Baden-Württemberg: Landkreise mischen EnBW-Konzern auf
Auf gleicher Augenhöhe" müsse das Land mit dem Pariser Staatskonzern EdF bleiben. Und überhaupt: "Wenn Baden-Württemberg draufsteht, muss auch Baden-Württemberg drin sein" - nämlich bei der EnBW, dem drittgrößten deutschen Energieunternehmen; das Kürzel heißt "Energie Baden-Württemberg". Kaum eine Rede, kaum ein Interview, bei denen der designierte Ministerpräsident Günther Oettinger diese Forderungen, im "Ländle" schon fast geflügelte Worte, nicht mit Nachdruck untermauern würde: Dass es nämlich zwischen den französischen und südwestdeutschen Anteilseignern bei der EnBW pari stehen müsse. Die Kampagne des CDU-Politikers dürfte von Erfolg gekrönt sein: Zwar steigt die Regierung selbst nicht erneut bei dem Konzern ein, doch auf dem Umweg über eine Aufstockung der Aktien der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) auf einen 45-Prozent-Anteil für satte 800 Millionen Euro soll bei dem Karlsruher Unternehmen die öffentliche Hand mit der EdF gleichziehen. Zum Global Player avancieren als Träger der OEW neun Landkreise im beschaulichen Südosten Baden-Württembergs, wo barocke Kirchen, saftige Kuhweiden, katholische liturgische Feste, Obstbaumwiesen und Hopfenplantagen die idyllische Landschaft prägen.
Oettingers Coup darf als politischer Paukenschlag gelten: Das Aufmischen der EnBW-Besitzverhältnisse bedeutet nichts anderes als die partielle Wiederverstaatlichung der heimischen Energiewirtschaft. Dieser Kurs läuft der Globalisierung ebenso zuwider wie dem Trend zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen, die ansonsten von der CDU massiv propagiert wird. Und obwohl noch gar nicht im Amt, profiliert sich Oettinger schon jetzt als derjenige, der im Südwesten das Sagen hat. Erwin Teufel, bis zum 20. April Hausherr in der Villa Reitzenstein, darf daselbst zwar das Zepter schwingen und Empfänge mit Fastnachtsnarren zelebrieren: Die politischen Weichen aber stellt bereits sein Nachfolger - wozu auch gehört, den Parforceritt bei der EnBW an Teufel vorbei mit der widerstrebenden FDP auszuhandeln.
Der OEW-Deal mutet ein wenig wie ein historischer Treppenwitz an. 2000 hatte Teufel die Landesanteile an der EnBW für 2,4 Milliarden Euro an die EdF abgestoßen. Seinerzeit widersetzte sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Oettinger diesem Verkauf, trug die Aktion aber widerwillig mit. Und jetzt macht er diesen Schritt über die OEW sozusagen wieder rückgängig - ein später Triumph des Kronprinzen über den König. Die Oberschwaben, betont Oettinger, hätten eine "Hauptverantwortung" bei der Wahrnehmung der Landesinteressen in der EnBW, besonders bei der Sicherung von Arbeitsplätzen.
Die Fronten verlaufen etwas unübersichtlich. Oettingers Kurs, eine sich abzeichnende EdF-Mehrheit beim Karlsruher Unternehmen zu verhindern, wird von der SPD-Opposition mit ihrem Vorsitzenden Wolfgang Drexler unterstützt. Wirtschaftsminister Ernst Pfister hingegen kritisierte die Ausweitung des öffentlichen Einflusses bei der EnBW als "sinnlose und politisch abstruse Aufholjagd", der "Wettlauf" mit der EdF sei nicht zu gewinnen - wobei der FDP-Politiker vor allem gegen die Investition von Landesgeldern Front machte. Auch die Grünen demonstrieren gegenüber Oettingers industriepolitischem Ehrgeiz Distanz.
Der künftige Regent indes beschwört die von einer EdF-Dominanz ausgehenden Gefahren: Es drohe eine Verringerung der heimischen Stromproduktion samt Abbau von Arbeitsplätzen und Einbrüchen bei der Gewerbesteuer, man müsse stattdessen mit dem Import französischer Atomenergie rechnen, Entscheidungen würden dann in Paris und nicht mehr im Badischen getroffen. Der widerborstigen FDP rang er das Ja zum OEW-Deal mit einer Forcierung der Privatisierungen ab: Immobilien im Wert von 300 Millionen Euro werden versilbert, zudem steht nun unter anderem auch das Wochenblatt "Staatsanzeiger" zum Verkauf.
Die OEW mit Sitz in Ulm soll ihre Anteile an der EnBW für rund 800 Millionen Euro auf knapp 45 Prozent erhöhen. Allerdings muss sich für dieses Vorgehen in der OEW-Verbandsversammlung und zuvor in den neun Kreistagen bis Ende Februar erst noch eine Mehrheit finden. Angesichts so mancher Bauchschmerzen wird durchaus kontrovers diskutiert. Oettinger habe als "Strippenzieher" Druck ausgeübt, kritisiert der Ravensburger Kreisrat Manfred Lucha als Sprecher der Grünen, die Gebietskörperschaften müssten "viel Geld in die Hand nehmen". Der Biberacher Landrat Peter Schneider fühlt sich wie viele andere "überrumpelt". Gleichwohl will er mitmachen, und trotz aller Widerstände dürfte in der OEW letztlich wohl eine Mehrheit für die Aufstockung der EnBW-Anteile votieren. Eine Rolle spielt das Versprechen von Verbandschef Wolfgang Schürle, Landrat im Alb-Donau-Kreis: Auch in Zukunft werde das EnBW-Engagement Ausschüttungen von 50 Millionen jährlich abwerfen - die Mittel fließen in die Etats der neun Kreise, die OEW selbst profiliert sich mit diesem Geld als Kunstmäzen.
Gegenwärtig sind 39 Prozent der EnBW-Anteile im EdF-Besitz, die OEW halten 34,5 Prozent. Mit Rücklagen, Krediten und Dividendeneinnahmen sollen die Oberschwaben für mehr als 300 Millionen Euro den Kauf von weiteren 4,5 Prozent aus alten EnBW-Aktienbeständen finanzieren. Von einer Bank, so die Planungen, erwerben die OEW zudem knapp sechs Prozent für etwa 475 Millionen Euro, die erst im November 2006 zu bezahlen sind: Dieser Betrag soll über ein Darlehen aufgebracht werden, das wiederum über Dividenden gedeckt wird - wobei die landeseigene L-Bank eine Summe von 20 Millionen Euro absichert, ein für die Regierung begrenztes Risiko, was der FDP das Ja zu dem Geschäft erleichtert. Auch die EdF ersteht Bankanteile von annähernd sechs Prozent.
Bis Ende nächsten Jahres verfügen die zwei Großaktionäre dann jeweils über rund 45 Prozent der EnBW-Anteile - auf "gleicher Augenhöhe", was oberschwäbische Lokalpolitiker, aber auch Oettinger zum ebenbürtigen Mitspieler des französischen Staatskonzerns macht.