konservative Parteien aus ganz Europa zusammengeschlossen sind, mehrheitlich noch gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU eingestellt ist, soll die AKP als Partei des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan schon bald einen Beobachterstatus als Vorstufe für eine spätere Mitgliedschaft in der EVP erhalten.
Einen entsprechenden Beschluss fasste am 26. Januar das Präsidium der EVP in Brüssel. Trotz der in Deutschland und Frankreich großen Widerstände gegen die Türkei-Aufnahme wurde der Beschluss von den deutschen Repräsentanten in dem Gremium, Hans-Gert Pöttering als EVP-Fraktionsvorsitzenden und Ingo Friedrich als Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, mitgetragen. Als Konsequenz wird als nächster Schritt in ein bis zwei Jahren eine Aufnahme von Abgeordneten aus dem türkischen Parlament in die Fraktion der EVP im EU-Parlament erwartet. Spätestens im Juli 2009, mit dem Beginn der nächsten Wahlperiode, so zeigten sich EVP-Verantwortliche überzeugt, werden türkische Parlamentarier den offiziellen Beobachterstatus in Straßburg und Brüssel erhalten, der sie zur vollen Mitarbeit in der europäischen Volksvertretung berechtigt, mit Ausnahme des Stimmrechts.
Der Beschluss ist vor allem auf Betreiben des EVP-Vorsitzenden und früheren belgischen Ministerpräsidenten Wilfried Martens gefasst worden. Dieser sieht die Türkei - nach dem im Dezember letzten Jahres gefassten Beschluss der Staats- und Regierungschefs der EU zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ab Herbst 2005 - auf direktem Weg in die EU. Würde die Türkei als EU-Vollmitglied aufgenommen, wobei das Datum 2014 zur Debatte steht, ständen ihr nach der europäischen Verfassung 96 Abgeordnete im Europaparlament zu.
Da sie rund 60 Prozent der Abgeordneten in der türkischen Nationalversammlung stellt, brächten sie etwa 60 neue Mitglieder in die EVP-Fraktion ein. Damit würden die türkischen Abgeordneten die bei weitem größte nationale Gruppe in der zur Zeit 268 Mitglieder aus 25 Ländern umfassenden EVP stellen. Augenblicklich geben die deutschen Christdemokraten von CDU und CSU mit 49 Abgeordneten den Ton an. Die Chance, den politischen Einfluss mit einem Schlag derartig zu vergrößern, kann sich die EVP doch nicht entgehen lassen, meinte ein Abgeordneter der Gruppe und fügte die Frage hinzu: "Sollen wir sie denn in die Arme unserer Kontrahenten treiben?"