Anhörung zur Geschäftsordnung
Bundestagsnachrichten. "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lässt auch für die Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses eine Abbildung der Mehrheit abweichend von einer spiegelbildlichen Zusammensetzung nach Fraktionsstärken zu." Zu dieser Einschätzung kommt der Sachverständige Professor Joachim Wieland von der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main in seiner schriftlichen Stellungsnahme für die öffentliche Anhörung des Geschäftsordnungsausschusses, die am 17. Februar stattgefunden hat. Grundlage der Anhörung war ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion ( 15/4494) zur Neuverteilung der Bundestagssitze im Vermittlungsausschuss vor dem Hintergrund des Verfassungsgerichtsurteils vom 8. Dezember 2004. Die Verfassungsrichter hatten darin die gegenwärtige Sitzverteilung als nicht vereinbar mit dem Gleichheitsgebot aus Artikel 38 Grundgesetz erklärt. Die Union fordert deshalb künftig sieben statt sechs Sitze. Die SPD habe einen Sitz abzugeben.
Auch Professor Gerhard Robbers von der Universität Trier bezeichnet die Abbildung der regierungstragenden Koalitionsmehrheit auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses als "weiterhin zulässig". Ebenso kann Professor Friedrich Pukelsheim, Universität Augsburg, eine Aussage, "dass die Verfassung eine Ausrichtung am Mehrheitsprinzip verbietet", im Urteil nicht entdecken. Professor Hans Meyer von der Humboldt-Universität Berlin interpretiert den Wunsch, dass sich die regierungstragende Bundestagsmehrheit im Ausschuss widerspiegelt, sogar für den Standpunkt auch der Senatsmehrheit des Verfassungsgerichts - "wenn auch durch viele Worte verbrämt". Gegenteiliger Meinung ist Professor Peter Badura von der Universität München. Seiner Meinung nach lässt das Verfassungsgerichtsurteil eine Abbildung der Mehrheit abweichend von einer spiegelbildlichen Zusammensetzung nach Fraktionsstärken bei der gegebenen Sitzverteilung im Plenum des Bundestages und der vorgegebenen Zahl der Mitglieder der Bundestagsbank nicht zu. Die Aufgaben des Gremiums erforderten dies auch nicht. Diese Auffassung teilten auch die Professoren Thomas von Danwitz, Universität Köln, und Matthias Jestaedt, Universität Erlangen. Der Vermittlungsausschuss sei in dieser Hinsicht mit den Ausschüssen des Bundestages nicht vergleichbar, schreibt Badura. Er hält einzig eine Sitzverteilung nach dem Besetzungsschlüssel 7:7:1:1 für zulässig.
Unstrittig ist bei den Sachverständigen, dass der Bundestag einen neuen Beschluss fassen muss mit dem Ziel, "eine proportionalitätsgerechtere Besetzung zu erreichen". Sei dieses Ziel unerreichbar, so etwa Robbers, "kann der ursprüngliche Beschluss erneut gefasst werden", was allerdings ein erhebliches Prozessrisiko vor dem Bundesverfassungsgericht berge. Auch Professor Meyer teilt die Auffassung, das Urteil verlange "im Tenor ausdrücklich keinen inhaltlich anderen Beschluss als den gefassten". Eine Lösung des Problems sieht Professor Pukelsheim in einer "schonenden Mehrheitsklausel", der zufolge auf die Regierungskoalititon von SPD und Bündnisgrünen 9:2 Sitze, auf die Oppositionsfraktionen CDU/CSU und FDP 6:1 Sitze entfallen würden.