Interview mit Michael Knape, Leiter der Berliner Polizeidirektion 6
Mehr Schutz für äußerst sensible Orte wie das Holocaust-Mahnmal, fordert der Berliner Polizeichef Michael Knape. Ansonsten ist Knape zufrieden mit der derzeitigen Gesetzeslage - der Leiter der Polizeidirektion 6, die die Bezirke Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick umfasst, gilt als besonders geschickt darin, den Rechtsextremen das Leben schwer zu machen. Damit hat sich der Polizeichef persönliche Bedrohungen und Diffamierungen durch die rechtsextreme Szene eingehandelt.
Das Parlament: Glauben Sie, dass die Verschärfung des Versammlungsrechts notwendig ist, um Rechtsextremismus zu bekämpfen?
Michael Knape: Grundsätzlich ja. Wir haben zwar eine gute Regelungsdichte, der jetzige Paragraf 15 des Versammlungsgesetzes eröffnet schon sehr viele Möglichkeiten für beschränkende Verfügungen und auch für Verbote. Wenn beispielsweise an Tagen wie dem Holocaust-Gedenktag rechtsextreme Aufmärsche stattfinden sollen, kann man die wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung verbieten, ebenso wie das an symbolträchtigen Orten mit nationalsozialistischem Bezug durchaus möglich ist. Einen Durchmarsch rechtsextremistischer Versammlungsteilnehmer durch das Brandenburger Tor an besonderen Tagen, wie zum Beispiel dem achten Mai, kann man auch schon nach heute geltendem Versammlungsrecht unterbinden, indem man beschränkende Verfügungen in räumlicher Hinsicht erlässt, so dass sie beispielsweise deutlich vor dem Tor stoppen müssten. Wir haben dennoch eine Regelungsbedürftigkeit für äußerst sensible Orte. Ich denke da vor allem an das Holocaust-Denkmal. Da ist das Versammlungsrecht mit den Änderungen auf einem guten Weg. Es ist nicht nur politisch und ethisch, sondern auch rechtlich unvertretbar, dass an Holocaust-Gedenkstätten Aufmärsche von nationalsozialistischem Gepräge stattfinden.
Das Parlament: Gäbe es andere Möglichkeiten, rechtsextreme Aufmärsche vor Holocaust-Mahnmal und Brandenburger Tor am 8. Mai zu verbieten?
Michael Knape: Den Aufmarsch am Holocaust-Denkmal könnte man auch durch einen befriedeten Bezirk verhindern. Das Problem ist nur, wenn man einen befriedeten Bezirk mit Holocaust-Denkmal, Bundestag und Brandenburger Tor einrichtete, wäre das eine unvorstellbar große Fläche, die ein ganzes Areal lahm legen würde. Ob das im Sinne der Verfassung und mit den Inhalten eines befriedeten Bezirks zu vereinbaren wäre, halte ich für zweifelhaft. Den befriedeten Bezirk des Bundestages könnte man durchaus auf die Holocaust-Gedenkstätte ausdehnen. Aber das Brandenburger Tor in den befriedeten Bezirk mit einzuschließen, halte ich für rechtlich problematisch.
Das Parlament: Also doch lieber ein verschärftes Versammlungsrecht?
Michael Knape: Ich sehe darin keine Verschärfung, vielmehr würde die Novellierung des Versammlungsrechts lediglich eine Lücke schließen. Heute dürfen wir Aufzüge verbieten, wenn eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit besteht, in ganz begründeten Ausnahmefällen auch dann, wenn die öffentliche Ordnung gefährdet ist. Falls Rechtsextreme am 8. Mai am Holocaust-Denkmal demonstrieren, ist das ein Angriff auf die Würde der Menschen jüdischen Glaubens in Berlin und eine Gefahr, die nicht nur im Bereich der öffentlichen Ordnung, sondern sogar im Bereich der öffentlichen Sicherheit liegt. Aber noch besser wäre es, diese Gedenkstätten durch eine neue versammlungsrechtliche Regelung zu schützen.
Das Parlament: Sie gelten als jemand, der besonders geschickt darin ist, bis an die Grenzen bestehender Gesetze zu gehen, um den Rechtsextremen das Leben schwer zu machen. Was genau machen Sie?
Michael Knape: Hier geht es nicht darum, jemandem bei Ausübung eines verbrieften Grundrechts das Leben schwer zu machen, vielmehr geht es um die Einhaltung versammlungsgesetzlicher Regelungen. Der Polizeiführer, der den Aufzug hautnah erlebt, der genau mitbekommt, wie sich die Rechtsextremen verhalten und was für Meinungen sie vertreten, kann noch während des Aufzuges von beschränkenden Verfügungen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht situativ Gebrauch machen.
Das Parlament: Das heißt, man könnte einen rechtsextremen Aufmarsch am Brandenburger Tor, wenn beispielsweise bestimmte Slogans gebrüllt werden, auflösen?
Michael Knape: Wenn die NPD im Mantel des Biedermannes anmeldet, beim Anmarsch zum Brandenburger Tor dann jedoch beispielsweise plötzlich Goebbels-Zitate mehrere Male skandiert und auch nach Aufforderung nicht damit aufhört, hat der Polizeiführer alle rechtlichen Möglichkeiten. Dann kann ich nur sagen: "Nur zu, Polizeiführer!" Ich bin überzeugt, dass jeder Polizeiführer in einem solchen Fall sagen würde: "Stopp, hier marschieren Sie nicht durch!"
Das Parlament: Ist die rechtsextreme Szene aggressiver geworden nach ihren Wahlerfolgen?
Michael Knape: Durch die Wahlerfolge und den Zulauf, den sie bekommen, fühlen sie sich in ihrer politischen Auffassung gestärkt. Sie sind selbstbewusster, aggressiver. Diese Aggressivität war schon bei verschiedenen Demonstrationen spürbar, bei denen es nicht nur Rangeleien mit der Polizei gab, sondern richtige körperliche Auseinandersetzungen.
Das Parlament: Plädieren Sie für ein Verbot der NPD?
Michael Knape: Wenn die NPD nachweisbar verfassungswidrige Ziele verfolgt, wenn man genug Material gegen sie beisammen hat, sollte man sie verbieten. Damit zerschlägt man Strukturen und Netzwerke, die erstmal mühsam wieder aufgebaut werden müssten. Zudem entzöge man ihr finanzielles Kapital. Die NPD ist eine Partei, die sich richtig professionell entwickelt hat. Je mehr sie ihre verfassungswidrigen Ziele ausleben kann, desto stärker wird sie. Eine große Partei zu verbieten, wäre später viel schwieriger.
Das Parlament: Sie werden selbst auch massiv von Rechtsextremen bedroht. Wie gehen Sie damit um?
Michael Knape: Die Attacken gegen meine Familie und mich Ende 2004, die Steckbriefe an Bäumen, die Telefonanrufe, die gezielten Diffamierungen - das war schon belastend. Auch die Versuche, mit Liedtexten und Demonstrationen eine Drohkulisse gegen mich aufzubauen. Aber man kann sich mit der Situation arrangieren und macht weiter. Zurückweichen wäre verkehrt.
Das Interview führte Ulrike Schuler