Brandenburg: Zweite SPD/CDU-Regierung 100 Tage im Amt
Seit 100 Tagen ist sie nun im Amt, die zweite SPD/CDU-Regierung in Brandenburg. Von Großer Koalition kann man eigentlich nicht reden, da beide Koalitionspartner am 19. September 2004 kräftig verloren und nun nur noch auf 31,9 beziehungsweise 19,5 Prozent der Stimmen gewonnen haben. Die PDS, die während des Wahlkampfes lange vorn gelegen und sich bereits Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung gemacht hatte, musste sich mit 28 Prozent zufrieden geben. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zog die Neuauflage einer Koalition mit der CDU vor, obwohl man sich im Wahlkampf nichts geschenkt hatte. Der stellvertretende Ministerpräsident Jörg Schönbohm (CDU) klagte damals sogar, die PDS gehe schonender mit der CDU um als der Koalitionspartner SPD.
Doch inzwischen demonstriert man zumindest nach außen Harmonie. Kein Wunder, dass man mit dem Start der zweiten rot-schwarzen Landesregierung denn auch zufrieden ist. So weist sie denn auch den Vorwurf der oppositionellen PDS-Fraktionschefin Dagmar Enkelmann zurück, die Koalition werde lediglich von der Wahlniederlage "zusammengeschweißt", ansonsten stehe sie "ohne inhaltliches Fundament" da. Hatte Platzeck, zugleich SPD-Chef in Brandenburg, nicht kurz nach der Wahl gesagt, man habe beim Wähler nur noch diese eine Chance? Sollte heißen, wenn diese nicht genutzt wird, wird man 2009 unweigerlich vom Wähler auf die Oppositionsbänke geschickt.
Das Spektakulärste der ersten 100 Tage der zweiten SPD/CDU-Regierung unter dem alten Gespann Platzeck/Schönbohm war denn auch die Absage an eine Volksabstimmung über eine Fusion mit Berlin im Jahr 2006. Nun hat man das Thema Länderzusammenschluss auf das nächste Jahrzehnt vertagt. Der Zusammenschluss der (meisten) Gesamt- und Realschulen zur neuen Oberschule hat inzwischen den Landtag passiert und wird zum Schuljahr 2005/06 umgesetzt. Auch sind die Straßenbauverwaltungen in einen Landesbetrieb zusammengeführt worden.
Aus der Sicht von Ministerpräsident Matthias Platzeck ist in den ersten 100 Tagen eine Menge von der neuen Landesregierung erreicht worden, in der die SPD fünf und die CDU vier Minister stellt. Streit gibt es zwischen Regierungskoalition und Opposition unter anderem darüber, wie der Haushalt des Landes Brandenburg (rund zehn Milliarden Euro) saniert werden kann. Dabei geht es vor allem um den Schuldenabbau, um wieder mehr politischen Handlungsspielraum zu gewinnen. Aus der Sicht der PDS hat die Regierung das Ziel der Konsolidierung begraben, aus der Sicht der Regierung ist man mit der Haushaltskonsolidierung schon recht weit gekommen.
Freilich, Rainer Speer (SPD), der neue Finanzminister, kann nach eigenem Eingeständnis das ursprünglich gesteckte Ziel nicht erreichen, pro Jahr 175 Millionen Euro einzusparen. Mit 140 Millionen Euro werde er sich begnügen müssen. Und dieser Betrag wird schon weh genug tun, denn Brandenburg nimmt gegenwärtig pro Jahr rund eine Milliarde Euro neue Schulden auf. Und diese gehen fast gänzlich für die Zinsen der seit 1990 vor allem unter dem ersten Ministerpräsidenten Stolpe (SPD) angehäuften Schulden drauf. Ein bitteres Erbe für Nachfolger Matthias Platzeck, der keinen Zweifel daran lässt, dass es mit der "kleinen DDR" vorbei ist, als die Brandenburg wegen seiner umfangreichen Sozialleistungen lange Zeit galt.
Im Blick auf den Bevölkerungsrückgang (gegenwärtig zählt Brandenburg rund 2,6 Millionen Einwohner) will Platzeck dafür sorgen, dass die einzelnen Ministerien besser ressortübergreifend zusammenarbeiten, um so besser für die Zeit nach 2010 gewappnet zu sein. Dann wird die Bevölkerung spürbar abnehmen. Sowohl durch weitere Abwanderung als auch durch niedrige Geburtenzahlen.
Der große Aufbruch (Platzeck sprach nach der Wahl gern von einem "zweiten Aufbruch") ist bislang ausgeblieben. Der Alltag ist längst wieder in der brandenburgischen Politik eingekehrt, und als amtierender Bundesratspräsident muss Regierungschef Matthias Platzeck öfter in Berlin sein, als ihm angesichts der Probleme des Landes mit seiner hohen Arbeitslosigkeit (vor allem in den Randgebieten) lieb sein kann. Immerhin: Beate Blechinger (CDU) wurde zunächst als neue Justizministerin scharf angegriffen, weil sie die erste Nichtjuristin auf diesem Stuhl ist. Doch inzwischen genießt sie auch unter Juristen einen exzellenten Ruf, weil sie sich sehr intensiv um die Belange der Justizverwaltung kümmert. Und außerdem hat sie noch keinen Ausbruch aus einem der brandenburgischen Gefängnisse zu vermelden, deren Sicherheit in der Vergangenheit öfter angezweifelt wurde.
Nicht gebessert hat sich in den ersten 100 Tagen der zweiten SPD/CDU-Regierung die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Viel Arbeit hat auch die SPD-Landtagsabgeordnete Esther Schröter, die im vergangenen Jahr von der PDS zur SPD gewechselt war. Sie kümmert sich intensiv um die Hartz IV-Betroffenenen, die mit ihren Bescheiden seitens der Arbeitsverwaltung nicht zurechtkommen oder die für ihre Sorgen keine entsprechenden Ansprechpartner haben. So ist die ehemalige PDS-Abgeordnete zu einem wichtigen Pluspunkt für die SPD-Landtagsfraktion geworden.
Gespannt wartet man in Brandenburg auf die "zielgenauere Wirtschaftsförderung", für die Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) verantwortlich ist. Bis Ende des Jahres soll sie nach dem Willen der SPD-Fraktion vorliegen, die dieser Tage ein solches Förderkonzept angemahnt hat. Das erwartete Konzept soll die Fehlschläge aus der Vergangenheit (Chip-Fabrik Frankfurt/Oder, Cargolifter Brand, Sachsenring) nicht wiederholen, sondern künftig nur dort helfend unter die Arme greifen, wo Erfolg absehbar ist. Nicht zuletzt gilt dies für Forschungseinrichtungen und -betriebe.